Tomi Ungerer † Foto:Claude Truong-Ngoc 2014 / cc

Es war eine schöne Idee: Der alte weise Mann vom Three Castle Head würde ewig leben. Heute starb Tomi Ungerer im Alter von 87 Jahren in Cork. Er liebte die Menschen und alle Tiere, er schuf Crictor, die gute Schlange, Adelaide, das fliegende Känguru, Emil, den hilfreichen Tintenfisch, Rufus, die farbige Fledermaus und Orlando, den braven Geier. Er liebte seine Wahlheimat Irland, wo er seit 1975 lebte, und er liebte die Liebe.

Es war eine Woche der Abschiede. Auf die große Reise gingen Rudi Assauer, Rosamunde Pilcher, Tomi Ungerer und der Kleine Hund.

Zur Erinnerung an den großen Humanisten, Künstler, den Europäer und selbst ernannten Anarchisten  aus dem Elsaß erscheint heute noch einmal der Beitrag über Tomi Ungerers letztes Bilderbuch, Der Nebelmann, aus dem Jahr 2012. Farewell.

 

 

Irland Tomi Ungerer Der Nebelmann

Finn und Cara werden auf die Nebelinsel getrieben, den zerklüfteten schwarzen Zahn, der an Skellig Michael erinnert.
Abbildung aus dem besprochenen Band © Diogenes Verlag Zürich, 2012

Der Nebelmann sagt zu den Geschwistern Finn und Cara: “Ich bin schon Ewigkeiten allein hier. Aber wer einsam ist, muss sich noch lange nicht langweilen. Oft singe ich Lieder vor mich hin in uralten, vergessenen Sprachen. Den Tieren scheinen sie zu gefallen”. Der Nebelmann ist der gütige Titel-Geist von Tomi Ungerers neuem Buch: “Der Nebelmann – Eine Geschichte aus Irland”. Auf 44 Seiten malt und erzählt der 80-jährige Künstler aus dem Elsaß seine Liebeserklärung an das Land, in dem er lebt — und an “all die wunderbaren Menschen, die uns dort willkommen geheißen haben,” wie er in seiner Widmung am Ende des Bilderbuchs schreibt.

Der Nebelmann

Cara, Finn und der Vater, der Bootsbauer. Abbildung aus dem besprochenen Band © Diogenes Verlag Zürich, 2012

Worum geht es im Nebelmann? Die Geschwister Finn und Cara, “sie lebten ganz weit weg, am Meer,” werden eines Tages trotz der Warnungen des Vaters in ihrem kleinen Boot von Meeresströmungen an einen unbekannten Strand getrieben. Doch sie verzagen nicht und treffen auf den wundersamen Herrn der Insel, den Nebelmann. Der alte Mann ist für den Nebel im Land verantwortlich und im übrigen sehr freundlich. Tomi Ungerer erzählt die Geschichte vom Nebelmann laut Verlag für Kinder von vier bis sechs Jahren. Was können wir Erwachsenen froh sein, dass wir auch schon mal vier waren und das Buch deshalb ebenfalls genießen dürfen!

Tomi Ungerer, der alte Mann mit den weißen Haaren, kreiert einen unendlich älteren Mann mit unendlich langen grünen Haaren. Das Land, in dem Ungerer mit seiner Familie seit 36 Jahren lebt, malt er in den tiefen Farben eines gediegenen sonnenfreien Tages, in den Farben des Wassers, der Erde, der Wolken und des Nebels, in gedecktem Grün und Blau, in Grau und Anthrazit. Manche Betrachter werden einwenden, das seien düstere, allzu düstere Farben. Es sind  die Farben Irlands, wie man sie oft erlebt, wenn man hier lebt. Wer Mallorca-Farben bevorzugt, wird andere Bilderbücher anschauen und in andere Länder reisen. Dass der Kinderbuch-Autor Ungerer Kindern vieles zutraut und einiges zumutet, entstammt wohl der tiefen Überzeugung, dass Kinder die Farben der Wirklichkeit ganz gut vertragen. Die Geschichte hat ein Happy End.

Die Motive im Nebelmann erkennt, wer Irland kennt. Sie erinnern an die Landschaften im Südwesten, an die Klippen der Peninsulas in West Cork, an Michaels Felsen im Meer von Kerry, Skellig Michael, an die verfallenen Häuser verschwundener Generationen. Die Bilder sind Erinnerungen an das alte ländliche Irland, wie es zuweilen in Paralleluniversen existiert: das Irland der Torfbauern, der Bootsbauer, der Schaf-Farmer mit Mütze, Esel und Border Collie. Das Irland der beseelten Steine und der geister- und wundergläubigen Menschen.

Den Nebelmann zeigen wir hier nicht. Wir wollen ja nicht alles verraten. Denn das wunderbare kleine große Buch gibt es zu kaufen: Tomi Ungerer, Der Nebelmann (Diogenes 2012, Format 310×320 mm, € 16,90) (Beim sozialen Onlne-BuchhändlerBuch7)

 

[ed15112012]