Should I stay or should I go?

If I go there will be trouble
And if I stay it will be double
So come on and let me know

Should I stay or should I go?
(The Clash)

Irland. Sackgasse. Realer Alptraum?
Irland. Fluchtpunkt. Ziel der Träume?

In Irland herrscht die Krise. Aus dem, was Ökonomen in steriler Theoriefrömmigkeit als eine Rezession definieren, ist in der Wirklichkeit längst eine Depression geworden. Ein Ende nicht in Sicht.
In Irland- und anderen Foren wälzen freiwillige Migranten und Migrations-Träumer das große Lieblingsthema: “Should I stay or should i go?” Auf der Insel wohnende Deutsche fragen sich: Soll ich bleiben, soll ich gehen? Von Irland träumende Deutsche wollen genau dasselbe wissen: Soll ich bleiben, soll ich gehen? Nur die Richtung ist die Entgegengesetzte.
Die Debatte um Sinn und Chance einer Luxus-Migration – und um eine solche handelt es sich aufgrund der Abwesenheit jeglicher Not in aller Regel – endet meist im gegenseitigen Nichtverstehen. Die Lebensverhältnisse, Erwartungen und Maßstäbe all der Irland-Residenten und Irland-Träumer sind für ein klares “Stay or Go” viel zu unterschiedlich. So muss am Ende Jeder seine eigene Rechnung aufmachen, muss Pros und Contras, Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen und am Ende entscheiden: Ich bleibe oder gehe runter von der Insel, Irland ich komme (oder nicht).
Es mag darüber hinaus einige Fakten geben, die die aktuellen Zu- und Abwanderungstrends unabhängig von der eigenen Lebenslage und vom persönlichen Geschmacksempfinden beeinflussen.
1. Glücksritter: Wer nach Irland drängt, um sich die eigenen Taschen schnell und möglichst prall zu füllen, ist für absehbare Zeit auf dem Holzweg: Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt wird sich vorerst nicht erholen. Die Löhne und Gehälter sinken, die Sozialleistungen werden eingedampft.
2. “Nine-to-Five-“Arbeitnehmer: Wer auf einen einzelnen Arbeitgeber angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zählt zur Hochrisiko-Gruppe derer, die am besten mit Rückflugticket reisen und die Entourage erst einmal zurücklassen. Wer schon im Call-Center, beim NCT, bei der Bank oder im Hotel arbeitet, kann sicher mit einem “Germany”-Bonus rechnen. Allerdings werden in den bevorstehenden Wintermonaten viele weitere Arbeitsplätze wegfallen, der Druck irischer Arbeitssuchender auf die vorhandenen Stellen wird weiter zunehmen.
3. Migranten der Liebe: Wer den Iren oder die Irin des Lebens (der nächsten zehn Monate) gefunden hat, macht ohnedies, was die Hormone diktieren. Der Rest ist Glückssache und Glück ist auf der Insel mehr denn je ein scheues Reh.
4. Irland-Romantiker: Dies ist die Zeit der Ich-Unternehmer, der Patchwork-Subsistenzler, der Multi-Talente, der Bauchladen-Betreiber. Wer wirklich nach Irland will, weil ihm Land und Leute derart zusagen, dass ihn nichts zurückhalten kann, fährt am besten, wenn er Einsätze und Risiken auf mehrere “Baustellen” verteilt.
5. Lebensqualität: Dass Irland nach einem aktuellen Ranking der UNO das Land mit der weltweit fünftbesten Lebensqualität sein soll, gilt garantiert für junge, gesunde, wohlhabende Menschen, die von der Kapitalrendite des elterlichen Erbes leben. Für die Mehrheit der weniger Privilegierten, die auf Ärzte, Krankenhäuser, öffentliche Einrichtungen wie Schulen und gewartete Straßen vor Ort angewiesen ist, mag sich die Lage anders darstellen.
6. Gefühlte Lebensqualität: Die Mentalität der Bilderbuch-Irinnen und Iren ist legendär: Waren sie doch arm und glücklich, zufrieden, und eins mit dem Herrgott. Was immer vor 20 oder 30 Jahren gewesen sein mag – runter geht es schneller als rauf. Viele Iren tun sich heute schwer damit, sich mit dem Mangel zu arrangieren. Wie Verlust, Abstieg und Mangel kompensiert werden, kann man in Statistiken über Kriminalität und Drogenkonsum nachlesen. Die Stimmung ist gereizt. “Sich Einschränken Müssen” ist einfach uncool und gar nicht geil. Ein Lob auf die Bescheidenheit stimmen nur die Wenigsten an.