Der Familienvater rief erregt Worte wie “Wucher” und “Luxussteuer”. Der Mann hatte gerade Frau und  Tochter zum Kaffee eingeladen und bekam nun die Rechnung präsentiert: 26 Euro  für drei Käffchen und drei Stückchen Süßes. Der Mann war bedient. Urlauber-Alltag in Irland?

12 Euro für Fish and Chips, 5,50 Euro für ein kleines Stück Apfelstrudel (mit Sahne), 12 Euro für eine Pizza: Wer die Preise nicht vorab prüft, endet auch im Irland des Jahres 2010 leicht in der Wucherfalle.  Wer in Irland lebt, der weiß in der Regel, dass das generelle Preisniveau für Konsumartikel seit dem Ende des “Grünen Wirtschaftswunders” im Jahr 2007 nur einen Weg kannte: nach unten. Und dennoch halten sich gerade in der Gastronomie und im Tourismusgewerbe viele Betriebe, die die Zeichen der Zeit noch nicht erkennen wollen und ihr Heil weiter in maßlos überhöhten Preisen suchen. Das Resultat: Frustrierte Urlauber, die an der großen Diskrepanz zwischen Preis und Leistung scheitern und den Glauben an die Preiswürdigkeit ihrer Unternehmung verlieren. Die Rede ist von “Ripp-off-Ireland”, von “Wucherland” .

Tatsächlich fordern irische Beobachter die eigenen Landsleute geradezu gebetsmühlenartig dazu auf, aus den Träumen aufzuwachen und die neuen Realitäten nach zwei Jahren Talfahrt endlich anzuerkennen. Irland befindet sich in der tiefsten Wirtschaftskrise seit seiner Gründung und ein Ausweg ist derzeit (außer von der schönfärbenden Regierung) nicht zu erkennen. Die Neigung, dies zu akzeptieren und die Weichen für das eigene Leben neu zu stellen, bleibt jedoch unausgeprägt. Man schwelgt weiterhin in der alten Boom-Ideologie, lebt auf höchstem Niveau und damit über die eigenen Verhältnisse – und über die Verhältnisse anderer.

Der irische Scharfseher und Ökonom David Mcwilliams hat dieser Tage mit einem seiner unvergleichlichen Vergleiche den Zustand des Landes treffend beschrieben. Fußball: Die relativ erfolglose Nationalmannschaft Irlands leistet sich mit Giovanni Trapattoni den zweitteuersten Nationaltrainer der Welt. Trap verdient im Jahr 600.000 Euro mehr als der spanische Meister-Trainer del Bosque, mehr als der Trainer des WM-Zweiten Niederlande und 650.000 Euro mehr als Deutschlands Jogi Löw.

McWilliams schließt aus dem Fußball-Vergleich für Irland und die Iren: Sie tun immer noch so, als hätten sie alles Geld der Welt. Sie bezahlen gemäß ihren Ansprüchen (“Wir wollen ein Spitzenteam sein”), weigern sich aber, Gehälter und Preise von Qualität und Leistung abhängig zu machen (Sie sind ein mittelmäßiges Fußballteam). So bezahlt Irland für seine mediokre Fußballmannschaft, die sich nicht für die WM-Endrunde qualifiziert hat, einen globalen Spitzenpreis – nur weil man auch gerne ein Spitzenteam wäre. Dasselbe ereignet sich in der irischen Wirtschaft: Löhne, Gehälter und Preise sind unangemessen hoch. Der Ökonom formuliert spitz: “Wir kennen von allem die Preise, aber von nichts den wahren Wert”.

Laut McWilliams muss Irland längst die Perspektive eines Entwicklungslands einnehmen und nach Wegen suchen, um die Wirtschaft von Grund auf neu aufzubauen. Das aber ist schmerzhaft, anstrengend und unbequem. “Einsicht” wird deshalb wohl nur der Druck der sich weiter verschärfenden Lebensverhältnisse erzwingen.

Um aber auf die schockierten Urlauber vom Anfang zurückzukommen: Wie auch daheim lohnt es sich, die Preise zu studieren und zu vergleichen. Man kann heute in Irland wieder preiswürdig essen und übernachten. Mit ein wenig Aufwand lassen sich die richtigen und angemessenen Angebote auch finden.