Enda Kenny

Haben zwei Jahre Hängepartie ein Ende? Kommt nun der Aufbruch in eine politisch und wirtschaftlich besonnenere Zukunft? Morgen jedenfalls wählt Irland ein neues Parlament und damit eine neue Regierung. Es ist anzunehmen, dass Enda Kenny, der Spitzenkandidat der Mitte-Rechts-Partei Fine Gael (Foto), aus diesen Wahlen als neuer Regierungschef Irlands hervorgehen wird.

Der ehemalige Lehrer, der seit 1975 in der Hauptkammer des Parlaments sitzt, hat nach mehreren parteiinternen Aufständen derzeit das Heft fest in der Hand und führte einen für seine Verhältnisse guten Wahlkampf. Seine Partei Fine Gael wird mit 35 bis 40 Prozent der Stimmen gehandelt, die ewige Regierungspartei Fianna Fail wird wohl mit weniger als 20 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit der Gründung in den 20-er Jahren einfahren: der verdiente Lohn dafür, dass die Ahern-Cowen-Regierung das Land in der “Goldenen Ära” des Keltischen Tigers durch Inkompetenz und Missmanagement in den finanziellen und wirtschaftlichen Abgrund geritten hat.

Während die 2500 Wahlberechtigten auf den Inseln von Aran bis Clare Island teilweise bereits gestern gewählt haben oder heute wählen, damit die Wahlurnen rechtzeitig zur Auszählung am Samstagmorgen das Festland erreichen, geht die Mehrheit der Iren am morgigen Freitag zur Wahl. Ob sich angesichts der schwierigen Lage des Landes wesentlich mehr als die üblichen 50 Prozent der Wahlberechtigten aufraffen können, wird sich bereits morgen zeigen. Mit dem Wahlergebnis ist allerdings erst am Sonntag, im ungünstigsten Fall sogar anfang der kommenden Woche zu rechnen.

Denn das irische Wahlsystem und das  Auszählverfahren sind kompliziert und langwierig. Zwar hat jeder Wahlberechtigte nur einen Stimmzettel, doch auf diesem kann er Präferenzen  für Zweit-, Dritt- und Viertkandidaten angeben, die bei der Auszählung zu berücksichtigen sind. Dieses Präferenzwahlsystem (Single Transferable Vote) zieht eine langwierige und komplexe Stimmenauszählung nach sich. Das große Häufeln der Stimmzettel wird als tagelange Prozedur live in den irischen Medien übertragen.

Am Ende werden für die 43 Wahlbezirke 166 Parlaments-Sitze vergeben und die Frage beantwortet sein, ob Fine Gael alleine regieren wird, oder ob eine Mehrheit nur mit einem Koalationspartner gelingen wird. Bereit steht dafür die mutmaßlich zweitstärkste Partei, die Labour Party, die im Wahlkampf etwas in den Abwind geriet, die aber dennoch rund 20 Prozent der Stimmen gewinnen könnte.

Die spannenden Fragen bei der morgigen Wahl sind: Wollen die Iren eine Einparteienregierung, und: Was wählen am Ende all die enttäuschten Fianna-Fail-Anhänger, wenn es in der Wahlkabine wirklich darauf ankommt, das Kreuzchen definitiv woanders zu machen als bei der ewigen Regierungspartei?

Enda Kenny jedenfalls geriert sich bereits jetzt wie der neue Taoiseach (das ist die irische Bezeichung für Irlands Regierungschef). Er kündigte weitere harte Belastungen für die Bürger und Nachverhandlungen mit den Kreditgebern des Landes an, um die dramatische Schuldenkrise zu meistern, aber auch einen wirklichen Neuanfang in vielen Bereichen: Seine Regierung soll endlich nationale Programmpolitik machen und mit der traditionellen Kirchturms- und Lokalpolitik der Wahlkreisabgeordneten radikal brechen. Die überflüssige zweite Parlamentskammer, der Senat soll genauso abgeschafft werden wie das Pflichtprüfungsfach Irisch an den Schulen.  Als erstes will Kenny nach seiner Amtübernahme alle Botschafter des Landes zurückrufen und sie auf den neuen politischen Kurs Irlands einstimmen.

Ein zarter Hauch von Aufbruchsstimmung weht über den Wahllokalen der Insel.

PS: Der Irland Blog berichtet in den kommenden Tagen ausführlich über den Ausgang der Wahlen. Wir greifen dabei vor allem auf die Auszählungs-Daten bei RTE.ie und irishtimes.com zurück. Wer das Wahlsystem und das Auszählverfahren beser verstehen will: Auf Bernd Bieges Droichead Net findet man eine leicht verständliche und anschauliche Erklärung.