Auf der Aran-Insel Inishmore gibt es einen unscheinbaren steinigen Strand, der von Touristen bislang nicht beachtet wurde. Er ist in keiner Karte eingezeichnet und wird von den Einheimischen “Bean Bháite” , der Strand der ertrunkenen Frau, genannt. Der irisch-deutsche Schriftsteller Hugo Hamilton (*1953 in Dublin als Sohn einer Deutschen und eines Iren) könnte das ändern: In seinem neuen Roman “Hand In The Fire” (Die Hand im Feuer) erklärt Hamilton, warum der Strand so heißt, warum die Gegenwart so viel mit der Vergangenheit zu tun hat und warum die irische Gesellschaft aufgrund einer schwierigen Vergangenheit eine komplizierte Gegenwart durchlebt.


Der Strand der ertrunkenen Frau auf Inishmore und das durch zwei Granitsteine markierte Grab der Máire Conceannin dürfte die längste Zeit ein vergessener und verlassener Ort gewesen sein. Zu mächtig ist die Geschichte, die Hamilton da erzählt – und die in soweit auf Fakten beruht als dass man die überlieferte irische Geschichts-Erzählung als Faktum akzeptiert. Auf Inishmore jedenfalls soll irgendwann in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts die Leiche einer jungen schwangeren Frau namens Máire Conceannain (Mary Concannnon) angespült worden sein. 


Der überlieferten Geschichte nach war die unglückliche Frau aus Furbo, Connemara, nicht verheiratet. Sie wurde in sittenstrenger Zeit aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen und ging ins Wasser. Wurde sie umgebracht, von der eigenen Familie, von den Männern im Dorf, von dem einen Mann? Oder beging sie Selbstmord – und das sogar auf Geheiß des Pfarrers? Die Geschichte, wie sie die Alten auf den Aran-Inseln und in Furbo, Connemara, erzählten, kennt mehrere Versionen. Niedergeschriebene Fakten fand der Autor nicht.


Die Nachfahren der Familie Concannon jedenfalls leiden noch immer unter dem Trauma der ertrunkenen Frau – und die tragische Geschichte dieser Familie erzählt Hugo Hamilton in “Hand In The Fire”. Dieser Teil der Geschichte ist fiktiv und realistisch zugleich. Geschildert wird sie von Vid Ćosić, dem jungen Einwanderer aus Belgrad, der die Familie Concannon hautnah kennenlernt, eben mit der Hand im Feuer. Vid will sich im Irland des Keltischen Tigers eine neue Existenz aufbauen, er will dazu gehören, will so irisch wie die Iren sein – und stößt auf Freundschaft, Fremdenhass und Liebe.  


Hugo Hamilton (“Gescheckte Menschen”), der Irland selber mit dem distanzierten Blick des Einwanderers in zweiter Generation betrachtet, lässt seinen serbischen Helden Vid tief in die Seele des Landes und seiner Menschen blicken. Wer das Irland der Gegenwart besser verstehen möchte, findet einen Schlüssel dazu in Hugos neuem Buch. Hier gibt es den Roman im englischen Original. Am 11. Mai erscheint die deutsche Übersetzung bei Luchterhand mit dem Titel “Der irische Freund“: