Irland FischEine der beliebten Dauer-Diskussionen, die Deutsche über Irland führen, wurde jetzt auch von der Irish Times aufgegriffen: “Warum essen Iren so wenig Fisch?“. Irland ist vom Meer umgeben, Fisch als Nahrungsquelle ist leicht, in großer Vielfalt und in großen Mengen zugänglich, das Land verfügt sogar über große Fischereiflotten, exportiert allerdings den überwiegenden Teil des Fangs — die Irinnen und Iren konsumieren weit weniger Fisch als die meisten Europäer, man fährt auf der Insel oft weit, bis man ein gutes Fisch-Restaurant oder einen gut sortierten Fischladen findet. Um es kurz zu machen: Die Irish Times bleibt die Antwort heute schuldig, sie lässt eine Food-Bloggerin wolkig darüber faseln, dass es an einem Mangel an Wissen und Erziehung liegen muss.

Das Verhältnis der Iren zum Meer ist ein kompliziertes. Das Wasser gilt traditionell als feindlich, gefährlich und unberechenbar. Ein Volk von Fischern macht noch kein Volk von Fischliebhabern. Die Senior-Chefin eines Fischereibetriebs an der Südküste fragte ich einmal, wie oft sie ihren selber gefangenen Hummer isst. Die Frau schaute mich zunächst fassunglos an, wechselte dann in den Modus “angewidert” und antwortete knapp: “Nie, wir essen keinen Fisch und kein Meereszeug”. Warum ist das so? Warum essen Mary und Paddy so wenig Fisch? Wer weiß es?

Auf dem Speiseplan von Mammie Irish steht an oberster Stelle der Rinderbraten mit Sauce und Kartoffeln. Der Fisch kommt selten bis gar nicht vor. Ausnahmen: Fish & Chips und Räucherlachs, und im Sommer auch mal eine selber gefangene Makrele. In Kochbüchern der traditionellen irischen Küche gibt es meist auch ein (1) Fischgericht, damit hat es sich dann aber. In Zeiten der englischen Vorherrschaft mussten die Iren den gefangenen Fisch bei den Herrschaften abliefern, zeitweise war es ihnen sogar verboten, ein Boot zu besitzen. Vielleicht sind es die tiefen Spuren der Verwüstung, die die englische Herrschaft und vor allem die englische Küche auf Irlands Speisekarte hinterlassen haben . . .

Dass eine große irische Zeitung das Thema Fischkonsum überhaupt diskutiert, ist allerdings auch ein Anzeichen dafür, dass die Fischküche in den vergangenen zehn Jahren vermehrt auf der Insel Einzug hält. In Spanien, Italien oder Frankreich haben viele Urlaubsiren mit Fischgerichten Bekanntschaft gemacht und integrieren neu gewonnene Einsichten zunehmend auch in ihren Alltag. Andernorts rollt derweil eine mächtige Vegetarismus-Welle gegen alte Essgewohnheiten an, Fleisch- und Fischverzicht sind angesagt, und die aufkommende Anti-Lachs-Bewegung punktet mit neuen Erkenntnissen über die katastrophale Öko-Bilanz und die gesundheitlichen Risiken von Zuchtlachs. Das Leben ist kompliziert. Auch in Irland.

Der Artikel in der Irish Times: Hier