Woran erkennt man, dass man in Irland ist? Noch vor zwei, drei Jahren, hätte man antworten können: Am Kleingeld, das überall herumliegt: auf den Straßen und Gehwegen, in den Supermärkten, Toiletten, den Pubs, unter Park- und Ticketautomaten. Überall konnte man die Ein-Cent, Zwei-Cent- oder Fünf-Cent-Stücke finden. Ein zu Wohlstand gekommenes Volk zündete sich nicht nur fette Zigarren mit 50-Euro-Scheinen an und sog weiße Ware durch gerollte 100-Euro-Noten – vor allem wurde man die ungeliebten, fast wertlosen Geldbeutel-Dickmacher mit einem achtlosen Fingerschnippen los.

Deutsche Kinder freuten sich regelmäßig ob der Geldfunde, deutsche Erwachsene hatten immer einen Grund zu Füßen, sich über die korrumpierte und verdorbene Lebensart der Insulaner zu erregen. Inzwischen ist in Irland auch das Kleingeld knapp geworden und ein Trend hat sich verfestigt: Man bückt sich wieder, auch nach den kleinen Roten. Wer sich 100 Mal nach einem Ein-Cent-Stück bückt, hat schon ganzen einen Euro  zusammen. Ist das etwa nichts?

Es ist nicht Nichts, aber es ist doch erbärmlich wenig. Ein lahmes Kreuz für einen Euro, lohnt sich das? Eigentlich steht die “Wer-den-Pfennig-nicht-ehrt”-Doktrin auf ganz schön schwachen Füßen. Auch wenn die Geste immer obszön wirkte: Eigentlich hatten alle Iren recht, die Ihre Geringschätzung für das Kleinstgeld mit Missachtung ausdrückten. Eigentlich sind diese kleinen Münzen, die den Euro in 20, 50 oder gar 100 Teile stückeln, ein hinderliches Relikt aus der Blütezeit der Bargeld-Wirtschaft.

Wann haben Sie wirklich zum letzten Mal ein Ein-Cent-Stück benötigt? Wirklich benötigt  – und nicht zusammengeklaubt, um den Geldbeutel zu erleichtern? Es könnte Jahre her sein. In jedem Haushalt finden sich die berühmten Kleingeldbehälter, die Cent-Gräber, die zweckentfremdeten Tassen und Einweckgläser, die Münz-Dosen und Geld-Strümpfe, die man eigentlich immer schon mal zur Bank gebracht haben wollte. Unser Kleingeld-verliebter Elfjähriger hat es tatsächlich getan: Er leerte alle bekannten und heimlichen Cent-Lager im Haus – und kam auf 2213 Münzen – mit Höchstwert 20 Cents. Erstaunlich, was sich da in nur acht Jahren an nutzlosem (?) Kleinstgeld angesammelt hat.

In der privaten Sammlung fand sich auch das abgebildete Ein-Cent-Stück: Ein Beleg dafür, dass die kleinen Roten doch nicht gänzlich nutzlos sind: Ein irischer Zeitgenosse demonstriert, dass sie immerhin als klitzekleines Werbe-Medium einen Sinn haben. . .