„Wir haben die Uhren und die Iren haben die Zeit. In Irland gehen die Uhren anders. Rush Hour in Irland ist, wenn zehn Kühe die Straße runtertrotten.“ So denkt man sich das gerne: Irland, das Land der Langsamkeit , der Gemütlichkeit, eine Oase der Zeitlosigkeit. Die Wirklichkeit ist eine andere. Kaum sonstwo auf der Welt hat sich das Leben in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren derart schnell und dramatisch verändert wie auf der Grünen Insel.
Wie viel Veränderung, wie viel gesellschaftlicher Wandel, wie viel „Fort-Schritt“ passt in ein Jahrzehnt? Die Entwicklungen auf der Insel spielten sich in den vergangenen Jahren wie im Zeitraffer ab: Von bettelarm nach supperreich und zurück in einer Dekade. Was das Nachkriegs-Deutschland in 40, 50 Jahren durchlebte – in Irland dauerte es schwindelerregende zehn Jahre. Vom Cottage zur Villa, vom Feldweg zur Autobahn, von der Rostbeule ohne Unterboden zum Luxusauto, vom Curragh zum Schnellboot, vom Kirchenstaat zur Insel der Ungläubigen – nur ein Jahrzehnt liegt dazwischen.
Mit dem Geld kamen die üblichen Nebenerscheinungen: Zivilisationskrankheiten, Umweltverschmutzung, Orientierungslosigkeit: steigender Drogenkonsum, explodierende Körperumfänge, steigende Suizidraten. Die jüngste Meldung: Der Lungenkrebs löst den Brustkrebs als häufigste Krebserkrankung bei jungen Frauen ab. Der Grund: Bekannt. Kostet 8,50 Euro pro Packung und verursacht nicht nur Rauch.
Nun, nach dem großen Crash nimmt sich Irland eine Auszeit. Das Karussel dreht langsamer. Bedenkzeit. Rückbesinnung?
Ist ja nur ein unbedeutendes Detail dazu, aber:
mich wundert immer wieder wieviel Geld in Irland in der Gastronomie ausgegeben wird. Egal ob im Pub oder im Restaurant. Ich meine jetzt nicht nur das Weggehen am Abend. Man wundert sich als Besucher mit normalem mitteleuropäischen Einkommen, wie die Iren das nur machen. Alleine, wenn man bedenkt was für eine vierköpfige Familie das Essen im Pub kostet und dann oft ganze Nachmittag eals Familienausflug in demselben verbracht werden.
Auch die Einkaufswagen bei den Lidls, Tescos und Aldis sind oft so berstend voll mit Instantzeugs, Fertigprodukten, Süßzeugs und Softdrinks, etc. Und das bei den Preisen, die je nach Produkt um 10 – 30% über unseren in Österreich oder Deutschland liegen.
Aber irgendwie geht das offensichtlich. Nur wie?
mad
Ja, da kann ich auch immer nur staunen, wenn ich die Schlachtfelder auf den halb abgegrasten Tischen sehe. Wg. „bettelarm“: Ich denke, die Reise wird nicht vollends zurück gehen in die Armut der 50-er Jahre. Hinter der Fassade der Normalität verbirgt sich neuerdings allerdings die neue Not vieler Menschen. Kaum angerührt wurden bislang übrigens die Privilegien der Public Service-Beschäftigten, der Eingriff der Troika in die Privilegien der Staatsbediensteten steht für das kommende Jahr an.
Seltsamerweise merkt man vor Ort (noch) nicht viel von dem Zurück nach bettelarm (natürlich wünsche es ihnen auch nicht). Ich war Anfang August in Union Hall, nahe Skiberreen. Die Strassen waren voller Autos, die Supermärkte prall gefüllt und auch die scheussliche Angewohnheit halbvolle Teller im Restaurant nach dem Mahl zurückzulassen haben die Iren nicht abgelegt. Die Immobilienpreise sind weiterhin utopisch.
Oft strapaziert, trotzdem dringend notwendig nicht nur für Irland: Ein (Lebens-)Wertewandel. Ob es leichter fällt, wenn´s nicht anders geht? Vielleicht, angenehm ist es in keinem Fall, weil wir Menschen ja *Gewohnheitstiere* sind. Ich hoffe für uns alle, dass wir den Ausstieg aus *größer, weiter, schneller* schaffen, noch in meiner Lebenszeit. Manches Naturell könnte eher dafür geschaffen sein (wir Mitteleuropäer gehören denk ich nicht dazu).
Passt nicht ganz zum Thema oben, aber den späten Schulstart am Morgen in Irland (bei uns beginnt heute wieder ein Schuljahr mit täglich 7.45 Beginn) fand ich immer viel bekömmlicher fürs Familienklima und sicher auch für die Arbeit in der Schule.
LG Elisabeth