Wir haben die Uhren und die Iren haben die Zeit. In Irland gehen die Uhren anders. Rush Hour in Irland ist, wenn zehn Kühe die Straße runtertrotten.” So denkt man sich das gerne: Irland, das Land der Langsamkeit , der Gemütlichkeit, eine Oase der Zeitlosigkeit. Die Wirklichkeit ist eine andere. Kaum sonstwo auf der Welt hat sich das Leben in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren derart schnell und dramatisch verändert wie auf der Grünen Insel.

Wie viel Veränderung, wie viel gesellschaftlicher Wandel, wie viel “Fort-Schritt” passt in ein Jahrzehnt? Die Entwicklungen auf der Insel spielten sich in den vergangenen Jahren wie im Zeitraffer ab: Von bettelarm nach supperreich und zurück in einer Dekade. Was das Nachkriegs-Deutschland in 40, 50 Jahren durchlebte – in Irland dauerte es schwindelerregende zehn Jahre. Vom Cottage zur Villa, vom Feldweg zur Autobahn, von der Rostbeule ohne Unterboden zum Luxusauto, vom Curragh zum Schnellboot, vom Kirchenstaat zur Insel der Ungläubigen – nur ein Jahrzehnt liegt dazwischen.

Mit dem Geld kamen die üblichen Nebenerscheinungen: Zivilisationskrankheiten, Umweltverschmutzung, Orientierungslosigkeit: steigender Drogenkonsum, explodierende Körperumfänge, steigende Suizidraten. Die jüngste Meldung: Der Lungenkrebs löst den Brustkrebs als häufigste Krebserkrankung bei jungen Frauen ab. Der Grund: Bekannt. Kostet 8,50 Euro pro Packung und verursacht nicht nur Rauch.

Nun, nach dem großen Crash nimmt sich Irland eine Auszeit. Das Karussel dreht langsamer. Bedenkzeit. Rückbesinnung?