Dartry House in Dublin: Hier lebte William Martin Murphy

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 22)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt die Geschichte einer widersprüchlichen und prominenten Persönlichkeit von der Beara-Halbinsel: William Martin Murphy, Unternehmer, Politiker und Presse-Baron. Ein irischer Katholik, der in schwieriger Zeit Karriere machte. 

William Martin Murphy

Er war einer der herausragenden Söhne der Beara Peninsula: William Martin Murphy. Geboren am 31. Dezember 1844 in Derrymihan, außerhalb von Castletownbere. Seine Eltern waren Mary Ann und Denis Murphy. William hatte noch eine ältere Schwester. Der Vater war ein Bauunternehmer, der sein Geschäft im Jahre 1846 nach Bantry verlegte, wo er am Square sein Haus baute. Hier bekam das Ehepaar noch zwei weitere Söhne, die aber schon sehr jung verstarben. Die Wurzeln dieser Familie Murphy läßt sich auf das Jahr 1785 zurückführen, wo ein Vorfahr eine Farm auf Bere Island hatte.

Williams Eltern- und Geburtshaus in Derrymihan bei Castletownbere auf Beara

William Martin war gerade fünf Jahre alt, als seine Mutter verstarb. Und so kam die Großmutter nach Bantry, um sich um den Haushalt und die beiden Kinder zu kümmern. Aber auch sie starb schon fünf Jahre später. William erinnerte sich Zeit seines Lebens an die Geschichten, die seine Großmutter ihm über die furchtbaren Leidensjahre der Hungersnot erzählte.

Gedenktafel am Geburtshaus

William besuchte die Schule in Bantry, wo ihn ein außergewöhnlicher Lehrer unterrichtete und förderte. Später wechselte er auf das Jesuiten Collage Belvedere in Dublin. Seine Talente waren vielseitig. Doch zunächst trat er in eine Architektur-Firma ein. Dem Besitzer gehörte auch die Zeitung „Irish Builder“, wo William auch Geschmack an journalistischen Aktivitäten fand.

Vater Denis war sehr erfolgreich und wurde unter anderem vom 3. Earl of Dunraven beauftagt, die aufwendigen Abbruch- und Aufbau-Arbeiten an der katholischen Kirche in Sneem, Co Kerry zu leiten. Doch während seines Aufenthaltes in Sneem erkrankte er an Typhus und starb 1863. William Martin, gerade 19 Jahre alt, kam zurück nach Bantry und übernahm die Geschäfte des Vaters. Seine Schwester hatte einen klaren Verstand und übernahm die Buchhaltung. Ihr ganzes Leben drehte sich um „my brother Willie“.

Bau von Straßenbahnen: Auch unter William Martin florierten die Geschäfte weiter. Mit 25 Jahren heiratete der Unternehmer Mary Julia Lombard und bekam mit ihr sechs Söhne und vier Töchter. In diesen Anfangsjahren boomte der Ausbau des Straßenbahn- und Eisenbahn-Netzes. Murphy sah darin eine große Zukunfts-Chance und beteiligte sich, zusammen mit seinem Schwiegervater, an Finanzierung, Konstruktion und Management. Mit der Zeit wurde er einer der größten Bauunternehmer des Landes. Zunächst konzentierte Murphy sich auf den Bau von Straßenbahnen. Dafür war er in Dublin, Cork, Belfast, im Süden Londons, auf der Isle of Thanet, in Hastings, Bournemouth, Paisley und sogar in Buenos Aires tätig. Seine Straßenbahn in Dublin galt im ganzen Königreich als vorbildlich.

Dartry House: Inzwischen war William Martin mit seiner Familie von Bantry nach Cork und dann nach Dublin umgezogen. Dort erwarb er das Dartry House im Süden von Dublin, eine vickorianische Residenz, erbaut um 1810 von Obadiah Williams, einem reichen Kaufmann hugenottischer Herkunft.

Den großen Durchbruch schaffte Murphy mit dem Auftrag, in West-Afrika ein Eisenbahn-System aufzubauen. Dazu gibt es eine schöne Geschichte: Die Auftraggeber stellten eine Bedingung, das Projekt sollte in einer bestimmten Zeit durchgeführt sein und bei Überschreitung drohten Abschläge. Murphy antwortete darauf, ob es auch einen Zuschlag geben würde, wenn er schneller als vereinbart fertig sei. Die Auftraggeber amüsierten sich, weil sie die Probleme kannten, denn es gab keinen ordentlichen Hafen, an dem die schweren Schienen und Maschinen hätten entladen werden konnten. Sie waren sich sicher, daß das Schiff draußen auf See ankern und alles in kleinere Boote umgeladen werden müßte, um es auf dem sandigen Strand zu entladen. Und somit boten sie einen enormen Bonus für jede Woche, die Murphy unter dem Limit bleiben würde. Murphy besann sich seiner Herkunft: Bantry. Er kam hierher und experimentierte an einigen Ideen, bis er die Lösung fand: schwimmende Docks/Pontons. Und mit dieser Idee beendete er den Job nicht Wochen sondern Monate früher.

Bissige Karrikatur gegen William “Murder” Murphy: Streik gegen die Aussperrung 1913

Aussperrung: Murphy galt als gerechter Arbeitgeber und stand zu seinen Leuten, wie ein Beispiel aus dem Jahr 1890 zeigt, als er sich während eines Streiks der Bauarbeiter fürdiese einsetzte, indem er einen Artikel im Freeman’s Jounal schrieb, daß die Arbeiter nur vier Pence pro Stunde verlangen würden, einen Betrag, den er seinen Leuten schon zehn Jahre vorher gezahlt habe. Doch es gibt auch die andere Seite Murphys. Dieser Vorfall passierte im Jahre 1913 und ist als The Dublin Lockout in die Geschichte eingegangen. Diese unrühmliche Auseinandersetzung mit dem Gewerkschaftsvorsitzenden und Streikführer James Larkin, in der über 20.000 Arbeiter ihren Job verloren, machten Murphy zum verhaßten Mann in Irland. Es war der größte industrielle Konflikt, den Irland je gesehen hatte. Murphy sperrte die Streikenden aus und holte sich Arbeiter aus Großbritannien, um den Bahnbetrieb aufrecht zu erhalten. Bei den Streikenden hieß er von da an nur: “William Murder Murphy”. Sein Argument zu dieser eisernen Haltung war, er habe nichts gegen Gewerkschaften, aber er dulde keine radikalen, revolutionären und umstürzlerischen Organisationen.

Stifter: William stiftete der katholischen Kirche in Bantry zwei kostbare Fenster. Hier das Ostfenster

William Martin Murphy frönte nebenbei auch weiterhin seiner zweiten Leidenschaft, der eines Zeitungs-Verlegers. In dieser Branche wurde er zum „Presse-Baron“ Irlands. 1901 gründete er die „Irish Independent Newspaper Ltd“. Dazu gehörten die Zeitschriften The Irish Independent, die Weekly Independent, die Nation, der Evening Herald und der Saturday Herald. Zunächst blieben die Zeitungen ein Zusatzgeschäft, bis er den aus Eyeries stammenden Timothy R. Harrington als Chefredakteur engagierte. In großer Zahl wurden in London die Linotype-Setzmaschinen gekauft und in Dublin ein vierstöckiges Gebäude bezogen. Ein neuer Stil, guter und objektiver Journalismus und Verzicht auf „Sensationen“ prägten jetzt die Blätter und sie kamen gut an. Es gab auch eine speziell an Frauen gerichtete Magazinseite und eine Fortsetzungs-Geschichte, sowie literarische Beiträge von Autoren. James Joyce jedoch äußerte sich schon zwei Wochen nach dem Neu-Start negativ: „Die Irish Independent ist wirklich schrecklich — ich konnte keine der keltischen Weihnachtsgeschichten lesen mit Ausnahme der Gedichte, die nahezu unerträglich schlecht waren.“ Ein weiterer Beara-Mann, Dick Dwyer, wurde Chef-Reporter des „Independent“. Die Zeitungs-Geschäfte blieben bis 1973 in den Händen der Murphy-Familie, dann übernahm sie Tony O’Reilly.

Politiker: Mit zunehmender Popularität wurde auch ein politisches Amt an Murphy herangetragen. Und so zog er als Abgeordneter der 1882 gegründeten Irish Parliamentary Party, ins Londoner Unterhaus ein. Unnötig zu erwähnen, daß dies auch seinen geschäftlichen Aktivitäten gut tat. Doch schon 1892 wurde er nicht wieder gewählt. 1895 wurde Murphy von der lokalen Irish Parliamentary Party als Kandidat noch einmal aufgestellt, aber sein schärfster Widersacher, John Dillon, stellte einen Gegenkandidaten auf, der dann das Rennen machte. Das war das politische Ende Murphys.

Kein Ritter: William Martin Murphy war auch Mitglied der Dubliner Handelskammer, wo er 1906 ins Zentralkomitee gewählt wurde, was damals schon ungewöhnlich war, da dieses Gremium ausschließlich von Protestanten besetzt war. Hier machte er den Vorschlag, eine internationale Ausstellung nach Dublin zu holen. Mit Eifer stürzte er sich in die Vorbereitungen, doch seine Neider warfen ihm vor, er tue das nur, um von König Eduard VII in den Ritterstand gehoben zu werden. Als ihm dieses Gerücht zu Ohren kam, verkündete er öffentlich, daß er diese „Ehre“ nicht anzunehmen gedenke. Diese Absicht ließ er auch Vizekönig Lord Aberdeen wissen. Doch der ignorierte die Ansage, und als König Eduard VII Juli 1907 in Dublin eintraf, kam es zu einem peinlichen Vorfall. Als der König nach dem Schwert schickte, um Murphy zu adeln, brach der Vizekönig die Zeremonie aus besagten Gründen ab. Der König akzeptierte Murphys nachgereichte Entschuldigung. Die Ausstellung selbst wurde mit 2,7 Millionen Besuchern zu einem Riesenerfolg. Das brachte Murphy 1911 den Vizepräsidenten-Posten und später auch den Präsidenten-Titel der Handelskammer ein.

Spielerisch zum Profit: Emmet Larking, nicht verwand mit James Larking, schrieb über William Martin Murphy: „ Er betrieb sein Geschäft nicht aus dem simplen Motiv Geld zu machen, er betrachtete das Finanzwesen als anregendes Spiel, was das Leben so lebenswert macht. Profit-machen war nie sein Leitmotiv. Für ihn war das Business-Spiel mehr Faszination als jede Art von Sport“. Am Ende seines Lebens besaß Murphy neben den Straßenbahn- und Eisenbahn-Gesellschaften auch Hotels, das Clery’s Kaufhaus, Baufirmen, Elektrizitäts-Werke und die Dubliner Gasanstalten. William Matin Murphy starb am 26. Juni 1919 in seinem Haus in Dublin und hinterließ seinen Erben neben den Immobilien, Geschäften und Unternehmungen auch noch die Summe von 250.00 Pfund.

The Daily Express schrieb über William Martin Murphy: „Wer ihn traf bekam den Eindruck eines asketischen Mannes der diplomatischen Klasse, äußerst gut gekleidet, ruhig-sprechend mit einem humorigen Zwinkern in den Augen und ohne Anzeichen des Dubliner Akzentes. Er besaß eine eiserne Hand in samtenen Handschuhen. Hinter seinen blauen Augen lebte eine Seele aus Eisen. Diese eiserne Seele zeigte eine Form von rauer Eigenwilligkeit. Als Self-Made-Man tollerierte er keine Schwäche, sei es bei Arbeitgebern oder Arbeitern. Seine Botschaft an sie war folgende: Du mußt die Schuld bei dir suchen, wenn du nicht erfolgreich bist!”

 

Das Grab Murphys auf Dublins Friedhof Glasnevin

 

 Peter BernhardtDer Autor: Peter Bernhardt. Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos und Reproduktionen in diesem Beitrag: Peter Bernhardt