Climate Strike Donegal

Klimastreik auch in Irlands Provinz: Schüler im County Donegal gingen am 20. September auf die Straße statt in die Schule

 

Der Tag des globalen Klimastreiks, der 20. September 2019, ging für mich mit gemischten Gefühlen zu Ende. Millionen Menschen haben am Freitag weltweit für die Rettung des Weltklimas und damit für das Leben auf der Erde demonstriert. Das macht Mut. Gleichzeitig legte die Regierung in der alten Heimat Deutschland ein zwar teures und doch windelweiches Klima-Päckchen vor, das vor allem eines suggeriert: Wir retten das Klima gut gelaunt und ohne uns wirklich einschränken zu müssen. Wir fangen mit Babyschritten an und schauen dann mal. Der Preis von zehn Euro für eine Tonne CO2 wirkt angesichts der Riesenaufgabe kleinmütig. Hier, in der Wahlheimat Irland ruht sich die Regierung derweil darauf aus, dass es einen Klima-Aktionsplan gibt – im Klartext: Es gibt viel Plan und keine Aktion.

Wenn wir die Verantwortung unserer eigenen Generation für die Zerstörung von Natur und Klima akzeptieren können, dann ist es für uns Erwachsene nun ein Leichtes, die Fridays-for-Future-Bewegung zu unterstützen, sich mit den Zielen zu solidarisieren und da und dort einen halben Tag zu opfern, um auf einer Demonstration Parolen zu rufen. Das wird allerdings nicht ausreichen. Diese Bewegung von unten wird nur erfolgreich sein, wenn uns der globale Paradigmenwechsel gelingt. Es gilt

  • die mutlose Politik zum schnelleren und entschiedeneren Handeln zu drängen;
  • unsere Forderungen glaubwürdig zu begründen, indem wir selber Teil des Wandels werden, indem wir unseren Lebensstil und uns selber verändern, indem wir Fordern und Handeln endlich wieder in Übereinstimmung bringen;
  • uns von einem engen technokratischen Klima-Rettungs-Begriff zu lösen und die ganze Dimension der Aufgabe zu begreifen: Es geht um Natur- und nicht nur um Klimaschutz. Es geht um die Bewahrung des Lebens auf der Erde. Christen würden sagen: Es geht um die Rettung der Schöpfung.

Wir selber arbeiten derzeit an Entscheidungen, die unsere Werte und unser persönliches Engagement mit sich bringen. Wir arbeiten an Entscheidungen für dieses Web-Magazin, Irlandnews, und für unseren irischen Wander-und Naturferien-Veranstalter Wanderlust. Wir wollen diesen Prozess transparent und offen gestalten.

 

Hier beschreibe ich die Ausgangslage, wie wir sie verstehen. Der Text stammt aus dem Juli 2019:

 

Die Systemfrage muss gestellt und beantwortet werden

 

Die Klimakrise ist in diesem Jahr  in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Drei Viertel aller Deutschen sind zum Beispiel der Meinung, dass wir ganz dringend das Klima retten müssen, um uns selbst zu retten. Nur wenige hartnäckige Klima-Renegaten entziehen sich dem großen Konsens, während die Mainstream-Medien über die Wege zur Eindämmung der menschenverursachten Schäden an der Erde diskutieren. Drei Fragen stehen im Mittelpunkt der Debatte, ohne dass bislang eine verbindliche Politik auch nur in Ansätzen sichtbar wird:

 

:: Muss der Einzelne durch freiwilligen Einsatz und Verzicht das Klima retten oder schafft das nur die Politik?

:: Falls die Politik es richten muss, führt ein liberales Wunschkonzert zum Ziel, das immer die Wohlhabenden bevorzugt, oder müssen die Verbotsparteien ran mit Einschränkungen, Richtlinien und Gesetzen, die für alle gleichsam gelten?

:: Und schließlich wird gefragt: Können wir die Welt retten, ohne uns einzuschränken? Zudem: Falls ja: Wer muss sich einschränken? Dahinter verbirgt sich die Gerechtigkeits-Frage.

 

Es macht mir Mut, dass diese zentralen Überlebensfragen nicht länger ein Lieblingsthema für kleine Randgruppen sind und dass sie nun endlich  breit diskutiert werden. Es ist großartig, dass nun viele Menschen sich nicht nur für das Thema Natur interessieren, sondern auch aktive Beiträge leisten zur Bewältigung dieser größten Krise, in die wir Menschen uns und die Natur befördert haben. Einige Anmerkungen zu den zentralen Fragen:

 

:: Zeit zum Handeln. Gejammert, geklagt und diskutiert haben wir lange genug. Es ist endlich Zeit zum Handeln. Das haben viele Menschen begriffen und ändern dafür ihr Leben. Sie treiben die Politik, die immer noch Kommissionen gründet, um ihre Mutlosigkeit und Blutarmut zu kaschieren, längst vor sich her.

:: Es gibt keinen Klimaschutz ohne Naturschutz. Die ökologisch Krise ist so vielfältig wie dramatisch und spitzt sich mit großer Geschwindigkeit zu. Die Vernichtung nicht-menschlichen Lebens durch Nutztier- und Agrar-Wirtschaft verursacht eine Massenausrottung der Tier- und Pflanzenarten. Die Meere sterben durch Plünderung, Sauerstoffarmut und Vermüllung. Der Klimawandel und die globale Erwärmung bedrohen alles Leben auf der Erde – dazu kommen das anhaltende Bevölkerungswachstum, Luftverschmutzung, Bodenverlust, Wasserknappheit, Wasserverunreinigung durch endokrine Disruptoren und das globale Plastikmüll-Desaster. Wir müssen die Natur retten und das Klima dazu.

:: Die Systemfrage muss gestellt und beantwortet werden. Im Moment erleben wir, wie der Naturschutz von Politikern weltweit bereitwillig geopfert wird, um beim Klimaschutz vordergründig eine gute Figur abzugeben. Die fortschreitende Zerstörung der Natur, die große Massenausrottung von Tieren und Pflanzen ist allerdings das viel größere, übergeordnete Problem, viel gravierender als die Erderhitzung alleine. Es gibt keinen Klimaschutz ohne Natur- und Lebensschutz – und es wird keine rettenden Lösungen geben, ohne dass wir unser Wirtschaften ändern, unseren Lebensstil und unsere Weise zu arbeiten. Je früher wir damit anfangen, um so größer sind unsere Chancen auf Erfolg (und Überleben).

 

 

Wir müssen zurück finden zu Maß und Mäßigung

 

:: Muss der Einzelne durch freiwilligen Einsatz und Verzicht das Klima retten oder schafft das nur die Politik? Die ist eine völlig künstliche Fragestellung. Beides muss. Das private, das wissen wir lange, ist immer auch politisch, und wer seine Überzeugungen mit seinem Handeln in Einklang bringt, lebt gesünder, sorgenfreier und im Einklang mit sich. Aus Überzeugung das Richtige zu tun (anstatt nur zu Lamentieren, dass die anderen mal ran sollen . . .) ist zudem die beste Legitimation, politische Forderungen zu stellen und politisch über das Privatleben hinaus aktiv zu werden. Am Ende werden Klima- und Naturschutzziele allerdings nur erreicht werden, wenn die Regierungen einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen für alle Menschen, alle Institutionen und vor allem für alle Unternehmen schaffen und dessen Einhaltung einfordern.
Derzeit sieht es so aus: Die Menschen tragen ihre Regierungen zum Jagen. Tun wir es, bleiben wir beharrlich. Und nehmen wir all die schmutzigen Unternehmen, die völlig unwillig sind, sich zu verändern und uns statt dessen mit Greenwashing etwas vorgaukeln, als Konsumenten mit in die Pflicht: Shell, BP, Exxon, Monsanto . . . .

:: Müssen Verbote her? Wenn wir akzeptieren, dass unsere Freiheit dort aufhört, wo die Freiheit der anderen beginnt, dann haben wir mit vernünftig begründeten und demokratisch beschlossenen Verboten keine Probleme. Was spricht dagegen, Kurzstreckenflüge, Wegwerfplastik,  Autos und Jachten ab einer bestimmten Größe oder die weitere Flächenvernichtung zu verbieten sowie die großen Problemunternehmen dieser Welt streng zu regulieren, damit wir alle besser und gesünder leben können? Nach meiner Meinung nichts. Es wird ohne diese nationalen, supranationalen und hoffentlich bald globalen Verbote nicht gehen. Es sieht so aus, dass viele Menschen heute bereit sind, allgemein gültige Ge- und Verbote zur Rettung von Natur und Klima ergebnisorientiert zu akzeptieren, denn der Freiwillige ist immer schnell auch der Dumme.

:: Können wir die Welt retten, ohne uns einzuschränken? Das kann wohl nur die Lindner-FDP und auch nur in der Theorie. Die Ressourcen der Erde sind endlich, wir plündern diese Ressourcen gerade, als gäbe es kein Morgen. Damit ist die Frage eindeutig beantwortet. Mäßigung ist zudem eine völlig positive und lebensbejahende Aktivität: Warum soll es so schwer sein, weniger zu konsumieren und damit jede Menge Druck aus dem eigenen Leben zu nehmen: Geld, das wir nicht ausgeben, müssen wir nicht verdienen. Wenig beachtet wird im Moment, dass viele Menschen in den Massenkonsum-Gesellschaften längst an ihren psychischen Grenzen leben. Wir werden von unseren Besitztümern besessen. Wir müssen im eigenen Interesse zurückfinden zu Maß und Mäßigung. Wir können herausfinden aus der tödlichen Wachstumsspirale, um uns selber zu schützen, und es lohnt sich: Aus Mäßigung und Selbstbeschränkung wachsen Lebensqualität und Wohlbefinden. (Diese Feststellung gilt vor allem für die privilegierte Schicht der umweltbewussten Umweltsünder, zu der ich mich zählen muss). Das Wachstum muss und wird ein Ende haben.

 

Was denkt Ihr? Meinungen sind ausdrücklich erwünscht!
(Siehe Kommentarfeld am Fuß der Seite)

 

Klimastreik 2019Globaler Klimastreik. Millionen Menschen gingen weltweit auf die Straße

 

Fotos: #climatestrike (2); Antje Wendel (1) / Wanderlust

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