Tag 5. Sherkin Island. West Cork. Wir kehren von Dursey Island zurück aufs Festland und fahren in zwei Stunden nach Baltimore zur Nachmittagsfähre nach Sherkin Island.*
Sherkin Island, alte Hochburg der O’Driscolls. Zehn Fährminuten von Baltimore entfernt. Zwei Pubs, ein Hotel, eine Marina und 110 Einwohner. Die Menschen von Sherkin kommen heute zusammen. Irene ist am Sonntag im Alter von über 80 Jahren verstorben. Die Inselbewohnerin genießt das posthume Recht, auf dem Friedhof in der Abbey begraben zu werden. Heute wird die alte Franziskaner-Abtei am Pier deshalb aufgeschlossen. Die Totengräber heben in der Kirchenruine ein Grab aus, sie stoßen auf die Knochen des vor zehn Jahren verstorbenen Mannes von Irene. Am Nachmittag wird der Sarg von der Kirche in die Abtei gebracht, nach der Beerdigung trifft sich die Gemeinde bei Mark Murphy im Islanders Rest.
Wir haben Glück und können zusammen mit Karen Mould (Foto oben, rechts) einen Blick in die alte Abtei der Franziskaner werfen. Karen kam im Jahr 2001 aus England nach Sherkin und ist geblieben. Sie kennt die Geschichte der Insel im Detail. Sie weiß auch, dass die heute zugängliche Klosteranlage eigentlich geschlossen ist, denn das Cork County Council hat kein Geld mehr, die Anlage offen zu halten: Sherkin beschäftigte vor nicht langer Zeit noch zwei Council-Arbeiter. Nun ist der eine in Rente gegangen und wird nicht ersetzt. Der zweite Arbeiter aber darf alleine nicht arbeiten: „zu gefährlich“. Die rigiden „Health & Safety“-Bestimmungen und der Geldmangel schließen das um 1460 gebaute Kloster-Denkmal und machen Sherkin um eine Attraktion ärmer. Völlig unklar ist heute, wer künftig den öffentlichen Raum auf der Insel pflegt, wer die Straßenränder, das Gras und die Hecken schneiden wird, wer die Schlaglöcher flickt und den Pier repariert.
Doch nicht nur alte Steine und Straßen sind auf Sherkin vom Wandel betroffen. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird in diesen Tagen der Anfang vom Ende der Grundschule auf der Insel (Foto) eingeläutet. Die Stelle der zweiten Lehrkraft der National School wurde gestrichen, die Schulleiterin hat sich auf eine neue Stelle erfolgreich weg beworben. Die Eltern kämpfen noch, sie suchen eine neue Lehrerin, die neun Kinder sollen nicht auf dem Festland in die Schule — auch wenn manche sogar von dort täglich auf die Insel zum Unterricht kommen. Die Insulaner sind entschlossen zu handeln, sie denken darüber nach, umzugswilligen Eltern provisorische Mietwohnungen oder Wohnmobile zur Verfügung zu stellen, um die Schülerzahlen zu stabilisieren. Wenn die Schule geht, was bleibt dann noch?
Wir sehen Norman King mit seinem Hund vor seinem Haus spazieren gehen. Norman, in vergangenen Jahrzehnten ein bekannter Musiker mit den „Wild Geese“, hat im Frühjahr im Alter von über 80 Jahren noch einmal voll aufgedreht und den neuen Song Jesus is a Junkie for Love veröffentlicht. Hier ist Norman zu sehen und zu hören:
Auf Sherkin Island hat ein Ehepaar aus Cork in den vergangenen vier Jahrzehnten großartige Arbeit geleistet: Matt und Eileen Murphy haben eine sichere Existenz aufgegeben, zogen auf die kleine Insel und bauten hier in den 70-er Jahren eine private Forschungsstation auf: Das Marine Institute genießt heute weltweit einen guten Ruf, es erforscht in Langzeitstudien die Felsenküste und das Plankton im Meer von West Cork, veröffentlicht Bücher, betreibt eine Ausstellung und beobachtet Tiere und Pflanzen in diesem Teil der Welt wissenschaftlich exakt. Gründerin Eileen allerdings ist bereits gestorben und Matt (Foto) ist mittlerweile ein Mann im neunten Lebensjahrzehnt. Seine illusionsfreie Weisheit kann den Tatendrang nicht ersetzen, der notwendig ist, um das Marine Institute in eine sichere Zukunft zu führen. Ob die nächste Generation das Lebenswerk des großen alten Mannes von Sherkin weiter führen werden? Hoffen wir es.
Wir sehen uns auf Sherkin die drei herrlichen und auch für Kinder sicheren Strände an, die an Sommertagen zahlreiche Tagesgäste von Baltimore herüber locken, wir wandern zum Horseshoe Harbour (Foto oben) , blicken hinüber zum alten Schiefersteinbruch, der vielen Generationen Menschen Arbeit gab, und zum Leuchtturm, der gemeinsam mit dem Baltimore Beacon (Foto unten) die Hafeneinfahrt von Baltimore begrenzt.
Wir erkennen: Das Leben auf Irlands Inseln ist auch heute alles andere als leicht, die Existenz der Inselgemeinden ist stets auf´s Neue bedroht. Wir wollen mit unserer Inseltour ein klein wenig dazu beitragen, dass Irlands Inseln eine Zukunft haben.
* Ich bin nun bereits zurück zuhause. Dieser Bericht kommt deshalb nicht mehr live von den Inseln. Es folgen die Erfahrungen der Tage 6 und 7 in der Nachbetrachtung.
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Wandern auf Irlands Inseln: Am Sonntag, dem 18. August startete ich mit einer kleinen Gruppe zu einer Wandertour der besonderen Art. Wir wandern auf sieben Inseln in Irlands Südwesten. Eine Woche lang bewegten wir uns mitten im wilden Atlantik und dennoch mit den Füßen auf festem Boden. Die Stationen der Wanderlust-Gruppe waren: Whiddy Island, Garinish Island, Bere Island und Dursey Island in der Nähe der Beara Halbinsel, und danach Sherkin Island, Cape Clear Island und Heir Island in der Roaring Water Bay an der Südküste. Eine Premiere für uns und unsere Gäste.
Ich /Wir habe(n) auf dieser Reise (7 Tage,7 Inseln) meinen (unseren) “ irischen Akku“ wieder aufgefüllt.
Das muß ich alle 2 Jahre tun, sonst geht es mir nicht sonderlich gut.
Ich treffe zwar viele Leute, die mir sagen , sie möchten unbedingt mal mitfahren nach Irland.
Aber wenns konkret wird, dann haben sie viele Ausreden: keine zeit, schon anderer Urlaub geplant,
momentan nicht flüssig genug, in Nordirland krachts mal wieder ( und ich frage sie dann : und was ist in
Ägypten und anderen Krisenstaaten ,ist es da etwa sicher?, und der ständige Regen, außerdem ist es dort kalt;
Klischees ohne Ende!
Ich kann Euch sagen, wenn ihr wirklich was gutes tun wollt, fahrt zur Insel.
Ihr tut Euch selbst und vor allen Dingen den Insulanern was gutes .
Wie gesagt, so Gott will, bin ich bzw. wir in zwei Jahren wieder dort.
Slainte/Prost auf die Insel!
Erwin und Maria
haha, das Norman King Video: Einfach zu cool! Danke fürs teilen :-)
Hat mir Freude ins Herz gezaubert!!
Grüße aus Österreich
Elisabeth
Deine Touren sind ebenso wichtig für den Erhalt dieser Inseln ! Ich finde, jeder Urlauber sollte mindestens ein bis zwei dieser Inseln pro Urlaub besuchen, um zumindest mehr über das Leben und deren Schwierigkeiten dort zu erfahren. Fernab vom Ring of Kerry, den Cliffs of Moher oder Temple Bar…
Vielen Dank für Deine Berichte.
Viele Grüße, Claudia
Wieder ein Danke für den interessanten Beitrag und Einblick ins Inselleben !!