Irische Ikonen: Ein diesiger Spätsommer-Morgen in der kleinen Hafenstadt Bantry in West Cork. Über dem Wolfe Tone Square steht wie immer Brendan der Seefahrer in seinem Boot. Der Mönch aus Tralee im County Kerry (484 – 577) beschäftigt unsere Phantasie auch heute. Ob der heilig gesprochene Mann mit den weit ausgebreiteten Armen uns etwas sagen will? Ich bin bei Euch, ich passe auf Euch auf? Ich beschütze Euch? Ob er beschwichtigt: Take it easy, kommt mal runter, beruhigt Euch? Ob er einfach nur versucht, seinen tierfellbespannten Holzkahn im Gleichgewicht zu halten?
Wir wissen es nicht, genauso, wie wir kaum etwas über das Leben des Abtes wissen, der sich vor eineinhalb Jahrtausenden auf eine große Seereise begeben hat. Saint Brendan soll dabei eine Insel entdeckt haben, St. Brendan’s Island. Eine Insel vor der südirischen Küste, oder die Kanaren, Madeira, die Faröer, die Azoren vielleicht, oder Madeira. Ganz selbstbewusste Iren lassen für sich keinen Zweifel daran aufkommen, dass Brendan The Navigator, einer der zwölf Apostel des katholischen Irlands, viele Jahrhunderte vor Kolumbus Amerika entdeckt hat.
Bald schon wird sich der erste Nachtfrost auf die Arme und Schultern des ewigen Seefahrers legen. Zum Saint Patrick’s Day werden sie ihm wieder eine Mütze in den Farben von Cork aufsetzen. Unbewegt wird der alte Säulenheilige uns in den Frühling und in den nächsten Sommer begleiten, der wieder zu heiß, zu kalt oder zu regnerisch sein wird. Wir wissen es nicht. Auch nicht, ob Brendan Cape Clear, Gran Canaria, Neufundland oder vielleicht doch Tir na nÓg, das Land ewiger Jugend, gefunden hat. Wir dürfen träumen.
Foto: Markus Bäuchle
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