Der Haushalt 2010 der irischen Regierung ist verkündet. Positives Zeichen: Die Privilegien eines überbezahlten und aufgeblähten öffentlichen Dienstes werden Stück um Stück gekappt: Die Staatsdiener müssen Einkommensverluste von 5 bis 15 Prozent hinnehmen, die Besserverdienenden werden mehr Federn lassen. Damit wird ein Stück weit die verhängnisvolle Politik des Ex-Regierungschefs Bertie Ahern revidiert, der sich mit einer dramatischen Ausweitung des Staatsapparats Wahlgewinne erkaufte.
Was kommt sonst? Die Kürzungen bei der Sozialhilfe und bei Kindergeld halten sich in Grenzen und sind wohl von den meisten Steuerbürgern zu verkraften. Die „Carbon Tax“ wird Heizöl und Benzin um einige Cent verteuern – was heute abend prompt zum großen Run auf die Tankstellen führte. Dass die Mehrwertsteuer nach der Erhöhung im vergangenen Jahr wieder um ein halbes Prozent gesenkt wird, dass Alkohol um einige Cents billiger wird, dass eine Rezeptgebühr von 50 Cents eingeführt wird, erscheint eher marginal ( oder gar lächerlich). Wie die angekündigte Steuer auf Immobilienbesitz (Property Tax) umgesetzt werden soll, steht noch in den Sternen. Interessant die neue jährliche 200.000-Euro-Abgabe für Reiche, die sowohl im In- und im Ausland nennenswerte Vermögenswerte haben und in Irland zwar zeitweise leben aber nicht permament wohnen (domiciled but not resident) – eine Gebühr, damit sie ihren irischen Pass behalten dürfen.
Klar ist, dass die Regierung angesichts der schwierigen finanziellen Lage des Landes nur das Notwendigste riskiert hat – und dass in den kommenden Jahren weitere, schmerzhaftere Einschnitte folgen werden. Der Öffentliche Dienst klagt heute über Lohnkürzungen – er wird sich bald mit Entlassungen großen Stils auseinander setzen müssen.
Das substantielle, nachhaltige Wachstum in Irland endete im Jahr 2001. Seitdem mogelte sich das Land in einer immer schneller drehenden Schuldenspirale bis 2007 zum Wachstumsgipfel. Er war auf Pump gebaut, eine Art Mont Kaputt. Irland wird einige Jahre hinabsteigen müssen, um an das Preis- und Gehaltsniveau von 2001 anzuschließen. Bis dahin wird noch viel „Luft“ entweichen – was den lieb gewonnenen Lebensstandard vieler Irinnen und Iren (und auch der Expatriats) materiell schmälern wird.
Klartext: Heute wurde der Beginn der Fastenkur in Irland verkündet – und nicht deren Ende.
PS: Für Fluthilfe und Hochwasservorsorge stellte die Regierung 70 Millionen Euro in den Haushalt ein. Hoffen wir, dass sie abgerufen und sinnvoll investiert werden.
Ich bedaure vor allem die Senkung der Alkoholsteuer. Der Irish Times entnehme ich, dass der Hintergrund (ebenso wie bei der Senkung der Mehrwertsteuer) darin liegt, dass man den Einkaufstourismus ins billigere Nord-Irland bremsen will. D.h. die Spritties sind mit dem noch vorhandenen Gehirn in der Lage, Preisvergleiche anzustellen, und dem passt sich der Staat nun an und lässt sie weiter saufen, Hauptsache, das Geld bleibt im Land. Die Alk-Lobby hat ganze Arbeit geleistet.
Die Irish Medical Organisation stimmt mir zu und meint, dass speziell Jugendliche und Alkoholiker einen zweifelhaften Nutzen von dieser Entscheidung haben werden, und dass die von der EU empfohlene Hochpreis-Strategie, um den Alkoholkonsum unter Kontrolle zu bekommen, damit ausgehebelt wird. Der ohnehin schon überlastete Gesundheitssektor wird die Folgen aufgehalst bekommen. (Quelle: http://www.irishtimes.com/newspaper/breaking/2009/1210/breaking27.htm)
Ich sähe es viel lieber, wenn auf der gesamten Insel der Alkohol derart teuer würde, dass sich genügend Menschen ihn nur noch in Genießer-Dosen leisten wollten und ihre frei gewordenen gesundheitlichen und finanziellen Ressourcen in ihre Arbeitskraft und die Wirtschaft (nein, nicht in den Pub, sondern in echte Lebensqualität, Umwelt, Sport, Bildung, Kultur etc) stecken würden, und so manches soziale Problem wäre nebenher auch noch gelöst. Das wär mal ein echter, nachhaltiger Aufschwung. Aber mit so einer drastischen Maßnahme würde diese Regierung vermutlich direkt abgesetzt – noch ein weiterer Nutzen, der so verloren geht…