Ein grauer Februartag. Es gießt ununterbrochen. Da schickt man keinen Hund vor die Tür. Ich mache einen kleinen virtuellen Streifzug durch die lokalen Medien, die unsozialen wie die klassischen – und finde wie immer Bemerkenswertes.

Zum Beispiel Neues vom lokalen Twi-fa-gram: Wer bitteschön ist Shyma K? fragt dort auf der Seite für Bantry die empörte Hausbesitzerin Rachael aus einem Dorf in der Nähe unserer kleinen Stadt. Eine Shyma K hat nämlich Post an die Adresse der Hausbesitzerin Rachael bekommen – sie wohnt aber gar nicht dort. Sie ist dort nicht einmal bekannt. Und auch nicht im Dorf. Eine Margaret H aus dem Nachbarort schaltet sich zeitnah mit einer Warnung ein: Große Vorsicht! Das ist ihr auch passiert. Als nächstes klopften die Schuldeneintreiber an ihre Tür. Unbekannte hatten Margarets Adresse angegeben, um an Kredite zu kommen. Die Online-Privatdetektivinnen haben nun Hochkonjunktur und einen fiebrigen Nachmittag auf den Spuren von Shyma K.

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A propos dubioses Finanzgebaren: Die Allied Irish Bank, letzte Bank mit einer – fast völlig menschenfreien – Filiale in unserer kleinen Stadt, rührt neuerdings mit einem ober-empathischen Werbespot zu Tränen: Die AIB bemitleidet alle Menschen, die nach einem eigenen Haus oder einer Wohnung suchen, aber keins finden. Weil es nämlich fast keine gibt. Dafür hat die AIB ganz ganz viel Verständnis und ermuntert alle Frustrierten: Glaube versetzt Berge, oder in Worten der AIB: We back belief – die Bank unterstützt die an ihr Glück Glaubenden. Wer also an sein Glück glaubt und vielleicht doch ein Haus zum Kaufen findet, darf dann bis zum Beweis des Gegenteils glauben, dass er oder sie bei der AIB einen Hypothekarkredit bekommt.

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Eben weil es angesichts einer seit Jahrzehnten verfehlten Siedlungspolitik kaum Häuser und auch keine verfügbaren Wohnungen in Irland gibt, verlost der Football-Club von Kinsale, einer feinen Hafenstadt in West Cork, einfach eins: Mit dem Kinsale GAA kann man jetzt ein nagelneues Einfamilienhaus mit drei Schlafzimmern im Wert von 360.000 Euro gewinnen – ersatzweise gibt es 320.000 Euro in Cash. Der Einsatz für ein Los beträgt 100 Euro, jeder Mitspieler darf maximal 150 Lose kaufen, ok? Für solche Fälle künstlicher Knappheit hat man einen Lebenspartner. Macht dann immerhin 300 Chancen. Am 23. August wird die Bude in Stadtnähe verlost.

Was treibt einen Footballclub mit 1300 Mitgliedern dazu, ein Wohnhaus zu verlosen? Ganz einfach: Er will dafür den Gegenwert von drei bis fünf Häusern einnehmen, das ganz große Rad drehen und den Bau eines neuen großen Sportzentrums finanzieren. Eine Nummer kleiner ging es grad nicht. Ob das mal gut geht. Über sich selbst lässt der Club verlauten: „Der Kinsale GAA ist ein werte-orientierter Verein. Er engagiert sich mit seinen Spielen und seinem sozialen Engagement umfassend für die Gemeinde.“ Alle Werte werden in Euro gerechnet.

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Die Twi-fa-gram-Forumseite für unsere kleine Stadt, so muss ich feststellen, entwickelt sich immer mehr zum Revier für irische Blockwart*innen. Die heißen hier traditionell Neighbourhood Alerts und haben ein dankbares neues Feld der Schnüffelei und der Aufmerksamkeits-Erregung gefunden: den frei laufenden Hund. Litten die kleinen Streuner vor ein paar Jahren noch darunter, dass sie für die Menschen einfach unsichtbar waren und sich keiner um sie kümmerte, so können sie jetzt keinen unbeobachteten Schritt mehr machen, ohne sogleich eingefangen zu werden. Aus und vorbei der kleine unentdeckte Spaziergang immer der Nase nach. Dieses Internet hat seine Augen überall. Das wars mit der Privatsphäre, uff, wuff. ­­­

Vor allem müssen sich die Besitzer von freiheitsliebenden Vierbeinern nun mächtig fürchten, am Internet-Pranger zu landen. Sobald ein Hund ohne Herrchen oder Frauchen in der Stadt gesichtet wird, zückt das Aufklärungsgeschwader seine Kameras und postet Bilder vom kleinen Schwerverbrecher auf den einschlägigen Twi-fa-gram-Seiten*. Dort warten schon die hilfsbereiten Co-Denunziantinnen mit schnörkellosen Hinweisen auf die Besitzer. Alle Namen natürlich im Klartext, voll transparent, wir sind ja unter uns.

Nur gut, dass wenigstens die Hunde diese Possen nicht lesen können. Mir fällt ein Satz von Mark Twain ein: „Je mehr ich über die Menschen lerne, um so lieber mag ich meinen Hund“ – zumindest solange er nicht auf eigene Initiative in der Stadt spazieren geht.

* Zwei einschlägige Beispiele vom Ende des Streuners sehen Sie in diesem Beitrag. Dem beigen Zausel oben nützte es wenig, dass er sogar die Verkehrsregeln gelernt hat. Er wurde bald nach Erscheinen des Fotos dingfest gemacht. Nicht anders erging es dem Schoko-Schaf-Waudi unten. Die Besitzerin, eine stadtbekannte Handelsfrau, war ruckzuck mobilisiert und zur Stelle. 

Hund in Irland

Fotos: Internetfunde