Kuckuck Irland

 

Am Karfreitag kam der Kuckuck in unserem Landstrich an Irlands Südwestküste an – neun Tage nach mir. Ich war vom Kontinent bequem mit Auto und Fähre 2000 Kilometer zurück in die Wahlheimat gefahren und fühlte mich danach richtig müde. Der Kuckuck bewältigte die Strecke aus seinem Winterquartier in Zentralafrika zurück in die irische Sommerheimat ganz aus eigener Kraft: Er flog 9000 Kilometer aus dem Kongo oder aus Angola, überquerte die Sahara, zwei Meere und das kontinentale Europa in seine irische Sommerheimat. Sind wir dagegen nicht kleine zerbrechliche Zivilisationswesen?

In Deutschland hatte ich einen Freund besucht, der intensiv über die Einführung der Automobilität im 19. Jahrhundert im Schwarzwald forscht. Er erzählte mir die Geschichte eines Landbriefträgers, der vor über einem Jahrhundert aus dem Dienst verabschiedet wurde. Der Mann hatte jeden Tag außer sonntags die Post in seiner weitläufigen Berggemeinde ausgetragen: Er legte jeden Tag 32 Kilometer zu Fuß zurück, startete den Tag mit durchschnittlich 25 Kilogramm Post in der Tasche. Er lief als Briefträger so viele Kilometer, dass er die Erde drei mal am Äquator hätte umrunden können. Unsere heutigen automobilen Landbriefträger würden sich bedanken. Sind wir nicht kleine verweichlichte Zivilisationswesen geworden? Doch zurück zum Ultralangstreckenflieger, dem Kuckuck:

Der Ruf des Kuckucks erklang in unserer Arche in West Cork in diesem Jahr zum ersten Mal am 18. April. Es war ein kräftiges, munteres und ausdauerndes „Kuck-Kuck“. Ein paar Kilometer weiter südlich war der Ruf schon am 16. April vernommen worden. Immer im April kehrt der Kuckuck aus dem warmen Winterlager in Afrika nach Irland zurück –  und sein erster Ruf wird von der Landbevölkerung aufmerksam verfolgt. Denn die Ankunft des Kuckucks gilt auf der Insel als Beginn des Sommers, und als frühester überlieferter Ankunfttermin ist der 2. April bekannt.

Auf der „Großen Weide“ trafen wir vor einiger Zeit einen alten Farmer, der andächtig in der Sonne stand und lauschte. Dann schüttelte er sorgenvoll den Kopf und murmelte uns zu: „Nein, der Kuckuck ist noch nicht hier“, das ist keine gute Sache“. Kommt der faule Vogel spät, so rechnen die Alten mit einem schlechten Sommer.  Im manchem Jahr hat die gefiederte Prognose gestimmt. Kam der Kuckuck erst Ende April, war der Sommer oft kein guter. Wir dürfen also hoffen.

Der kalte Wind in der Zeit des Kuckucks

Üblicherweise erklingt der Ruf des Kuckucks etwa zur Monatsmitte, um den 15. April. Bis zu 6000 Kuckucks-Paare lebten in guten Jahren in der warmen Jahreszeit in Irland. Der Ruf des scheuen Vogels ist hier noch immer keine Seltenheit. Allerdings nimmt auch die Zahl der irischen Kuckucks-Vögel kontinuierlich ab. Die Forscher sind besorgt, stellten fest, dass sich die Kuckucke möglicherweise nicht auf die immer frühere Brutzeit der heimischen Singvögel eingestellt haben und deshalb oft zu spät kommen, um ihr Ei ins fremde Nest zu legen. Im Killarney National Park haben Forscher vor einigen Jahren mehre Tiere mit Funksendern ausgestattet. Deshalb wissen wir jetzt genau, wo sie überwintern und welche Routen sie fliegen. Vielleicht geben die Lauschangriffe auf den Kuckuck bald auch Aufschluss darüber, warum die Zahl der irischen Kuckucke seit Jahren abnimmt.

 

In diesem Jahr passte es prächtig, dass die Temperaturen zuletzt kräftig in den Keller gegangen waren und bei sonnig-trockenem Wetter ein scharfer kalter Nordwind über die Insel fegte. Scairbh bhi na gcuach sagen die alten Iren an diesen kühlen windigen Tagen im April. Der Scarrabheen, ein scharfer, kalter und trockener Wind aus Nord und Ost lässt die Menschen frösteln. Bootsmann Tony Murphy übersetzt Scairbh bhi na gcuach aus dem Irischen mit Das stürmische Wetter in der Zeit des Kuckucks.

 

Der alte Schulrektor von Derrycreigh lehrte seinen Schülern, dass der trockene Scarrabheen in den beiden letzten Wochen des Aprils und den beiden ersten des Monats Mai weht – just in der Zeit, wenn der Kuckuck nach Hause kommt und die Menschen auf der Insel mit seinem Ruf verzückt. Bei einer Blogschreiberin in Australien, fanden wir übrigens diese hübsche Formulierung über den strammen Frühjahrswind: „In the month of the cuckoo the scarrabeen blasts down from Siberia and is capable of freezing the balls of a brass monkey.“

 

PS: Wer beim ersten Ruf des Kuckucks dreimal auf seinen Geldbeutel klopft, sollte bis auf Weiteres keine finanziellen Sorgen haben 😉

 

Fotos: Wikimedia, Locaguapa (oben)

 

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