Kurze Pause auf den Irlandnews. Der (von Irland in vielerlei Hinsicht verwöhnte) Wanderer fährt durch die alte Heimat Deutschland. Einige unwesentliche Eindrücke:
Der Rhein bei Boppard: Eine dreckige braune Brühe. Ich hatte vergessen, wie schmutzig Flüsse aussehen können, obwohl sie in höchsten Tönen dafür gelobt werden, wie gut erholt sie sich hätten. Viel Gerede. Wilde Lachse im Rhein.
Hotel Bellevue in Boppard: Die schöne Aussicht live. Der Blick in den Hinterhof ist nur wenig enttäuschender als der Blick auf den Rhein (s.o.). Dies ist keine Empfehlung.
Auf der Autobahn mit dem „Navi“: Wir ziehen uns zurück in unseren Kokon Automobil. Audi. Das Navi zieht den Blick weg von der Welt da draußen. Nur die Menschen, die tatsächlich lebendig auf den Straßen laufen, tauchen auf dem Screen nicht auf. Noch nicht. Schaffen wir die Welt da draußen, auf der anderen Seite der Windschutzscheibe ab. Auch Autofahren ist nur ein Computerspiel. Spätestens in 20 Jahren.
Frankfurt im Zoo. Dort, wo Bernhard Grzimek einst. Das schlechtsichtige Nashorn (Foto) kann sich über seine Sehschwäche vielleicht freuen. Sie mildert vielleicht den Schmerz. Zoos. Gefange Tiere anschauen. Während draußen die letzten Artgenossen ausgerottet werden: Bonobos, Bestand weltweit geschätzt: 50.000, Gorillas: 130.000. Nur noch wenige Jahre bis ins Bilderbuch der Ehemaligen auf dieser Welt. Zoos sind die lebendige Bankrotterklärung der „Krone der Schöpfung“.
Frankfurt City: Kapitale des Geldes, und doch so viele Verlierer auf den Straßen. Bettler, Gescheiterte, Scheiternde. Wer durch diese Straßen geht, versteht nicht, warum und wo in Deutschland die Wirtchaft florieren soll. Diese aktuelle Wohlstandbeschaffungsmaßnahme namens Wirtschaftswachstum 2012 muss an vielen Menschen einfach vorbei rauschen, sie muss sich in elitären Privatzirkeln oder vielleicht auf ausländischen Konten abspielen und abbilden. Deutschland hat ein Problem mit der sozialen Gerechtigkeit.
Frankfurt, Starbucks an der Börse. Schon morgens um 10 sind alle Tische besetzt. Eine Stimmung wie in der Universitätsbibliothek. Stille. Einzelne Menschen vor ihren Computern. Viele Vereinzelte. Stille. Hier spricht man nicht mehr miteinander. Das Notebook ist das Tor zur Welt. Früher wurde im Café geredet.
Deutschland ist schön. Wenn man mit den Augen des Nashorns schaut.
Auch hier bei uns im Norden gibt es immer mehr Obdachlose, selbst in meinem kleinen Umkreis. Ich sehe auch, obwohl ich das alles täglich vor der Nase habe, dass sich in den letzten Jahren vieles verändert hat. Wenn ich die Paketboten durch die Gegend hetzen sehe, um am Abend ein paar Euro verdient zu haben…
Zum Laptop – ich beobachte, wenn ich mit der S-Bahn nach Hamburg fahre, dass 90 % der Menschen zugestöpselt sind, nur um abzutauchen in eine andere Welt. Ist doch der Wahnsinn. Mir ist im letzten Jahr in Irland aufgefallen, dass z.B. im Bus ältere Frauen (so wie ich) die dollsten Handys hatten und damit herumhantierten.
Aber was hier bei mir schön ist: der Fluss an dem ich wohne. Sauberes Wasser, ist tatsächlich besser geworden in den letzten 10 Jahren (nicht weit von Hamburg entfernt), man kann´s kaum glauben.
Wünsche dir, dass dein bleibender Eindruck nicht allzu schlimm sein wird.
LG Heidi
Vielleicht sind die Augen von Irland ja verwöhnt, aber auch bei uns gibt es schöne Gegenden genauso wie es in Irland schaurige Ecken gibt.Genauso ist es mit den Menschen, nicht jeder Ire ist freundlich und nicht jeder Deutsche schweigt sich aus .
Gruß Tina
Klar gibt es hier schöne Gegenden, bin gerade an einem. Und doch gibt es bei aller Relativierung gravierende Veränderungen. Das Starbucks mit 40 schweigenden Leuten und 37 Laptops (überwiegend Apples übrigens) gab es vor 10 Jahren schlichtweg nicht. Dass in Irland Verfallserscheinungen zu beobachten sind: Stimmt.
Es ist fast ein Tabuthema: Man geht ja mit den Kindern in den Zoo, damit sie die Tiere kennenlernen, blablabla.
Ich habe es dort, obwohl selten zu Besuch, kaum ausgehalten. Überall schauten mich depressive und resiginierte Tieraugen an und verfolgten mich fast bis in meine Träume. Wien brüstet sich mit dem ältesten Zoo der Welt… ich bin für die Abschaffung, so groß kann das Gehege gar nicht sein!
Soziale Gerechtigkeit, den Anspruch hatten wir vor dem Raubtierkapitalismus in Österreich. Wenn man sich in Europa und der Welt umsieht, sind Geld und Mensch immer mehr voneinander abgekoppelt, ich habe den Eindruck, dass eine Dynamik in Gang ist, die niemand mehr versteht, innerhalb der wir uns schnell wie in einem Wirbelsturm ohne Durchblick bewegen. Irgendwann wird klar werden wohin die Reise geht, hoffentlich bald.