Neue Heimat Glengarriff

 

Vor 15 Jahren, am 13. November 2008, habe ich dieses Web-Magazin Irlandnews gegründet – ohne es zu wissen. Ich schrieb den ersten Beitrag in einem schnell eingerichteten Blog auf Googles Blogger-Plattform: “Ein Ausflug in die Dritte Welt Irlands“. Es ging um Besuche in irischen Krankenhäusern und Arztpraxen, die wie wenig lustige Zeitreisen anmuteten.

Das Bloggen kam damals gerade in Mode, meine Partnerin Eliane Zimmermann begann das Schreiben eines Blogs (der heute das wichtigste deutschsprachige Web-Magazin für die Aromatherapie ist). Davon inspiriert, zog ich nach einer Woche spontan nach. Wir wussten damals nicht genau, was ein Blog genau ist, aber es machte Spaß, einen oder eines zu schreiben. Es war so herrlich leicht und unkompliziert, in Minutenschnelle eigene Texte und Bilder im Internet zu publizieren. Wir spürten etwas von der neuen Macht des wie man damals noch sagte – World Wide Web. Plötzlich war Jede(r) ein potenzieller Verleger, es brauchte nicht mehr viel, keine Druckerpresse, keine Sendelizenz, keinen Buchverlag, um selber Inhalte in die Welt hinaus zu schicken, um Sender und Verleger zu sein.

Etwas Fleiß, viel Glück und jede Menge Zufall

Nach acht Jahren Schreibekel, die Folgen einer journalistischen Berufskrankheit, kehrte mit dem Bloggen die Lust am Schreiben zurück. Ich freute mich zutiefst über die Erkenntnis, dass diese Schreiblust tatsächlich ein nachwachsender kreativer Rohstoff ist, und schrieb künftig fast jeden Morgen eine kleine, selbst recherchierte Geschichte über die Wahlheimat Irland. Dass ich dafür eine Stunde früher aufstehen musste, machte mir nichts aus, das Schreiben wurde wieder Teil des Lebens und der Alltags-Routine. Mit der Zeit sammelten sich einige hundert Beiträge über meine Sicht auf Irland an. Die Suchmaschinen begannen, Anfragen zu Irland auf meine Seiten zu leiten. Im März 2011 verließ ich Googles Blog (damals: www.irland-erleben. blogspot. com). Aus Irland. Berichte von der Insel wurde Irlandnews, aus dem Blog allmählich ein Web-Magazin.

Den Lebensunterhalt verdiente ich in jener Zeit schon mit Wanderlust, dem Wanderreiseveranstalter für Irland, den ich gegründet hatte, um nicht mehr reisen und nicht mehr für deutsche Verlage schreiben zu müssen. Irlandnews wurde nun meine journalistische Heimat und mein Hobby. Da ich das Internet mit den Geschichten von der grünen Insel flutete, interessierten sich bald Buchverlage, Radiostationen und Fernsehsender für meine Arbeit. Daraus entstanden zwei Bücher über Irland (mehr dazu hier) und eine 90-minütige Fernsehsendung mit dem WDR (Wunderschön – Irlands grüner Süden), sowie zahlreiche Zeitungsartikel, die viel Aufmerksamkeit für unser Wandergeschäft erzeugten. Ich könnte im Nachhinein behaupten, eine smarte Multichannel- und Crossmedia-Strategie für unser kleines Unternehmen entwickelt zu haben, das wäre aber schlicht geflunkert: Es machte mir einfach wieder Spaß zu schreiben, der Rest fügte sich glücklich – war das schöne Resultat von etwas Fleiß, viel Glück und jeder Menge Zufall.

 

Good old days Ireland

Irlandnews ist aus Überzeugung werbefrei

Irlandnews war und blieb dabei ein nicht-kommerzielles Hobby, ist heute, nach einigen zaghaften Versuchen, überzeugt werbefrei. Es formte sich ein Stamm regelmäßig schreibender AutorInnen, die ebenfalls ohne Honorar für “Ruhm und Ehre” schreiben (Hier die Vorstellung der Irlandnews-Autoren). Als dann die unsozialen Medien populär wurden, gerieten auch wir in den Sog von Google, Facebook und Konsorten. Die beiden Online-Monster Facebook und Google zerstörten die ursprünglich kleinteilige, dezentrale Online-Sphäre wie riesige Bulldozer und Vollernter eine idyllische Naturlandschaft.

 


Ja. Die Beiträge auf dieser Website sind kostenlos. Auf Irlandnews gibt es keine Paywall. Alle aktuellen und insgesamt 3900 Beiträge aus und über Irland stehen Ihnen hier frei zur Verfügung. Sie können unsere Arbeit wertschätzen, unterstützen und mit einer Spende zur Deckung der technischen Kosten beitragen. Wir würden uns darüber sehr freuen. Hier geht es zum Spenden-Formular.


 

Zum Jahresende 2020 sagten wir uns endlich von Facebook los, kappten alle Verbindungen und löschten unsere Accounts mit mehreren tausend Mitgliedern. Irlandnews war nun facebook-frei, unabhängig, und es folgte eine schwere Durststrecke. Irlandnews verlor zunächst zwei Drittel seiner Seitenaufrufe und LeserInnen, weil wir nicht mehr auf Facebook auf unsere Beiträge hinwiesen und  warben. Doch peu a peu kämpften wir uns zurück und fanden zu alter, neuer Stärke. In guten Monaten rufen jetzt 15000 Nutzer rund 40.000 Seiten auf – dies, obwohl die Google-Suche mittlerweile völlig kompromittiert ist und man sich die Aufmerksamkeit auf der dominanten Suchmaschine teuer mit Euros erkaufen muss. Wir haben vor Jahren schon für Irlandnews entschieden, keinen Cent an Google zu bezahlen, um die Reichweite zu erhöhen.

Ich könnte nun lange klagen, wie die Online-Oligopole, allen voran Meta und Alpha das Internet gekapert und zum Nachteil verändert haben, wie sie unsere vor 25 Jahren keimenden Hoffnungen auf mehr Demokratie und Partizipation gnadenlos zerstört haben, wie sie uns süchtig und abhängig gemacht und unseren Alltag okkupiert haben. Ich versuche in meinem Bewusstsein wach zu halten, wir wir alle vor 25 Jahren lebten – um daran zu erkennen, wie weit das Silicon Valley Zugriff auf unser Leben, unsere Privatsphäre, auf unsere Sehnsüchte und Wünsche genommen hat. Klar, früher wurde auf Irlandnews mehr kommentiert und diskutiert, heute erschöpft sich das Engagement Vieler im Abdrücken von “Likes”. Der Ton ist vielerorts im Web ruppig geworden, der Umgang roh und aggressiv. Die Corona-Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, zwei Autoren wollten eine offene Debatte über den Umgang mit dem Virus nicht mit tragen und verabschiedeten sich – gemeinsam mit einigen Lesern, die stramm der offiziellen Lesart folgten. Heute wissen wir mehr und kennen die Irrwege und Irrtümer dieser hysterischen Jahre.

Es nützte allerdings wenig, nur in den Chor der Klagenden einzustimmen und dabei zu vergessen, es besser zu machen. Irlandnews versuchte deshalb, auch in den dunklen Jahren eine Online-Plattform sein, die wenigstens ein Wenig zum Besseren beiträgt. Die Themenfelder wurden deshalb früh schon erweitert. Neben dem Lieblings-Thema Irland ging es hier immer wieder um das so überlebenswichtige Verhältnis von uns Menschen zur “übrigen” Natur, sowie um einen verantwortungsvollen zukunftsfähigen Lebensstil; und wir versuchten, dem verhängnisvollen Trend in den klassischen Medien zu widerstehen, arbeiteten dagegen an, dass sich die Meinungskorridore zunehmend verengen und eine ins Totalitäre neigende veröffentlichte Meinung den öffentlichen Diskurs beherrscht: Hier waren die vielen Meinungen gefragt und erwünscht. Einzige Bedingung: Sie sollten respektvoll vorgetragen werden und ohne Beleidigungen, Aggressionen und Verletzungsabsichten auskommen.

 

Wir finden das Gespür für Wert & Wertschätzung wieder

Das Internet hat fast zwei Jahrzehnte versucht, uns weis zu machen, dass in dieser virtuellen Parallelwelt alles umsonst sei. Lange Zeit gab es die meisten Inhalte kostenlos, wir aber bezahlten mit unseren Daten und der Preisgabe unserer Privatsphäre. Wir meinten, die Nutzer des Internets zu sein, während wir zum Produkt wurden, das hochprofitabel an die Werbewirtschaft verkauft wird. Wir haben uns schnell an diese vermeintliche Kostenloskultur gewöhnt und verloren mehr und mehr das Gespür für Wert und Wertschätzung. Viele von uns wurden zu gierigen Abgreifern, Sammlern und Absaugern von “kostenlosem Content”.

Auch Irlandnews war von Beginn an und ist bis heute komplett kostenlos – trotz eines seit einigen Jahren in mir gärenden Unbehagens über die Abgreif-Unkultur, die wir mit dem Internet geschaffen haben. Ich spielte deshalb eine Zeitlang mit dem Gedanken, das Handtuch zu werfen oder aber eine Paywall einzuführen. Denn letztlich kostet der Betrieb einer ständig aktuellen Website neben Energie und Zeit auch richtig viel Geld. Ich fand für mich heraus, dass das Aufhören genauso wie eine Bezahlschranke (Paywall) die falschen Wege wären. Da ich seit längerem mit der Kultur des Schenkens sympathisiere, entschied ich mich im August 2022, für die Leserinnen und Leser die Möglichkeit freiwilliger Spenden einzuführen. Wer möchte, kann jetzt zur Kostendeckung bei Irlandnews einen selbst gewählten Betrag per Überweisung, Kreditkarte oder Paypal spenden. (Hier geht es zum Spenden-Formular).

Sehr viel mehr als um Geld (was natürlich hilft, die Ausgaben zu begrenzen) geht es mir dabei um die Wertschätzung unserer Arbeit. Und siehe da: Nun gehen Spenden ein von Bekannten, von bekannten Kommentarschreibern und von Menschen, von denen ich noch nie etwas gehört oder gelesen habe. So kommen jetzt jede Woche freiwillige monetäre Reaktionen von LeserInnen, die mich sehr freuen und auch neu motivieren. Denn die Spende drückt aus, dass die Spender unsere Beiträge wert schätzen. Vielen Dank an dieser Stelle an die bisherigen Spender und UnterstützerInnen.

 

Wie geht es weiter mit Irlandnews?

15 Jahre Irlandnews. Im Herbst vor einem Jahr hat das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) begonnen: Es war der 30. November 2022, der Tag, als ChatGTP 3.5 auf die Welt losgelassen wurde. Schnell wurde uns klar: Menschen haben Maschinen nun so gut darauf trainiert, Menschen zu simulieren, dass Menschen den Unterschied zwischen Original und Simulation kaum – beziehungsweise nicht mehr – erkennen können. Das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz wurde nicht etwa mit einem selbstfahrenden Auto, einer sensationell menschenähnlichen Sexpuppe oder einem maschinellen Super-Chirurgen eingeläutet – es brach dort eine breite Schneise in unser gewohntes Leben, wo wir es nicht erwartet hatten: ins geistige menschliche Schaffen, in die Bereiche, die der Mensch sicher wähnte vor der Konkurrenz von Computern und Maschinen: dem kreativen Schaffensraum von Schreiben, Abbilden, von Sprache, Kommunikation und Kunst.

Seit November vergangenen Jahres zeigen uns die trainierten Maschinen von ChatGTP über Sandy und Bard bis Midjourney und Dall-E 2 unsere eigene Beschränktheit auf: Sie überfluten uns – ausgelöst von neugierigen prompt-schreibenden Menschenmassen – mit einem Tsunami von künstlich geschaffenen Texten, Bildern, Fotos und Musikstücken. Viele Menschen delegieren den Rest ihrer kreativen Potentiale nun alltäglich an Sprach- und Bildgeneratoren. Geschätzte Freunde fragen nach dem Aufwachen ihr Smartphone, was sie vom neuen Tag erwarten sollen und lassen sich vom künstlich intelligenten Kumpel inspirieren.

Hier auf Irlandnews werden Chatbots und Maschinenintelligenz keine Beschäftigung finden. Hier wird es keine von ChatGTP und Konsorten geschriebenen Texte geben, die auch von einem Menschen stammen könnten (außer zu Zwecken der Aufklärung, der Erklärung und der Entlarvung). Hier wird es keine Simulationen geben. Versprochen. Was Sie in diesem Web-Magazin lesen, ist auch künftig garantiert von mir und meinen KollegInnen recherchiert, erlebt, erdacht und geschrieben. Gleichzeitig werden Beiträge, die nun genauso gut von einem Chatbot wie von einem Menschen fabriziert werden können, allmählich von Irlandnews verschwinden. Irlandnews ist damit werbe-frei, google-frei, amazon-frei, facebook-frei und chatbot-frei. Wir bleiben natürlich. Authentisch menschlich. (Unser Statement über den Umgang mit KI gibt es hier).

Nutzwert, Service, die grüne Bucket-Liste, die 10 besten und 20 geheimnisvollsten Irgendwos und Irgendwies: All das hat es auf Irlandnews schon immer eher selten gegeben. Derlei Beiträge werden hier gar nicht nicht mehr vorkommen. Algorithmen kreieren diese Illusionen und Impulse für Lemminge mühelos in Sekundenbruchteilen. Wir überlassen ihnen das Feld. Statt dessen stemmen wir uns munter gegen Trend und Strom: Es gibt weniger Beiträge und dafür mehr Qualität, Tiefe statt polierte Oberfläche, Authentizität statt Inszenierung, Kopf- und Herzarbeit statt Massenware aus der KI-Konserve. Es gibt wahre Geschichten, Betrachtungen, Short Stories und wahrscheinliche Erzählungen.

Im Januar dieses Jahres begann ich ein neues Schreib-Projekt: Das irische Buch der Tage und Orte. In einem allmählich entstehenden Online-Buch sammle ich Notizen zu meinen Tagen, Geschichten, Erfahrungen, auch Bilder von Orten, die mich fesseln, zum Verweilen und Nachdenken einladen, von Menschen, die mich beeindrucken. Das neue Herzens-Projekt ist Teil der Irlandnews-Gemeinde und über die Startseite www.irlandnews.com abrufbar. Es wohnt gleichzeitig in einem eigenen virtuellen Gebäude. Die Adresse: www.irland.life. Irland. Leben. Eben. Nicht mehr und nicht weniger. Die ersten 50 Geschichten stehen online. Reaktionen sind erwünscht.

15 Jahre Irlandnews. Ein Dank an alle, die mitgearbeitet haben und die noch immer mitarbeiten. Ein Dank an Sie und Euch, liebe LeserInnen und Leser. Neben einer Spende freuen wir uns auch künftig über aktive Teilnahme, über Reaktionen und Kommentare zu den Beiträgen.

Grüße vom irischen Nordatlantik. Wir sind auf der Reise in die neue Zeit. Wir werden von unterwegs berichten.


Richtig. Die Beiträge auf dieser Website sind kostenlos. Auf Irlandnews gibt es keine Paywall. Alle aktuellen und insgesamt 3900 Beiträge aus und über Irland stehen Ihnen hier frei zur Verfügung. Sie können unsere Arbeit wertschätzen, unterstützen und mit einer Spende zur Deckung der technischen Kosten beitragen. Wir würden uns darüber sehr freuen. Hier geht es zum Spenden-Formular.


 

Die Fotos zu diesem Beitrag stammen von Peter Zöller und aus der Zeit der Gründung von Irlandnews.com. Die analog fotografierten Bilder zeigen (von oben): Blick auf Glengarriff Harbour und Garinish Island, Felder bei Eyeries, Cottage an Ellen´s Rock Glengarriff, Cork City, Canrooska River in Glengarriff Woods (unten). Vielen Dank für Deine immer währende Unterstützung, Peter.