Abschied vom blauen Unsozialen. Aufmerksamen LeserInnen mag es in den vergangenen Monaten aufgefallen sein: Die allgegenwärtigen blauen Social-Media-Icons sind von Irlandnews verschwunden. Wir haben Facebook nach über zehn Jahren zum 30. September 2020 verlassen und unsere verschiedenen Auftritte und Seiten dort eingestellt. Irlandnews ist jetzt garantiert facebook-frei. Was waren die Gründe für unsere Entscheidung?
Die großen Hoffnungen in die sozialen Medien haben sich nicht erfüllt. Vor allem der Facebook-Whatsapp-Instagram-Komplex erweist sich zunehmend als destruktive globale Kraft, mit der wir uns nicht weiter identifizieren wollten.
:: Facebook fördert anti-demokratische Entwicklungen.
:: Facebook zerstört das offene, freie Internet.
:: Facebook zerstört den Wert der Wahrheit.
:: Facebook macht undurchsichtige Geschäfte mit unseren persönlichen Daten.
:: Facebook manipuliert und und verändert uns im Namen des Profits Weniger.
:: Facebook wie Google lassen uns alle dafür bezahlen, damit wir im Internet überhaupt noch gesehen werden.
Film-Tipp
Die Dokumentation „The Social Dilemma“ (Das Dilemma mit den sozialen Medien, September 2020) analysiert die zerstörerische Kraft der Social Media für Menschen und Gesellschaften in all ihren Facetten. Sehr sehenswerter Film mit tiefen Einblicken in die manipulative Welt von Facebook und Google. Leider eine Netflix-Produktion und bislang nur auf Netflix zu sehen.
Wir wollen das freie, vielfältige, kleinteilige Internet stärken. Wir konzentrieren uns auf unsere Websites www.irlandnews.com und www.irland-wandern.de. Hier gibt es alles und viel mehr zu lesen, was von uns bislang auch auf Facebook stand. Wir haben unsere Leserinnen und Leser, die uns überwiegend via Facebook nutzten, gebeten: „Lest bitte wieder das Original. Im ganz eigenen Interesse. Lasst Euch nicht zum ausbeutbaren Produkt machen.“
Der Aufruf hatte bislang nur begrenzte Wirkung. Viele Zeitgenossen setzen die sozialen Medien längst mit dem Internet gleich und bewegen sich ausschließlich auf dem schmalen Pfad der Bequemlichkeit und des geringsten Widerstands durch das Web. Facebook machen, WhatsApp chatten, ein bisschen Insta schauen und ab und zu googlen – schon sind die zwei bis drei Stunden tägliche Nutzungszeit gefüllt. Von Vielfalt keine Spur mehr.
Irlandnews hat durch die Trennung von Facebook beachtlich an Traffic, Reichweite und Resonanz eingebüßt. Dabei führt am Ende kein Weg daran vorbei, dass wir die unsozialen Medien genauso in die Schranken weisen wie die anderen großen, meist US-amerikanischen Internet-Plattformen. In einem Irlandnews-Beitrag habe ich im Mai 2019, als der Konzentrations-Katalysator Corona noch weit weg war, dieses geschrieben:
Konzentration, Oligopole, Manipulation, die Bedrohung der Wahrheit und eine sich verschärfende Ungleichheit. Statt blühender Netzwerk-Landschaften leiden wir in Europa nach einem Vierteljahrhundert Internet unter den Verklumpungen des Plattform-Kapitalismus – und Amazon ist nur der Monster-Klumpen.
Monopole und Oligopole: Zwar wurden wie früher vermutet viele Handelsstufen durch die Online-Technologie überflüssig gemacht, doch an deren Stelle schoben sich unverhofft mächtige Branchen-Monopole und Handels-Oligopole. Von A wie Amazon bis U wie Uber. Das Fatale: Der Plattform-Kapitalismus hat die bestehende Ungleichheit in der Welt noch drastisch verschärft. Wenige Big Players nehmen sich die größten und meisten Stücke des Kuchens. The winner takes it all. Auf der Strecke bleiben kleine Unternehmen, kleinere Wettbewerber, die Infrastruktur, unsere Lebensverhältnisse und unsere lokalen Gemeinschaften. Eine kleine Gruppe von Investoren und Anteilseignern streicht optimierte private Gewinne ein, die der Allgemeinheit und dem Gemeinwohl entzogen werden – und die europäischen Werte gehen im Internet unter. Vor allem amerikanische Digitalkonzerne bestimmen die Realität der westlichen Welt.
:: Airbnb beeinflusst die Wohnungsmärkte weltweit negativ, erschwert es Einheimischen, preiswerten und günstig gelegenen Wohnraum zu finden.
:: Amazon zerstört den Einzelhandel und die Infrakstruktur unserer Innenstädte.
:: Booking.com beherrscht vielerorts das Hotel-Business aufgrund seiner Marktmacht.
:: Lieferdienste (auch europäische) nehmen den Restaurants das Geschäft aus der Hand und verkleinern die Gewinn-Margen der Hersteller.
:: Uber macht aus Menschen taxifahrendes Prekariat – und befeuert das Verkehrsaufkommen in den Städten.
:: Facebook pervertiert unsere Kommunikationsbedürfnisse und macht uns zu willfährigen Produkten der globalen Werbe- und Meinungsindustrie.
:: Google bestimmt, wer im Internet gesehen wird und wer nicht. Google macht Märkte, zwingt Marktteilnehmer zu Eintrittsgebühren und macht das Internet zu einem umzäumten Raum, zu seinem eigenen Internet. Google ist keine Suchmaschine, wie viele meinen, sondern eine virtuelle Mauer mit Eingangskontrolle und Kassenhaus.
Das Muster des Plattform-Kapitalismus: Die Kontrolleure des Internets beherrschen die Märkte, bestimmen die Spielregeln und beeinflussen maßgeblich, wie wir leben. Sie ziehen massiv Geld aus den lokalen Märkten ab, das in den Taschen einiger weniger Investoren landet. Viele Menschen, deren Arbeitsplätze (Mac Jobs und Gig Jobs) an diesen Online-Plattformen hängen, fristen ein karges Leben, Mitarbeiter in Verpackstationen und Fahrradkuriere sind so etwas wie die Sklaven der Gegenwart.
Am Ende aber sind wir es . . .
:: die unsere Einlieger-Wohnung über Airbnb vermieten, weil das ein schönes Zusatzeinkommen bringt;
:: die bei Amazon einkaufen, weil man dort alles und zwar sofort bekommen kann;
:: die bei Booking.com unser Ferien-Domizil buchen, weil es so herrlich einfach ist und oft auch noch günstig;
:: dies sich von Deliveroo das Abendessen bringen lassen, weil wir keine Lust haben das Haus zu verlassen oder selber zu kochen;
:: die sich auf Facebook zelebrieren und bei Google suchen und indirekt kaufen – und die beiden Online-Oligopole mit Zeit, Aufmerksamkeit und Geld füttern, um gesehen zu werden.
Es liegt also an uns allen, an unseren Kaufentscheidungen und an unseren Handlungen, ob das so weiter geht. In Zeiten von und dann einmal nach Corona mehr denn je.
Die Alternative: Wir können daran arbeiten, die Selbstbestimmung und Gestaltungsmacht über unser Leben zurück zu gewinnen, unsere Gemeinden und Gemeinschaften zu schützen, wieder Verantwortung für den Ort zu übernehmen, an dem wir leben – und es nicht zuzulassen, dass dieser von anonymen Kapital- und Profitinteressen geplündert und deformiert wird.
Jeden Tag gibt es diese Entscheidungen zu treffen: Kaufe ich beim Buchhändler um die Ecke oder bei Amazon? Buche ich direkt beim Hotel, in dem ich übernachten will? Vermiete ich mein freies Zimmer wirklich an AirBnB? Benötige ich Facebook noch? Fahre ich Uber oder U-Bahn? Brauche ich wirklich Zugang zu allen Songs dieser Welt über Apple Music oder Spotify? Gehe ich ins örtliche Kino oder füttere ich Netflix mit meinen Vergnügungs-Euros?
Also: Wir haben es selber in der Hand. In diesem Sinne hoffe ich unverdrossen auf viele Nachahmer, die sich facebook-frei machen und Amazon, Google und Co. die Grenzen aufzeigen. Zeit zum Nachdenken, was uns künftig gut tut und was nicht, hatten die meisten von uns in diesem zu Ende gehenden Ausnahmejahr. Alles Gute für hoffentlich bessere Zeiten am Ende der Epidemie.
Auf ein wegweisendes Jahr 2021!
Markus Bäuchle und
das Irlandnews-Team
Foto: Markus Bäuchle / Icon: Eliane Zimmermann
Lieber Markus,
ich danke Dir sehr für den Newsletter. Und ich freu mich auf die Garten-Sendungen gleich zu Beginn des Jahres.
Ihr seid facebook-frei. Was für eine schöne Ent-Scheidung.
Es passt gut zu Euch, zum Ark-Gedanken, zur Lodge, zu allem. Und es freut mich sehr. Denn kann man das eine im Guten, tun, wenn man auf der anderen Seite auch entwas wenig unterstützenswertes unterstützt? Nur weil andere meinen, man hätte sonst einen nur eingeschränkten Wirkungskreis?
Auch ich hatte noch nie einen Account dort. Vermisst habe ich nichts. Genossen habe ich ein großes Maß an Freiheit. Als mir gesagt wurde, man würde mich andernfalls nicht finden, habe ich gesagt: wer mich auf facebook sucht, der sucht definitiv etwas, das ich nicht zu bieten habe. Meine Werte und mein Wirken ist facebook frei. Aus gutem Grund. Dafür ist drin, was draufsteht.
vielen Dank für Eure Gedanken, dafür, dass es so breit aufgestellt ist. Danke für`s Teilhaben.
Herzliche Grüße und ein helles, freudiges Jahr.
Michaela
Sehr guter Ansatz, es wird Zeit, die Dinge zu sehen wie sie sind und dementsprechend zu handeln. Kudos an Euch.
20/20 vision is a term used to express normal visual acuity (the clarity or sharpness of vision).
. . . oder frei nach Einstein: Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde
zu sein, muss man vor allem ein Schaf sein.
In diesem Sinne, a very happy NY2021.
Eine nachhaltige Entscheidung, die Respekt und Anerkennung verdient.
Wenn wir nicht alle eines Tages in der Kakophonie des world wide Web der Großkonzerne sang- und klanglos untergehen wollen, ist ein jeder gefragt, sich dagegen zur Wehr zu setzen und die Individualität und Bemühungen kleiner Anbieter zu unterstützen.
Hoffentlich bald wieder auf der Insel, mit der Hoffnung auf ein nachhaltiges und selbstbestimmtes Leben.
Mit den besten Wünschen für das neue Jahr 2021
Diese Nachricht wärmt das Herz mehr als jeder irische Whiskey!
Eine sehr gute und konsequente Entscheidung Dich von Facebook etc. zu verabschieden. Mir persönlich waren all die von Dir genannten Anbieter irgendwie immer suspekt, weil hierüber die Menschen ausspioniert, deren Gewohnheiten hinterrücks ausgenutzt werden und ihnen das Geld aus der Tasche gezogen wird. In Facebook war ich noch nie angemeldet, Paypal und Amazon habe ich schon vor zig Jahren verlassen. Mein Resümee aus all diesem Beschiss ist, so weit als möglich alles selbst zu machen, am Bauernhof und in kleinen Läden einzukaufen und nur das Allernötigste in Supermärkten. Selbst meine Strickwolle kaufe ich möglichst direkt beim Schäfer regional oder spinne sie selbst. Ich halte es für bitter nötig die Kleinen zu unterstützen, da die großen Händler immer unverschämter werden und eine Monopolstellung zur Marktdiktatur führt.
Was Dein kleines Unternehmen angeht … Kundenzufriedenheit spricht sich herum, Qualität ist die beste Reklame und es gibt noch viele andere Möglichkeiten, um sein Unternehmen bekannt zu machen, auch ohne Facebook und Konsorten.
Ich wünsche Dir / Euch alles Gute … einen herzlichen Gruß nach Irland
Jacqueline
Danke, danke, danke!
Als Mittfünfzigerin die weder facebook, instagram, youtube oder eines der vielen anderen heute so „normalen“ social media tools nutzt, freue ich mich sehr über eure mutige Entscheidung. Um Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen, gibt es heute ja fast keine andere Möglichkeit mehr als die oben genannten. Aber es gibt auch Hoffnung. Meine Nichte, die nur auf facebook und instagram unterwegs ist, rief mich am Sonntag auf meiner Festnetznummer an und bedankte sich über die Weihnachtskarte von mir. Sie freute sich sehr, dass diese von Hand und mit Tinte geschrieben war, so wie jedes Jahr. Sie meinte, sie freue sich sehr viel mehr über diese Karte als über eine mehrfach kopierte Standardnachricht auf whatsapp!
Ich wünsche euch alles Gute für 2021.
Liebe Grüße Heike
Ich bin nicht auf Facebook gefolgt. Ich nehme es mir raus, Seiten die mir sehr am Herzen liegen, noch so richtig altbacken auf deren Homepage zu besuchen und per Newsletter informiert zu werden.
Für mich ist das schon lange eine bewusstere Entscheidung als das sinnlose Scrollen auf Facebook oder Instagram.
Vielen Dank für den immer wieder informativen Newsletter und die persönliche Note, die mir sehr wichtig ist.
Liebe Grüße, Antje
Ich beglückwünsche Euch zu Eurer Entscheidung und wünsche Euch, dass die Besucherzahlen für die Webseite(n) sich wieder erholen. Die Möglichkeit, den Newsletter zu abonnieren und somit nichts zu verpassen, finde ich sehr bequem. Es braucht noch Zeit, aber die Zahl der Internet-Vorsichtigen steigt. Auch Euch alles Gute für 2021!