Am Barley Cove

 

Fühlt sich an wie Sommer. Die Ruhe nach dem Sturm hält an. Das Wetter im Südwesten Irlands zeigt sich seit Sturm Kathleen am 6. April von seiner freundlichen Seite. Seitdem ist es weitgehend trocken. Die vergangene Woche brachte sogar viel Sonne und Wärme. Bei Temperaturen bis 18 Grad lag ein leichtes Sommer-Feeling in der Luft. Die Menschen auf der Insel kennen beim Smalltalk deshalb nur ein Thema: Das wunderbare Wetter. Ist es nicht großartig? Ja, das haben wir verdient, seit uns ab Juli vergangenen Jahres der Wettergott nur noch abgestraft hat: Neun Monate Regen, keine drei zusammenhängenden schönen Tage mehr seitdem. Doch jetzt: Aufatmen, Freude, Ausgelassenheit und Glück. So zumindest erzählen es sich die Menschen.

Ist das der Klimawandel auf irisch? Monatelanges nasses und vor allem graues Wetter? Ist das noch Wetter oder schon Klima? Deprimierend sei diese Zeit gewesen, sagen die Leute, um hinzuzufügen: Alles vergessen, jetzt wo die Sonne so herrlich scheint. Ob es den Deprimierten und Depressiven nun wirklich besser geht, da die Sonne wieder scheint, darf angezweifelt werden. Der Zusammenhang zwischen Wetter, Sonnenscheindauer und Depression ist nach neuen Erkenntnissen komplexer als lange angenommen. Macht Depri-Wetter wirklich depressiv? Die Finnen haben es heraus gefunden.

Finnland litt noch vor drei Jahrzehnten unter den höchsten Suizid-Raten weltweit. Die dunklen Winter und die Abwesenheit von Licht wurden dafür verantwortlich gemacht. Dann beschlossen die Nordländer, das „glücklichste Volk der Welt“ werden zu wollen und den Kampf gegen die Suizid-Neigung aufzunehmen. Mit Erfolg: In nur 20 Jahren konnte Finnland die Suizid-Rate halbieren. Ein wichtiger Baustein für diese Entwicklung war die Forschung. Wissenschaftler fanden Erstaunliches heraus, der Guardian berichtete darüber*. Hier ein übersetzter Absatz:

„Als die Dunkelheit bereits über die schnee- und eisbedeckten Straßen Helsinkis hereinbricht, obwohl es noch Nachmittag ist, frage ich Partonen, ob die geografische Lage Finnlands und die Wetterbedingungen eine Rolle spielen. Nein, so sagt er, die Daten deuten darauf hin, dass dies keine Faktoren sind. Tatsächlich sei die Zahl der Suizide im Winter am niedrigsten: Dezember, Januar, Februar. Es ist nicht klar, warum, aber sie erreichen im Frühjahr und Frühsommer ihren Höhepunkt. Es kann einen Umwelteinfluss geben, zum Beispiel in Form von Temperatur oder Lichteinwirkung. Die Menschen wissen also, dass, wenn sie seit Monaten oder sogar Jahren depressiv sind, der Frühling normalerweise die schwerste Zeit für sie ist.

Das Phänomen sei universell, mit ähnlichen Mustern in der südlichen und nördlichen Hemisphäre, der östlichen und westlichen Kultur. Wenn Sie depressiv sind, reagieren Ihr Gehirn und Ihr Körper anders auf die zunehmende Sonneneinstrahlung. Man leidet dann zum Beispiel mehr unter Schlaflosigkeit. Man wird unruhiger und ängstlicher, so dass der Grad der Angst zunimmt, was die Depression verschlimmern kann. Das schlimmste Ergebnis dieser Bedingungen könnte für jemanden mit unzureichenden Bewältigungsfähigkeiten, Behandlung oder Unterstützung ein Suizid sein.“

Sonne macht also Angst?  Manchen Menschen offensichtlich schon.

Und doch: Irland ist einfach das schönste Land der Welt – wenn die Sonne scheint. Unser Foto entstand am Barley Cove, Mizen Head, in West Cork. Ein bisschen Sand, ein paar bunte Surfbretter, blauer Himmel, blaues Meer – so muss es sich auf Barbados oder Antigua anfühlen. Was will man mehr?

Mehr von diesen Tagen. Ende kommender Woche soll es wieder regnen . . .


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Foto: Markus Bäuchle   

* Der Beitrag im Guardian ist hier zu lesen: Klick