Die Seetangwälder im irischen Atlantik sind in Gefahr. Winterspaziergang am Derrymore Beach, Camp, County Kerry. An dem langen Sandstrand in der Tralee Bay haben die Winterstürme kostbares Pflanzengut angeschwemmt. Berge von Palmentang machen den Strand zum Abenteuerspielplatz für verspielte Menschen und stöckchenverückte Hunde.

Ich erinnerte mich an die Zeiten, als ich mit Bauern auf den kargen Aran-Inseln den Seetang an der Küste einsammelte und zum Trocknen auf den warmen Felsen auslegte. Es war ein jährlich wiederkehrendes Ritual: Die Verjüngung der Tangwälder durch die Brandung bescherte den Menschen wertvollen Dünger für die Felder. Der Tang diente damals zur Verbesserung des Bodens auf der Insel, die Reste wurden an die Industrie verkauft.

 

 

Aus den langstieligen Braunalgen wird Alginat und Tierfutter hergestellt. Mit den pulverisierten Algen werden Schweine und Rinder gefüttert, unter anderem, damit die Rindviecher weniger Methan absondern. Dem in Irland Kelp genannten Tang werden viele gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Er ist entzündungshemmend, vitalisierend, blutzuckerstabilisierend, stärkt die Stress-Resistenz und das Immunsystem.

Seine Nährstoffe, Vitamine und Mineralien machen Kelp auch als menschliche Nahrung interessant. Die Rotalgen finden zunehmend Eingang in unser Essen, werden auch als Füllstoff in Zahnpasta, Shampoos oder Arzneimitteln benutzt.

 

 

Um den Seetang ist nun in Irland ein kleiner Krieg ausgebrochen: Save our native Kelp Forests, Rettet unsere heimischen Seetang-Wälder, haben sich Umweltschützer auf ihre Fahnen geschrieben. Denn die zerstörerischen Beutezüge des Menschen machen vor nichts halt – auch nicht vor dem Seetang. Mit den großen Algen, die waldähnlich im flachen Wasser in Küstennähe wachsen, lässt sich prächtig Geld verdienen – und deshalb hat der große Run auf die Unterwasserwälder begonnen. Die nordostatlantischen Kelpwälder sind allerdings für die Flachwasser-Biotope des Meeres extrem wichtig. Ähnlich einem Wald an Land bieten sie Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Tiere. Verschwinden die Tangwälder, dann verschwinden auch Fische, wirbellose Kleintiere und Seevögel.

Kelp ist für die Industrie preiswertes und hochwertiges Viehfutter. Damit der Zeitwaufwand minimiert wird und die Profite stimmen, setzt die aufstrebende Kelp-Industrie auf mechanische Erntemaschinen, die den Tang großflächig und schnell abernten und die Wälder zerstören.

Vorbei die Zeit der Handarbeit und des Einsammelns des Tangs, den die Wälder freiwillig hergeben. Jetzt wird den Unterwasser-Algenrevieren mit Maschinen auf den Stiel gerückt. Als Vergleich mag man sich die riesigen Holz-Erntemaschinen vorstellen, die sich in wenigen Stunden durch große Wälder fressen, die Bäume abschneiden, zerlegen und das Waldgebiet innerhalb von Stunden in eine ökologische Todeszone verwandeln.

 

 

Gibt es Hoffnung? In der Bantry Bay in West Cork konnten die Kelp-Schützer die Beutezüge einer Firma aus Tralee bislang  mit politischen und juritischen Mitteln aufhalten. Doch ein paar gewonnene Schlachten sind noch kein gewonnener Krieg. Der Kampf um den Seetang geht weiter.

 

Fotos: Markus Bäuchle