News aus Irland immer aktuellEin schmutziger Wahlkampf, Proteste gegen Banken und Regierung, ein durstiger Bulle im Pub und ein alter Zopf, der abgeschnitten wurde: Das sind die Nachrichten der Woche aus Irland. Dirk Huck berichtet aus Dublin. Übrigens: Auch Irlands Fußballer könnten es zur EM 2012 schaffen. Nur Estland muss nun noch besiegt werden.

 

 

Wahlkampf-Special: Eine dramatische Woche im Präsidenten-Wahlkampf

Das Rennen um das Amt des Präsidenten ist in voller Fahrt. Auch diese Woche gingen die fünf Kandidaten und zwei Kandidatinnen stündlich auf Stimmenfang und präsentierten sich in einer Live-TV-Debatte auf RTE One der Öffentlichkeit. Es gab einige dramatische Wendungen, die sich in den aktuellen Umfragewerten widerspiegeln.

McGuinness wird von der Vergangenheit eingeholt

Martin McGuinness Irland Gleich zweimal wurde Ex-IRA-Mann und Sinn Fein-Kandidat Martin McGuinness auf dramatische Weise mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Patrick Kelly, der Sohn eines von der IRA getöteten Soldaten, und Michael Hand, der Bruder eines von der IRA getöteten Polizisten, stellten McGuinness auf seiner Wahlkampftour offen zur Rede und forderten die Nennung der Täter. Damit erinnerten die beiden daran, dass bis heute niemand von der IRA für diese Gräueltaten zur Rechenschaft gezogen wurde. Auch wenn McGuinness vielleicht nicht selbst getötet hat, er kennt wohl Leute, die es getan haben und er decke sie, so der Vorwurf. Michael Hand spitzte den Vorwurf drastisch zu: “Martin McGuinness hat Blut an seinen Händen.” (Quelle: Irish Independent).

Am Mittwochabend wurde Martin McGuinness dann in einer TV-Debatte auf RTÉ von der scharfzüngigen Moderatorin Miriam O’Callaghan offen über seine IRA-Vergangenheit zur Rede gestellt. McGuinness sah sich zu Recht unfair behandelt, warf der populären Miriam vor, sie stelle dumme und schändliche Fragen und redete später von einem unfairen Fernseh-Gericht. Tatsächlich hatte sich O’Callaghan in Rage geredet und sich dazu hinreißen lassen, die anderen sechs Kandidaten darüber zu befragen, ob sie McGuinness angesichts seiner terroristischen Vergangenheit für einen würdigen Kandidaten hielten. Nach der Sendung hatte Martin McGuinness in einem Umkleideraum von RTE ein Wort unter vier Augen mit der Moderatorin. Auch wenn keine Details bekannt wurden, O’Callaghan kehrte aus dem lautstark geführten Rededuell mit weichen Knien zurück, hieß es. Mit dieser Aktion offenbarte McGuinness seinen wahren Charakter: Er ist jemand, der es gewohnt ist, andere kräftig einzuschüchtern. Und so jemand will Präsident werden? (Quelle: Irish Independent).

Drama um Dana

Dana Rosemary Scallon sorgte diese Woche für Verwirrung und Aufsehen, als sie in einer Live-Sendung in RTE One eine ominöse Erklärung verlas, die mehr Fragen als Antworten lieferte. Ihr war die Meldung zu Ohren gekommen, eine Zeitung wolle Gerüchte “sexueller Natur” über ein Mitglied ihrer Familie veröffentlichen. Dana kündigte juristische Schritte an, sollte es zur Veröffentlichung der “falschen und völlig unhaltbaren Anschuldigungen” kommen. Für zwei Tage ließ Dana den Wahlkampf ruhen, entschloss sich letztlich aber doch, weiterzumachen. Die Nation rätselte lange darüber, welcher Art die Gerüchte sein könnten. Veröffentlicht wurde zunächst nichts. Details wurden erst allmählich aus Zeitungen aus Amerika bekannt, bis Dana selbst ein wenig Licht ins Dunkel brachte. (Quellen: Irish Independent, Irish Independent). Es tun sich Abgründe auf in Danas Familie, ihr Bruder und Wahlkampfmanager und ihre Schwester und deren Familie sauf der anderen Seite bewerfen sich mit Schmutz. Keine guten Aussichten für die erzkonservative Kandidatin also, die einst ein gefeierter Schlagerstar war.

Gay Mitchells Zukunftspläne für Irland

Dann war da noch Fine Gaels Gay Mitchell. Er wirbt mit den Qualitäten “Understands our past” (na ja, das ist ja auch das Mindeste, das man von einem Staatspräsidenten erwarten darf) und “believes in our future.” Wie sehr er an die Zukunft des Landes glaubt, zeigte er diese Woche mit dem wahrlich revolutionären Vorschlag, Irland solle doch wieder dem Commonwealth beitreten. Damit bewies Gay Mitchell (der übrigens große Ähnlichkeit mit Inspektor Clouseau aufweist) einmal mehr, dass bei ihm manchmal der Filter zwischen Gehirn und Mundwerk nicht richtig funktioniert.

Wenig Überzeugendes von Michael D und David Norris

Auch die anderen Kandidaten boten diese Woche wenig Überzeugendes. Michael “Papa Schlumpf” Higgins, in Irland nur bekannt als Michael D,  erinnert in seinen Reden an eine Puppe, die, einmal aufgezogen, endlos losplappert. Diese Woche lieferte der Politiker und Poet eine aufgewärmte Version seiner Geständnisse aus den 90er-Jahren und gestand erneut, dass er vor Urzeiten Marihuana geraucht habe. Na ja.  Mary Davis’ kräftig retuschierte Wahlkampfposter erinnern derweil stark an die Vorher-Nachher Fotos aus der Slim-Fast-Werbung. Und der eitle Senator David Norris, der in besagter Fernseh-Diskussion ebenfalls die Contenance verlor, kommt zunehmend wie die Kunstfigur aus einer TV-Seifenoper daher. Will man diese Menschen wirklich an der Spitze des Staates sehen?

Umfragen: Außenseiter Gallagher plötzlich vorn

Nach dieser Woche fragt man sich: Ist das alles, was Irland an Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten vorzuweisen hat? Richtig überzeugen konnte bislang keiner. Bei diesem Popularitäts-Wettbewerb wird am Ende wohl derjenige gewinnen, der sich taktisch klug zurück hält. Wenig überraschend liegt daher in der neuesten Umfrage Außenseiter Sean Gallagher mit jetzt 39 Prozent weit in Führung. Michael D Higgins kommt auf 27 Prozent, während Martin McGuinness (13 Prozent), Gay Mitchell (8 Prozent), David Norris (7 Prozent), Mary Davis (4 Prozent) und Dana Rosemary Scallon (2 Prozent) allesamt kräftig an Boden verloren haben. Die Umfrage von Red C wurde übrigens vor der TV-Debatte gemacht. In jener kam Sean Gallagher schwer ins Trudeln, als ihm eine heimliche Nähe zur alten Korrumpel-Partei Fianna Fail vorgehalten wurde. Den Vorwurf, er stamme aus dem “Fianna-Fail-Genpool” konterte Gallagher reichlich schwach und unsouverän.  (Quelle: RTE)

Vorläufiges Fazit: Wird ein unwürdiger und mit vielen Schlammschlachten geführter Wahlkampf ein würdiges Ergebnis und einen würdigen Präsidenten hervorbringen? Es steht zu befürchten, dass in Irland auch eine der letzten unangetasteten politischen Institutionen Schaden nimmt : Das zuletzt von Mary Robinson und von Mary McAleese  so umsichtig und souverän geführte Amt des Staats-Präsidenten.

 

Irland protestiert gegen Sparmaßnahmen der Regierung

Am gestrigen Samstag beteiligten sich Demonstranten in Dublin und Cork am globalen Protesttag gegen Regierungen und deren harte Sparmaßnahmen (Foto links). Angeprangert wurden das Mismanagement der Regierung während der wirtschaftlichen Krise und unfaire Budget-Kürzungen. In Dublin zogen etwa 200 Protestler durch die Innenstadt bis vor das Finanzministerium in der Merrion Street. Die Protestmärsche in Dublin und Cork fanden in Solidarität mit vergleichbaren Aktionen in Griechenland, Spanien und Italien statt. Während in Rom die Proteste in Gewalt ausuferten, verlief die Aktion in Dublin friedlich. (Quelle: Irish Independent). Die in New York gestartete Protestbewegung “Occupy Wall Street” findet derweil auch Nachahmer in Dublin. Auf dem Platz vor dem Gebäude der irischen Zentralbank an der Dame Street kampieren seit mehr als einer Woche Protestler in einer bunt zusammengewürfelten Zeltstadt (Foto rechts). Die Aktion “Occupy Dame Street” geht nun in die zweite Woche. Die Protestler haben vor, “so lange zu bleiben, wie nötig”. Was genau sie mit dem Protest aber erreichen wollen, darüber sind sie sich wohl noch nicht ganz einig. Ihre Pauschal-Slogans reichen von “Lets build a fair society” über “Beware of toxic EURO pact” bis zum wenig einfallsreichen “IMF out”. Zeit bringen die Berufs-Protestler genügend mit: Einen Job dürften viele von ihnen derzeit nicht haben. (Quelle: Irish Times)

Thema der Woche: Hilfe für strauchelnde Hausbesitzer

Irland diskutierte diese Woche eifrig darüber, wie den vielen finanziell in die Enge geratenen Hausbesitzern geholfen werden könnte. Einen pauschalen Schuldenerlass, wie er wiederholt gefordert wurde, hatte Premierminister Enda Kenny bereits ausgeschlossen. Nun veröffentlichte eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe das Ergebnis ihrer Analyse. Ein Vorschlag in dem Bericht sieht vor, dass in Extremfällen zahlungsunfähige Eigentümer ihr Haus zwar an die Banken verlieren würden, anschließend aber weiterhin zur Miete darin wohnen bleiben dürften. Dies könnte bis zu 10.000 geldknappen Hausbesitzern passieren. Einen allgemeinen Weg aus der Schuldenfalle für all die anderen zigtausenden Hausbesitzer, die gerade noch so ihre Kredite bedienen können, lieferte der Bericht jedoch auch nicht. Das Schulden-Problem vieler Hausbesitzer wird Irland noch länger beschäftigen, und die Regierung wird sich früher oder später verbindlich damit befassen müssen. (Quelle: Irish Times)

Der durstige Bulle von Cavan

Kennen Sie den? Stürmt ein Stier in ein Pub … Und was der dabei so anstellt, konnten diese Woche die Besucher der “Porter House Tavern” im kleinen Kingscourt in der Grafschaft Cavan erleben. Da verirrte sich tatsächlich ein vom Viehmarkt ausgerissener Stier durch die offen stehende Hintertür in das Pub und stürmte an die Bar. Vermutlich wollte er sich überzeugen, ob man da wirklich einen “Red Bull” bekommt. Als er nicht bedient wurde, wurde er wütend. Er stürzte Stühle um und ließ seinen Zorn am Billardtisch aus, bevor er das Pub wieder verließ. Pech für den Bullen: Sein Pub-Crawl wurde von der Überwachungskamera eingefangen, Leugnen war zwecklos. Er bekam Hausverbot. Die Besucher des Pubs kamen mit dem Schrecken davon. Nun haben sie eine Geschichte mehr, die sie sich bei ihren Pints an der Bar erzählen können. (Quelle: Irish Independent)

Fußball-EM 2012: Irland in den Play-Offs

Nachdem die Rugby-Nationalmannschaft beim Worldcup im Viertelfinale leider ausgeschieden ist, durften sich die Iren diese Woche zumindest über das gute Abschneiden der Fußball-Nationalmannschaft freuen. Die von Giovanni Trapattoni (“Habe Pint leer”) trainierten irischen Kicker gewannen ihre letzten Qualifikationsspiele gegen Andorra (2:0) und Armenien (2:1) und wurden in ihrer Gruppe Zweiter. Das EM-Ticket hat man zwar noch nicht sicher, aber man darf zumindest in die Play-Offs. Allerdings bekleckerte sich die irische Mannschaft zuletzt und vor allem gegen Armenien nicht gerade mit Ruhm. Irland blickt daher mit verhaltenem Optimismus auf die Play-Off-Spiele im November, auch wenn der zugeloste Gegner Estland eine lösbare Aufgabe sein sollte. (Quelle: Irish Times)

Und dann war da noch die Sache mit dem alten Zopf . . .

Seit Freitag dürfen auch Irlands Richter ihre antiquierte Berufs-Mode ablegen: Die Richter-Perücke ist per Regierungsbeschluss abgeschafft, eine seit 1660 in Irland geltende Tradition zu Ende. Die mit der britischen Monarchie assoziierten Haarteile haben die Gründung eines freien irischen Staates überdauert, doch nun müssen sie einem zeitgemäßeren Auftritt weichen. Es heißt, die Richter im britischen Kulturraum hätten sich den Fifi in früheren Jahrhunderten auf das kurz geschorene Haupthaar gesetzt, um sich vor den reichlich vorhandenen Kopfläusen ihrer  Klientel zu schützen. Jetzt freilich ist auch dieser alte Zopf abgeschnitten, und die leere Staatskasse spart Geld: 2200 kostete jede in Handarbeit aus Rosshaar gefertigte Richterperücke, die traditionell aus London importiert wurde. . .

Irland Richter Perücke

Der Autor: Dirk Huck berichtet aus Dublin.

 

 

 

 

 

Wir wünschen allen Lesern und Irland-Fans eine schöne Woche.

Mehr von Dirk: www.blog-for-ireland.blogspot.com