Ist Ihr Medienkonsum in den vergangenen vier Wochen auch wieder explodiert? Konnten Sie sich auch nicht los reißen von den immer gleichen, hohlen Brennpunkten und erkenntnisfreien Sondersendungen über den Krieg in der Ukraine? Nehmen Sie auch täglich ausgiebig Anteil am Leid der Ausquartierten, der Ausgebombten, der Flüchtenden, der Opfer des großen Zivilisationsbruches mitten in Europa? Kennen Sie auch schon die Namen von mindestens drei polnischen Grenz-Bahnhöfen im Osten?
Nachdem wir alle zwei Jahre eingesperrt waren, sind wir jetzt alle solidarisch. Das Thema ist plötzlich ein anderes und doch auf allen Kanälen wieder dasselbe. Wir leben in einer monothematischen Medienblase. Statt Maske tragen wir jetzt Blau-Gelb.
Wir sind alle solidarisch mit der Ukraine – bis es weh tut. Natürlich muss es bei der völkerrechtlich geregelten Arbeitsteilung bleiben: Gekämpft und gestorben wird in Charkiw und Mariupol, gespendet und demonstriert in Hamburg und Berlin. Und klar, wir nehmen eine Ukrainerin und ihr Kind auf – bis der Staat in die Gänge kommt und unsere Hilfsbereitschaft aufgebraucht ist.
Ich verfolge die politische Debatte und den Krieg aus der drei Tage sichereren Distanz am westlichen Rand Europas. Manchmal schäme ich mich ein bisschen. Stellvertretend für den deutschen Wirtschaftsminister, wenn er einen tiefen Diener vor dem Grusel-Emir macht. Für den Finanzminister, wenn er die Freiheit an der Tankstelle verteidigen will. Für die Regierung, die mit leeren Händen da steht und gleichzeitig in Großmachts-Fantasien schwelgt. 100 Milliarden!
Vor allem schäme ich mich ein wenig für all die Solidarischen, die alles tun, damit die Solidarität nicht weh tut. Ein Öl-, Gas- und Kohle-Embargo gegen Russland: Das geht jetzt nicht. Das kostet Wohlstand, Wohnzimmerwärme und Wählerstimmen.
Die Heizung zwei Grad runter zu stellen, ein bisschen Frieren für die Freiheit: Wohlfühl-Bremse. Die tägliche Verschwendung minimieren, Öl, Gas, Strom sparen, auf Spaßfahrten verzichten, autofreie Sonntage einlegen, endlich ein Tempolimit im Land der Raser einführen: Öko-Sozialismus. Mal weniger Fleisch essen, damit das knappe Getreide für alle reichen wird: Freiheitsberaubung und Intoleranz.
Nein, ich werde wohl eher keine Ukrainer in meine Wohnung aufnehmen, auch wenn man das jetzt so tut. Es ist ja schon mit den Meinen in den eigenen vier Wänden schwer genug. Auf das Überkonsumieren und Verschwenden werde ich allerdings noch mehr als bisher verzichten. Damit dem Paten aus Sankt Petersburg der Geldhahn eher morgen als übermorgen zugedreht wird – und damit die Erde gerechter und lebensfreundlicher wird, dann, wenn auch der Pate Geschichte sein wird.
Die Solidarität sieht dann so aus::
https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/russland-umfrage-zum-energieembargo-die-angst-der-deutschen-vor-der-kalten-dusche-a-1a220b8b-61b9-4377-a553-3cbcd2d5f3ee
Der ukrainische Schriftsteller und Philosoph Kyrylo Tkachenko, der lange in Deutschland gelebt hat, heute in der FAZ:
„Was sollte Deutschland tun? Es würde reichen, ein zuverlässiger Partner des westlichen Bündnisses zu sein und Initiativen zum „Dialog“, zum „Brückenbauen“, zur „Gesichtswahrung“ eines rückfälligen Kriegsverbrechers einzustellen. Nicht Mitleid, nicht Gebete, nicht Friedensglocken helfen uns in der Ukraine. Die drei Sachen, die wir seit Beginn des Krieges fordern, sind Waffen, Waffen und nochmals Waffen. Und natürlich die komplette Einstellung des Handels mit Russland. Alle Gebetsstunden, Solidaritätserklärungen und moralisch destillierten Tränen sind pure Heuchelei, solange Deutschland weiter mit Milliarden Euros die russische Kriegsmaschine schmiert.“
Lieber Markus, zur Klage über das langweilige Fernsehprogramm eignet sich für mich das Thema Ukrainekrieg nicht.. Wenn ich die Bilder und Berichte nicht sehen würde, könnte ich es nicht glauben, dass es in Europa wieder einen brutalen Angriffskrieg eines großen Landes gegen ein kleineres Land ohne jegliche Begründung gibt, der millionenfaches Leid, Flucht und Vertreibung und tausende Tote zur Folge hat.
Das einzige Gefühl, das Du in diesem Zusammenhang beschreibst, ist dein Schämen über die Verbeugung Habecks vor dem Scheich. Die Grenzbahnhöfe als bedrückende Sinnbilder der Schrecken der Flucht tauchen nur als Beispiele für das dich langweilende Fernsehprogramm auf.
Ukrainer aufzunehmen ist ja nicht verpflichtend, aber ich denke, wer dies tut, verdient Respekt. Dass Du niemand aufnehmen möchtest, folgt dem Tenor des Artikels, ist als Nachricht aber auch nicht so interessant.
Markus, ich habe dich als empathischen Menschen kennen gelernt. Deshalb macht mich dein Beitrag ziemlich ratlos.
Lieber Hans, mir mit rechtlich kugelsicherer Rhetorik die Empathie absprechen zu wollen, ist schräg.. In diesem Beitrag geht es nicht um genuine Empathie, sondern um fabrizierte Massen-Empathie (die meist nicht sehr dauerhaft ist), und es geht um Menschen, die dadurch immer schon ganz genau wissen, was richtig und gut sein soll – und um den immer rigider vorgetragenen Anspruch, im Besitz dieser Wahrheit zu sein.
Wer eigentlich hat den Guten verboten, in den vergangenen Jahren einmal einem Obdachlosen aus Ihrem Stadtbezirk die Wohnungstür zu öffnen? Wer hat es ihnen verwehrt, mal auf eine ihrer gewöhnlich vier Urlaubsreisen freiwillig zu verzichten?
Das schnelle kompromisslose Energie-Embargo würde Millionen Menschen in der Ukraine mehr helfen als alles andere. Es würde Russland die Finanzierung des Kriegs unmöglich machen. Die deutsche Regierung aber eiert herum und verhindert dieses Embargo, das viele andere Länder befürworten. Es würde den guten Wohlstandsbürgern viel zu weh tun.
Den Geflüchteten aus der Ukraine muss geholfen werden und wird geholfen werden. Auch wir engagieren uns für sie. Unser Engagement darf sich aber nicht komplett darauf fokussieren. Die viel größere Gefahr hinter dem Krieg wie auch hinter der Pandemie: Wir gehen unbeirrt den Weg in den kollektiven ökologischen Suizid – und Habeck geht dafür Gas-Betteln in Katar.
Jetzt tu was. Grüße nach Zypern.
Lieber Markus, als gebürtige Ukrainerin, deren Familie derzeit in von Russen besetzten Cherson ist, unterstütze ich voll deine Einsicht. Das Geldhahn für den Krieg abzudrehen, wagt niemand in Europa, das ist ja das Skurrile, obwohl alle den bösen Diktator verurteilen. Statt offen zu sagen, wir müssen einiges neu überdenken und gewisse Aktivitäten drastisch reduzieren und gewisse Branchen vielleicht aussterben lassen, weil sie zu viel unnötigen Konsum und Energieverbrauch fördern, wollen wir lieber alles wie bisher haben. Die menschliche Natur bleibt unverändert, trotz mehrere Propheten, gesandten Gottes, große Kriege, Pandemien etc. Für diesen Krieg hoffe ich auf das beste, auch weil meine Lieben persönlich betroffen sind, aber es wird unvermeidlich etwas Neues kommen, weil die Menschen es nicht anderes können.
Das Neue wird kommen, und wahrscheinlich werden wir Menschen es nicht konstruktiv gestalten, sondern eher erleiden und erdulden. Dir und Deiner Familie und allen Menschen in der Ukraine alles Gute, liebe Svitlana.
Es ist immer wieder interessant und erschütternd zugleich, wie bewußtlos sich der Großteil der Menschheit an der Nase herumführen läßt. Anstatt die Initiatoren der mörderischen Veranstaltungen endlich mal gründlich unter die Lupe zu nehmen, steigen viele Menschen wieder voll auf das inszenierte Drama ein und betreiben wieder die übliche Symptombekämpfung, verarzten Wunden.
Es wird auch nach blau-gelb nicht lange dauern, bis die nächste mörderische Veranstaltung stattfindet und wie üblich blind-gehorsam daran teilgenommen wird … es ist vorhersehbar, man muß kein Hellseher sein.
Wann erkennen die Menschen endlich, daß sich die mörderischen Veranstaltungen mittlerweile zum x-ten Mal wiederholen und nur auf unterschiedlichen Bühnen stattfinden und sie durch ihr „soziales“ Verhalten die Dramen mit am Laufen halten?
Wann sind sie der Dramen endlich überdrüssig und schicken folgedessen die Initiatoren dahin, wo sie hergekommen sind, nämlich zum Teufel?!
Wenn jemand, der nicht rechnen kann, Finanzminister wird, frage ich mich, ob wir mit einer attischen Demokratie nicht besser bedient wären. Damals wurden die Ämter ausgelost.
Zugegeben nur unter den wenigen mit den entsprechenden Bürgerrechten, aber dass könnten wir ja anders machen.
Das ist die sogenannte Negativauslese in den Führungsetagen, die System hat.