Irland, Land der uralten keltischen Eichenwälder . . .

 

Irlands Berge brennen wieder: In der Nacht zum Samstag tobte ein wüstes Feuer in der Herzkammer des irischen Waldes. Am Torc Mountain im Killarney National Park brannten hunderte Acres Wald und Wiesen ab. Irland ist mit Ausnahme von Island das waldärmste Land Europas, und doch bedrohen absichtlich gelegte Wildfeuer Jahr für Jahr die wenigen wertvollen Waldflächen. In der Regel sind es Schaf-Farmer, die die Weiden mit Feuerzeug und Benzinkanister für ihre Tiere frei brennen und dabei den Verlust der angrenzenden Wälder genauso riskieren wie die Zerstörung der Artenvielfalt und der Böden auf den abgefackelten Flächen. (Ich habe die Zusammenhänge in den vergangenen Jahren hier auf Irlandnews immer wieder beschrieben: Hier die Hintergründe).

 

Bäume sind Leben. Bäume sind die Lebensgrundlage für eine reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt. Wälder sind die grünen Lungen der Erde. Bäume binden das Treibhausgas Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff. Sie balancieren unser Klima und schützen das Leben auf der Erde.

 

 

Irland Feuer

Am Torc Mountain im Killarney National Park brannte vorgestern der Wald. Foto: Valerie O’Sullivan

 

Die Wildfeuer, die den Ginster, den Gagelstrauch und den zarten Wuchs von Pioniergehölzen auf den Weiden zurückdrängen sollen, sind nur Teil des Problems, das Mensch und Baum in Irland miteinander haben. Jeden Winter kreischen auf der Insel zehntausende Motorsägen und zerstören abertausende Bäume. Zwar gibt es so etwas wie einen gesetzlichen Schutz für Bäume, doch Kontrollen zum Schutz von Bäumen gibt es kaum. Zudem wird die Sicherheit von Mensch und Auto verabsolutiert: Die Regional-Regierungen machen den Landbesitzern regelmäßig unmissverständlich klar, dass sie für Schäden haften, die durch umstürzende Bäume entstehen. Im Land der heftigen Winterstürme reagieren die meisten Farmer beflissen auf solche Drohungen und sägen jedes Jahr zigtausende Bäume an den Straßenrändern ab – meist bleibt ein Stumpf stehen und die Stämme und Äste verrotten oft im Unterholz. Ein liebevoller oder auch nur sinnvoller Umgang mit Bäumen sieht anders aus.

 

Die Reste von Bäumen am Straßenrand. Sicherheit muss sein

 

Irland ist das Land mit dem wenigsten Wald in Europa (außer Island). Vor einigen Jahrzehnten betrug die bewaldete Fläche nur noch fünf Prozent. Heute rechnet sich die Regierung als Erfolg an, dass wieder zehn Prozent der Fläche bewaldet seien – höchstens ein Viertel davon mit Laubbäumen. Förderprogramme zur Aufforstung zeigen Wirkung, die steuerfreien Holzplantagen werden heute gerne als Investition genutzt: Bei den beliebten Sitkafichten-Monokulturen von Wald zu sprechen, fällt allerdings schwer. Die Plantagenbäume wachsen gut 20 Jahre und werden dann schonungslos abgeerntet. Wer pflanzt, will im eigenen Leben noch kassieren. Einen Generationenvertrag Wald gibt es hier nicht. Immerhin. Das billige Bauholz bindet jede Menge CO2, auch wenn die eintönigen Zellstoff-Kulturen nicht als lebensfreundliche Biotope taugen.

 

Die Berge Irlands. Faszinierend schön, aber auch komplett baumfrei

 

Die Karstgebirge an den Küsten Irlands waren vor langer Zeit einmal bewaldet. Wo heute nackte Felsen in den Himmel ragen, standen einmal Bäume. Das Moor, das Gedächtnis des Landes, gibt darüber Aufschluss. Vor allem die Schafhaltung sorgt dafür, dass kein Wald nachwachsen kann. Doch die Schaf-Farm gehört zu Irland wie bis vor kurzem die katholische Kirche. Man betreibt sie, weil man sie immer schon betrieben hat. Mit irischem Lammfleisch kann heute kein Farmer mehr Geld verdienen. Für die Schafwolle aus Irland gibt es kaum Märkte. Ohne die Förderung durch EU und irische Regierung müssten die Schaffarmer längst aufgeben. Doch das Geld aus den Agrartöpfen fließt weiter, und so bleiben die Schafweiden ökologische Wüsten, wo Bäume und Büsche nicht aufkommen können und auf denen die Artenvielfalt auf ein klägliches Minimum zusammengeschrumpft ist.

 

Die Fabel von den bösen Engländern, die Irland im 16. und 17. Jahrhundert fast komplett abgeholzt haben sollen, um Kriegsschiffe zu bauen, Fässer zu fertigen und Eisen zu schmelzen, hat in Irland bis heute Konjunktur und wird immer gerne erzählt. Wahrer wird sie dadurch nicht. Der anglo-irische Historiker Nigel Everett belegte in seinem Buch “The Woods of Ireland”, dass Irland schon weit vor der elisabethanischen Epoche, also zu Zeiten der irischen Könige, ein waldarmes Territorium war. Es müssen die Gälen, die Vorfahren der Iren schon eine rigorose Einstellung zu Wald und Bäumen gehabt haben. Everett deutet sogar an, dass erst mit den Engländern systematische Aufforstungen und Forstpolitik Einzug auf der grünen Insel gehalten hätten.

 

Das typische irische Eigenheim auf dem Land ist ein freistehendes Einfamilienhaus. Es steht auf einer Betonplatte und ist von einem Asphalt- und einem mal nackten, mal mit einigen Zierpflanzen aufgelockerten Rasenstreifen umgeben. Bäume fehlen. Wo Bäume nahe an Häusern stehen, sagte mir ein irischer Bauer, da wohnen Engländer oder andere Blow-ins. Der Mann hat recht, die Regel hilft beim Lesen der Landschaft. Ausnahme: die kerzengerade in einer Linie gesetzte Fichtenreihe vor dem traditionellen Farmhaus. Sie galt eine Zeitlang unter Farmern als ultimativer Windschutz.

 

Ein Heckenschneider unterwegs in Kerry

 

Auch die berühmten Hecken entlang der irischen Landsträßchen dienten dem Schutz vor Wind, Wetter und Eindringlingen. Sie hielten Fremde draußen und das Vieh drinnen. Das Pflanzen einer Hecke aus heimischen Gehölzen galt vor der Erfindung des Stacheldrahts als anerkanntes Handwerk: Aus klug gepflanztem Weiß- und Schwarzdorn, aus Wildrose, Hasel, aus Ilex und Schneeball, wuchs innerhalb weniger Jahre eine undurchdringliche grüne Wand. Die Hecken sind auch heute – und dies mehr denn je – die Lebensräume und die Bewegungs-Korridore vieler Tiere, von den Singvögeln über die Igel bis zu den Fledermäusen und Feldmäusen. Wer schon einmal erlebt hat, wie ein sogenannter Heckenschneider eine schön gewachsene Hecke binnen Sekunden zu Kleinholz schreddert, wird das nicht mehr vergessen. Wer es noch nicht gesehen hat: Abgschlagen und abgeraspelt werden die Straßenränder landauf landab von September bis Februar.

 

Die Menschen in Irland berufen sich stolz auf das Erbe der Kelten. Für die Kelten waren die Bäume, soweit man das weiß, heilig. Der alte Volksglaube bescheinigt noch heute bestimmten Bäumen eine Schutzfunktion für den Menschen. So sollte man den solitären Weißdorn auf jeden Fall in Ruhe lassen, weil er das Kleine Volk beherbergt. Manche Menschen auf der Insel halten einen Wish Tree oder einen bunt geschmückten Rag Tree in Ehren. Manche halten die Bäume auch heute für beseelt.

 

Ob deshalb viele Menschen auf der Insel Angst vor dem Wald haben? Meinen Vorschlag, einen Dämmerungs-Spaziergang im Wald zu machen, konterte Freunde Michael mit der Gegenfrage: “Was, um diese Zeit noch in den Wald?” In Michaels Gesicht stand Entsetzen und meinem Nachhaken, was dagegen spreche, entgegnete er mit beeindruckender Ehrlichkeit: “Weil ich Angst habe”.  Wir gingen dann die Straße entlang und ich dachte still in mich hinein: Homo homini lupus, und in der Stadt, da sind die Räuber . . . 

 

Rinder statt Lebensräume

 

Rindfleisch statt Lebensräume. Während die Waldfläche in Irland im Sinne von kommerziell genutzter Forstfläche in den vergangenen Jahren zugenommen hat, so haben die Lebensräume für Tiere und Pflanzen durch die Expansion der Landwirtschaft stark abgenommen. Irische Kuhmilch und irisches Rindfleisch (Irish Beef) gelten weltweit als erfolgreiche Qualitäts-Lebensmittel. Die Nachfrage hat zu einer radikalen Reaktivierung brachliegender Flächen für die Rinderhaltung geführt. Zur effizienteren Nutzung des Graslandes wird die Landschaft ausgeräumt: Büsche, Bäume, Hecken und Sträucher müssen den immergrünen Kunstwiesen und den vierbeinigen Klimakillern weichen, methan-furzenden und -rülpsenden Vierbeinern, die sich in riesigen Herden auf engstem Raum ernähren.

 

Wildfeuer Irland

Feuer hinterm Haus: Tiere, Bäume und Menschen kommen durch die Wildfeuer in Gefahr

 

Die Tourismus-Industrie lässt keinen Superlativ aus, um die verbliebenen alten Wälder Irlands zu besingen. Von Jahrtausende-alten Eichenwäldern ist die Rede, von ur-alten Eichen-Hainen. Die Wälder von Killarney und Glengarriff, die jeden Winter und jedes Frühjahr von den Wildfeuern bedroht werden, sie dürfen in keiner Werbebroschüre fehlen. Wer aber schützt diese wertvollen Wälder, deren älteste Bäume im übrigen maximal 350 Jahre alt sind, vor den ruchlosen Feuerlegern? Bis heute stand in Killarney oder Bantry kein einziger Brandstifter vor Gericht. Bis heute halten die meisten Menschen in der Region still – auch wenn sie die Umweltzerstörer kennen.

 

Windenergie

Windräder auf den Bergen des Südschwarzwalds: Das Ende der Landschaft kündigt sich an

 

Die Zerstörung der Biosphäre Wald macht auch vor der alten Heimat nicht halt. Ein Blick auf die Bergspitzen des Südschwarzwalds lässt keinen Raum für Illusionen. Hier wird am Ende der Landschaft gearbeitet. Waldbaden hin, Erholungsraum Wald her: Auf den Höhen des Schwarzwalds wird die sogenannte Ernergiewende exekutiert. Unerbittlich werden Schneisen geschlagen, Straßen in den Wald gebaut, tausende Tonnen Beton in den Waldboden gegossen, damit die Turbinen stabil stehen. Mit Infraschall und Schafott-gleichen Rotoren bedrohen sie das Leben von Tieren und Menschen. Sie zerstören die Landschaft und nehmen uns die letzten Rückzugsräume. Das Ganze wird dann auch noch beschönigend Park genannt. Im Namen der Klimapolitik wird den letzten Resten Natur der Garaus gemacht – das alles übrigens mit dem Segen der Grünen, einer Partei, die einst das Öko-System Erde retten wollte und heute genauso erbarmunglos dem Wachstum (aber grünem bitte) huldigt, wie alle anderen Parteien. Weil sie nun wirklich regieren wollen. Die Grünen sind zu den Leuten geworden, vor denen sie uns in den 80-er Jahren noch gewarnt haben. Ich fürchte: Ihre Politik wird scheitern und im ökologischen Chaos enden.

Windräder Schwarzwald

Ich war ein Wald: Der Südschwarzwald bedankt sich bei den Grünen

Das Leben nach dem Wachstum: Derweil will (fast) niemand darüber reden, dass wir die Wachstums-Wirtschaft und deren Ideologie hinter uns lassen müssen, um zu überleben. Dass wir unseren Lebensstil radikal ändern müssen, um eine Zukunft zu haben. Wir werden sparen, wir werden die Schönheit des Verkleinerns und des Bescheidens und der Mäßigung entdecken. Später eher als früher. Klar. Und doch, es gibt heute schon einen (!) deutschen Professor für Volkswirtschaftslehre, der sehr konsequent und schlüssig darüber nachdenkt, was nach den Windrädern und dem Wachstumsrausch kommen wird. Hört mal rein, er hat Spannendes zu sagen: Niko Paech über das Leben nach dem Wachstum:

 

 

PS: Wem diese Gedankenreise durch Irlands Natur zu negativ erschien: In der kommende Woche gibt es an dieser Stelle Positives zum Thema. Versprochen. 

Fotos: 2. von oben: Valerie O`Sullivan Photographer; 2. von unten: Roland Kroell; alle anderen: Markus Bäuchle