Samhain

Was machten eigentlich die alten Kelten an Allerheiligen? Irlandnews-Autorin Nicola recherchierte in den Geschichten der Ur-Iren.

Ein gutes Neues Jahr Euch allen! Denn bei den alten Kelten auf dem Kontinent und auf den Inseln begannen der Winter und das Neue Jahr um den 1. November. Samhain oder Samhuinn hieß und heißtdas Fest, das bedeutet: „Ende des Sommers“. Es dauerte drei volle Tage (vom 31.10. bis 02.11., bzw um den Neumond, der diesen Tagen am nächsten war) und war damit das längste der Feste und das wichtigste. Es war das Fest der Krieger und des Kosmos.

„Fleisch, Bier, Nüsse und Wurst,
das steht Samain zu,
frohes Lagerfeuer auf dem Hügel,
Buttermilch, Brot und frische Butter.“ 
(aus Le Roux/Guyonvarc’h)

Alter Kelte: Druide, von Wiliam Stukeley, um 1740

Es war eine Zeit der Nicht-Zeit. Einmal im Jahr wurden die (gesellschaftliche) Ordnung und Struktur aufgehoben, das Chaos durfte herrschen. Männer verkleideten sich als Frauen, die Frauen als Männer. Die Hoftore wurden ausgehängt und in den Graben geworfen, Pferde fanden sich plötzlich auf fremden Weiden wieder, und auch damals schon drohten Kinder mit grausamer Rache, wenn die Wunscherfüllung ausblieb. Die ganze Gesellschaft hatte daran teil, wer nicht mitfeierte, würde sicher dem Wahnsinn verfallen. Es gab Versammlungen politischer, ökonomischer und religiöser Art; und teilweise feierten Männer und Frauen lieber getrennt. 

Was heute Halloween ist, war quasi der Silvesterabend, daher auch die Ausgelassenheit. Wie an Beltaine wurde am Vorabend alles Feuer gelöscht, damit das alte Jahr “gestorben” ist. Die Druiden geleiteten feierlich mit einem Feuerritual in die besondere Zeit. In der Nacht öffnen sich – wie gegenüber im Jahreskreis, am 1. Mai – die Grenzen zur Anderswelt, und der Kontakt mit den Toten wurde möglich. Allerdings wurden sie eher als eine Quelle der Führung und der Inspiration  betrachtet als eine Gruselshow. In der Dunkelheit kann man manchmal mehr sehen als im Licht … 

Das Vieh, vor allem die Schweine, für die man im Winter nicht mehr genug Futter haben würde, wurde geschlachtet, ihr Fleisch gesalzen und eingemacht. Die Toten werden geehrt und bewirtet, nicht als Verstorbene, sondern als lebendige, geliebte Geister, die als Hüter die Wurzelweisheit des Stammes schützen. Die Hügel, in denen die Götter, Helden und Elfen wohnen, öffnen sich, die beiden Reiche durchdringen einander. Es gibt Schauspiele über den rituellen Tod des Königs oder den gewaltsamen Tod eines Helden, der ein wichtiges Verbot übertreten hat. Es findet eine Vermittlung zwischen der menschlichen Welt und dem göttlichen Kosmos statt, Göttinnen und Götter machen bei der Gelegenheit mit Menschen Kinder. Die Festtage gehören weder dem alten noch dem neuen Jahr an, weder der einen noch der anderen Welt. In den Legenden finden zu dieser Zeit mythische und epische Schlachten statt, der Ulster Cycle strotzt nur so von Bezügen auf Samhain. 

In der Bretagne werden bis heute “kornigou” gebacken, kleine Kekse in Geweihform: Der Gehörnte Gott, Cernunnos, wirft sein Geweih ab, bevor er für den Winter in die Anderswelt geht. In manchen Gegenden mit gälischer Folklore wird bei Tisch ein Platz für die Toten gedeckt, oder es wird die Zukunft gedeutet. Die katholische Kirche wandelte den ersten und zweiten November in Allerheiligen und Allerseelen, an denen es immer noch eine Art der Gemeinschaft der Lebenden und der Toten gibt. 

Heute weiß kaum jemand in Mitteleuropa, dass das Fest einst hier zu Hause war, dann auswanderte, hier überlagert wurde und als Halloween eigentlich ein Re-Import ist. Heute ist es ein kommerzieller Fremdkörper, gegen den die Kirchen mit Reformationstag und Allerheiligen verzweifelt ankämpfen. Und die nordamerikanischen Kürbisse, die es im alten Europa gar nicht gab, haben die ausgehöhlten Rüben ersetzt, die vordem hierzulande verwendet wurden. Kurios ist auch, dass die Namen „Imbolc“, „Beltaine“ und „Lughnasadh“ in der deutschen Neo-Kelten-Szene einigermaßen gälisch-englisch ausgesprochen werden , aber Scha-UENN (nur eine Dialekt-Variante von vielen) zu sagen, traut sich keine/r – das klingt dann brav, wie es geschrieben wird, Sam-hain. ;-) 

Foto: Markus Baeuchle, Radierung: Wiliam Stukeley [ed0112010]