Wir stellen diese Mitgliedschaft selten in Frage: Wir beantragen die Mitgliedsausweise brav, wir verlängern sie regelmäßig und bezahlen genauso artig unsere Mitgliedsbeiträge in Form von Gebühren und Steuern. Die Staatsbürgerschaft, also die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat, ist heute dennoch ein Konstrukt, über das sich nachzudenken lohnt. Die Personalausweise und Pässe in unserer Tasche entscheiden zum Beispiel darüber, wohin wir reisen dürfen und wohin nicht (und auch, was mit den von uns bezahlten Mitgliedsbeiträgen geschieht).

Mit einem irischen Pass etwa darf die Inhaberin in recht viele andere Länder ein- und von dort auch wieder ausreisen. Der irische Passport gilt deshalb wie der deutsche als einer der leistungsstärksten Mitgliedsausweise der Welt. Gerade hat der Henley Passport Index* dem irischen Pass wieder einen globalen Spitzenplatz bestätigt: Er ist in der Hitliste der besten Pässe auf Platz neun weltweit. In den Nullerjahren lag Irland sogar lange auf Platz zwei. Das EU-Mitglied Irland gilt als ein politisch vergleichsweise neutrales Land, das im Konzert der Nationalstaaten wenig polarisiert.

Die größte Reisefreiheit gibt derzeit ein japanischer Pass, gefolgt von dem aus Singapur, Südkorea, aus Deutschland und Spanien, Finnland, Italien und Luxemburg. Mit einem irischen Pass kann man aktuell visafrei in 187 Länder reisen, mit dem japanischen in 193, mit dem deutschen in 190. Das aktuelle Ranking ist immer noch leicht von der Reisebeschränkungen der Pandemanie beeinflusst. Übrigens: Mit einem US- oder einem britischen Pass kommt man derzeit ohne Visum gerade einmal in 158 Länder, mit einem russischen in 119 und mit einem indischen in 57 Länder.

Die Staatsbürgerschaft entscheidet oft auch darüber, welche Hilfe man im Notfall im Ausland erwarten darf. Als der Flugverkehr im Frühjahr 2020 wegen der Corona-Maßnahmen kollabierte und Millionen Menschen im Ausland fest saßen, konnten sich irische und deutsche Staatsbürger zum Beispiel auf die Unterstützung ihrer Botschaften recht gut verlassen, während sich britische Bürger oft wochenlang im Regen stehen sahen.

Aufgrund der geopolitisch wie auch klimatisch sicheren Lage Irlands ist der Einreisedruck auf die Insel in den vergangenen Jahren ständig gestiegen – und damit auch der Run auf die Pässe. Mehr Menschen denn je aus dem nicht-irischen Ausland haben in den vergangenen zwei Jahren einen irischen Pass beantragt. Vor allem Brexit-geschädigte Briten erinnerten sich massenhaft ihrer irischen Wurzeln, aber auch desillusionierte Deutsche und Franzosen suchen verstärkt nach einem neuen Zuhause.

Die Wartezeit auf eine irische Staatsbürgerschaft durch Naturalisierung beträgt zur Zeit um die zwei Jahre, ob der Mitgliedschaftsantrag angenommen wird, ist ungewiss: Die Kosten für einen Erwachsenen belaufen sich auf 1200 bis 1500 Euro inklusive Gebühren und Anwaltskosten. Deutsche Bürger dürfen als in Irland lebende EU-Europäer mit der irischen eine zweite Staatsbürgerschaft annehmen – und können im Fall einer Bewilligung sogar das volle Wahlrecht in Irland genießen.

 

* Der Henley Passport Index wird jährlich berechnet. Er basiert auf den Passagierzahlen der International Air Transport Association IATA