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Die Veränderung wagen. Das neue Jahr noch jung, die Hoffnung frisch. Die guten Vorsätze unverbraucht. „Alle guten Vorsätze haben etwas Verhängnisvolles. Sie werden beständig zu früh gefasst.“ schrieb Oscar Wilde halb im Scherz, halb realistisch. Es heißt, dass sich das mit den Vorsätzen für das neue Jahr in der Regel Mitte Januar erledigt hat. Schade eigentlich, ist es doch die hoffnungsvolle Zeit im Jahr, wo die halbe Welt wie auf ein geheimes Kommando bessere Menschen werden will. Ich habe nach einer Gute-Vorsatz-Krise längst zum Ritual zurück gefunden, ich habe erneut welche gefasst. Der Wichtigste: Leuchttürme und Wege aus der großen Orientierungs- und Wahrheitskrise finden, die uns alle belastet.
Immerhin sind wir Menschen die einzigen Lebewesen auf dieser Erde, die das Privileg haben, sich ändern zu können. Der Mensch sei das Tier, das übt, hat der Philosoph Peter Sloterdijk einmal gesagt und damit auch gemeint, dass die guten Vorsätze dann gelingen, wenn wir die Veränderung gut einüben, wiederholen und langsam in unseren neuen Alltag integrieren. Natürlich gehört zum Ritual auch die kritische Bewertung und zur Not das ehrliche Eingeständnis, wenn es nicht geklappt hat.
Warum aber sollte es nicht klappen, sich zu ändern? Ich habe mir für das Jahr 2022 verschiedene Veränderungs-Experimente vorgenommen. Meistens geht es heute darum, ein Verhalten zu ändern, das uns zwar irgendwo gefällt, aber nicht gut tut, das auf Dauer mehr Nachteile als Vorteile hat, das unser Leben oder unser aller Leben beeinträchtigt, wenn nicht sogar gefährdet. Dem Körper zu viel Nikotin, Alkohol oder Zucker zuzuführen, sind wohl die Top-Drei-Gewohnheiten, die Menschen im Westen gerne beenden wollen. (Für manche zählt mittlerweile auch Comirnaty-mRNA dazu).
Die einzelnen Experimente dauern jeweils bis zu einem Monat
Mein Jahr des Aufhörens: Wandern macht den Kopf frei, Gehen inspiriert: Die Experimente des Beendens denke ich mir auf Küstengängen an Irlands Atlantik aus, so wie dieser Tage am Pipers Point mit Blick hinüber auf den Leuchtturm von Ardnakinna (Foto oben): Die einzelnen Experimente, so habe ich beschlossen, werden immer bis zu einem Monat dauern, und wer will, kann mit machen: Ein Monat ohne Plastik, ein Monat ohne Kaufen, ein Monat ohne Auto, ein Monat ohne . . . das könnten Experimente sein.
Der fällige Paradigmenwechsel in unserem Verhalten (zum Beispiel vom Ja- in den Nein-Modus zu schalten) beschäftigt mich seit Jahren. Nun hat der geschätzte Soziologe Harald Welzer ein inspirierendes Buch zum Thema geschrieben. Er plädiert für eine neue Kulturtechnik des Aufhörens als einem Weg zum guten Leben. (Harald Welzer: Nachruf auf mich selbst. 2021, erhältlich hier beim sozialen Online-Buchändler Buch7)
Meine Experimente des Aufhörens beginnen nach einem Dry January Anfang Februar hier auf Irlandnews. MitmacherInnen sind herzlich eingeladen und eigene Vorschläge willkommen.
PS: Allen LeserInnen noch einmal die besten Wünsche für ein gelingendes Jahr 2022: Soll es leichter, entspannter, fröhlicher und unbeschwerter werden.
Fotos: Markus Bäuchle © 2022
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Eine tolle Anregung, lieber Markus! Verzichten möchte ich nicht unbedingt, aber verändern schon. Oder wenn Veränderung Verzicht bedeutet, dann vielleicht doch.
Wir haben noch Sylvester mit unserem syrischen Freund Zoubi begonnen, ein wenig arabisch zu lernen. Das wollten wir, seit wir ihn begleiten – und haben es einfach nie gemacht. Jetzt können wir Zoubi schon mal auf arabisch begrüßen und (noch) muss ich von einem Zettel, der nun in der Küche liegt, im Vorbeigehen, spicken. ;) Aber wir bleiben dran, so schwer es uns auch fällt.. Und; Heute war ich beim Sport und froh, mich überwunden zu haben. Das sind erste kleine Änderungen in den ersten Tagen. ´
Womit ich „aufhöre“, überlege ich noch.
Danke für die Anregung!
Lieben Gruß
Gabi
Sehr geehrter Herr Bäuchle,
als ich vorgestern, aus einem Impuls heraus, auf Ihre Seite ging, um nachzusehen welche Seminare Sie in 2022 anbieten war ich traurig, dass es keine Angebote 2022 gibt. Ich wollte nachsehen, wie weit es vom Flughafen ist, ob es Angebote gibt, die körperlich nicht so herausfordernd sind….. Ich dachte, warum hast du es nicht vor 10 Jahren einfach probiert.
Meine körperlichen Einschränkungen eine seit 2006 zunehmende Dystonie (starke unwillkürliche Muskelkontraktionen, die meinen Kopf zu Seite und nach hinten ziehen) und dieses Jahr, nach einem ungeplanten Umzug wegen Eigenbedarf, erlitt ich einem schweren Bandscheibenvorfall mit NotOP, da das Bein und mein Fuß teils taub waren. Geblieben ist eine Fußhebeschwäche, inwieweit sich die Nerven wieder bilden ist ungewiss. Ich meldete mich für Ihren Newsletter an.
Umso mehr war ich positiv überrascht. Ihre Worte haben mich direkt erreicht. Ich spüre auch, dass Veränderung dran ist. Und dies möchte ich, ohne in direkten Aktionismus zu verfallen, sondern in Schritten, in denen die Seele mithält und auf vertrauensvoller Basis. Und vieles im Außen ist ungut wie eben Zucker, Alkohol,… Gifte in unserer Nahrung, Ausbeutung von Ressourcen, unser Verhalten,….Und auch im Inneren ist Veränderung wichtig, wie alte Muster verabschieden, Situationen nicht direkt bewerten, im Jetzt leben…. Weniger Ego, mehr Gemeinschaft.
Ich wünsche mir auch von Herzen Unbeschwertheit, Entspannung und Fröhlichkeit und würde mich gerne dem Weg anschließen, den ich nicht geplant habe. Ich sehe es als Chance und nicht als Muss. Und wer weiß, vielleicht resultiert daraus eine Veränderung, etwas Neues, Verbundenheit mit neuen Menschen und vielleicht irgendwann eine Reise nach Irland.
Ich wünsche Ihnen ein lichtvolles 2022 und freue mich auf neue Pfade voller Inspiration und Vertrauen.
Herzliche Grüße,
Mechtild
Willkommen zum Mitmachen, liebe Mechtild!
Lieber Markus,
alles mutige Vorsätze…
Ich nehme mir tatsächlich nie was vor zum neuen Jahr denn wenn ich was ändern will: warum bis zum Jahresanfang damit warten? Weil die Fitnesscenter dann mit günstigen Abos locken?
Ich bleibe da lieber bei meinem Glaubenssatz: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.
Und versuche, ganzjährig davon soviel wie möglich in meinen Alltag zu integrieren.
Ich halte es mit Churchill, no sports, aber dafür ist mein Garten mein Fitnesscenter. Rauchen und Alkohol trinken tue ich schon seit langem nicht mehr (letzeres mit seltenen Ausnahmen) und habe es nie bereut, auf Plastik versuche ich weitgehend zu verzichten, ohne „kaufen“ zu leben wäre für mich kein Problem denn ich hasse shoppen und bin somit wohl eine atypische Vertreterin des weiblichen Geschlechts, ohne Auto geht’s aus beruflichen Gründen leider nicht da ich stets mit umfangreicher Fotoausrüstung reise.
Zuviel Zucker, ja da hast Du mich erwischt, an dem Thema muss ich noch arbeiten. Aber nicht jezz im Januar, wo der Christstollen noch so gut schmeckt.. ;o)
Jedenfalls viel Erfolg, ich drücke die Daumen für die monatlichen Projekte des Verzichts und bin gespannt…
Happy New Year!
Elke
Liebe Elke, manchmal braucht es weniger Mut sich zu verändern als im Alten zu verharren.
„Verzicht“ klingt natürlich ganz übel. Da möchte ich gar nicht mit machen.
Es geht viel mehr darum, lustvoll etwas anderes auszuprobieren und dann ein
Stück Selbstmächtigkeit und Selbstbestimmtheit zu erleben.
Lieber Markus,
‚Der beste Verzicht ist der Verzicht auf den Verzicht‘, ich glaube dieses Zitat wird Oscar Wilde zugesprochen.
Für mich hat ‚Verzicht‘ allerdings keine negative Bedeutung wenn dieser freiwillig ist. Ganz im Gegenteil, ein Verzicht auf z.B. Nikotin kann nur positiv sein.
Dann wünsche ich lustvolles Ausprobieren auf dem Weg zu erlebter Selbstbestimmtheit.
„Der Mensch ist das Seil, gespannt zwischen Tier und Übermensch. Auf, Lasset uns zum Übermenschen werden!“ Mit dem etwas problematischen Begriff Übermensch meinte der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche allerdings eher das symbolische Ideal eines griechischen Helden, der sämtliche positiven und erstrebenswerte Charakterzüge des besten Menschen vereint. Vielleicht muss das Ideal gar nicht so hoch hängen. Sich bewusst zu sein, dass man sich ändern kann, gehört schon in den Bereich der Weisheit, welcher vielen verschlossen bleibt.
Meine Klimmzüge an diesem Seil sind mehr oder weniger erfolgreich und beziehen sich auf Bewegung und Alkoholkonsum.
Da momentan ein Großteil meines Lebens eh aus Verzicht besteht, ginge es für mich aber eher in die andere Richtung: endlich mal wieder aus dem Vollen schöpfen, positive Energie verschwenden und eventuell etwas mehr Dyonisisches. Mit den guten Vorsätzen hatte ich nie wirklich Probleme (zB. zum Milleniumswechsel mit dem Rauchen aufgehört), denn irgendwo gestaltet ja auch der Geist die Wirklichkeit, in der wir leben möchten.
Allen einen guten energievollen Start in die kommende Zeit.
Patrick
Lieber Patrick, nichts gegen den verehrten Dionysos, der erst durch den Gegenpol Apollon seine ganze Bedeutung erhält.
Mir geht es nicht um Selbstverbesserung, sondern um die Kultivierung der Veränderung.
Und natürlich hilft ein klarer Kopf dabei schon. Sehen wir uns dieses Jahr wieder? (Diese Art von verordneter Diät muss endlich aufhören).
Markus