Essengehen auf Irisch

 

Essen gehen auf Irisch: Seit jeher finde ich es verwunderlich, wie unvorbereitet irische Restaurant-, Hotel- und Café-Inhaber junge Menschen im Service auf die Kundschaft los lassen. Viele Betriebe geben sich keinerlei Mühe, ihre Mitarbeiter gut auszubilden, oder sie wenigstens ordentlich in ihre Arbeit einzuführen. Ergebnis: Die jungen, meist schlecht bezahlten Kellner, Barmänner, Serviererinnen und Saaltöchter sind schnell genauso frustriert wie die schlecht bedienten Gäste. 

Seit einigen Jahren beobachte ich eine noch beunruhigendere Entwicklung. Die ohnehin meist mediokre Service-Qualität sinkt, einer Nullfolge gleich, in vielen Restaurants ins Bodenlose. Ich stellte mir eine Zeitlang vor, den überwiegend jungen Leuten fehlte einfach die Motivation, ihren Job gut machen zu wollen und auch gut zu machen. Dann merkte ich, dass viele gar nicht anders können als ihn schlecht zu machen.

Gestern beschloss ich, zur Erholung eine Zeitlang nicht mehr auswärts essen zu gehen. Wir hatten in einem Café der Region eine Kleinigkeit bestellt: Zwei Toasties, eine Tasse Kaffee, einen Tee, ein Stück Kuchen. 32,50 €. Über den skandalösen Preis möchte ich mich angesichts der Tatsache, dass ein Pint Guinness in Temple Bar mittlerweile knapp zehn Euro kostet, gar nicht beschweren; die Preise hingen zudem aus. 

Im Café war nichts los, wir saßen draußen an der Straße und genossen die Sonne – wie die Eigentümerin des Ladens, die am Nebentisch an ihrem Smartphone spielte. Die Arbeit machte eine junge Frau. Der Imbiss kam nach einer halben Stunde doch noch. An der Kaffeetasse klebten die Flecken früherer Benutzer. Für die fettigen Toasties, serviert mit ein paar Kartoffelchips, gab es kein Besteck, ok ist ja Finger Food, und keine Serviette. Die Zwiebeln für das Käse-Tomaten-Zwiebel-Toastie waren ausgegangen. 

Für den Tee gab es keinen Zucker. Als meiner Begleiterin der Tee sehr dünn erschien, stellten wir fest, dass im Tee gar kein Tee war. Die junge Frau hatte heißes Wasser im Teekännchen serviert. Oh sorry. Der Teebeutel wurde nachgereicht. Das Stück Kuchen holten wir schließlich selber in der Küche ab, nachdem es keine Beine hatte, um zu uns zu kommen. 

Zum Bezahlen, 32,50€, gab ich der Bedienerin 52,50€, in der Hoffnung, meine kleine Geldbörse zu entlasten. Sie kramte und raschelte eine gute Minute im Kleingeld der Kasse und reichte mir dann mit fragendem Blick 17,50€ zurück. 

Das war der Moment, als ich beschloss, lieber sieben Tage in der Woche selber zu kochen, als mich weiterhin in Restaurants der Gegend unfreiwillig amüsieren zu lassen. Dass man beim simplen Vorgang des Servierens eines Imbisses sieben mal patzen kann, hatte ich mir bis dahn nicht vorstellen können. Dass die Erfolgsquote bei zwei oder drei aus vier liegt, das sind wir gewohnt: Mal fehlt das Besteck, mal die Serviette, mal beides; mal ist das Essen kalt, mal kommt das Getränk nicht mit, mal die bestellte Beilage. 75 Prozent sind doch auch ein gutes Ergebnis . . .  

Einge Tage zuvor hatten wir in einem der vermeintlich besten Food-Tempel des irischen Südwestens unser Glück versucht. Der Fish Cake bestand aus nahezu lupenreinem Kartoffelbrei, die Seafood Broth kam kalt an – dafür ohne Krabben, die ausgegangen waren. Die Portion: winzig; die Brühe eine kleine kalte Pfütze im riesigen Teller. Die Frau an meiner Seite spottete: „Das teuerste Schlückchen salziges Wasser mit Paprikageschmack, das Du je gegessen hast“ (14,50€). Der junge Kellner war immerhin bei der Sache, doch satte Preise für schlechte Qualität lassen sich auf Dauer auch nicht völlig ignorieren. 

Ich habe mal mitgezählt: Ich trinke den Kaffee ohne Zucker und ohne Milch. Bis das Trump-Regime den Golf von Mexiko stahl, hatte ich immer Americano black, no milk, bestellt. Nun holen wir uns den Kaffee zurück. Neuerdings ordere ich a cup of coffee, black, no milk please. Bitte ohne Milch. Ob nun Americano oder Kaffee: Bei neun von zehn Bestellungen wurde mir das schwarze Getränk mit Milch serviert. Mein Englisch ist wirklich nicht schlecht und ich mache mich in der Regel gut verständlich.    

Wir haben viel gelesen über die TikTok-Gehirne der Generation Z. Konnten sich unsere Eltern noch vier bis sechs Stunden auf eine einzelne Aufgabe konzentrieren, so ist die Aufmerksamkeitsspanne vieler mit sozialen Medien aufgewachsenen jungen Menschen der Jahrgänge 1995 bis 2012 auf unter zehn Sekunden geschrumpft. Sie nehmen das Leben offensichtlich als eine Abfolge von Kurz-Videos, von Reels und Shorts wahr. Alle paar Sekunden etwas Neues. Vergangen und vergessen, was vor einem Augenblick war.  

Ich verachte das Früher-war-alles-besser-Gejammer. Vielleicht sollten wir uns doch anpassen. Vielleicht sollten wir dem irischen Gastronomie-Gewerbe noch eine Chance geben: Ich könnte schneller sprechen und meine komplette Bestellung in maximal acht Sekunden aufgeben.

Auf-geben. Ach ja. 

Foto: Eine Pfütze Broth;  Eliane Zimmermann

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