UKW Radio

 

Reise in die Vergangenheit. Vor ein paar Wochen habe ich auf Deutschlandbesuch im Keller meiner Eltern nach dem alten „Kofferradio“ der Familie gesucht. Ein Schaub Lorenz. Es musste wohl schon vor über 20 Jahren die Küche zugunsten von moderner Technologie verlassen. Ich habe es gefunden und ein Minivermögen in klobige D-Batterien, die Energieträger aus einer anderen Zeit, investiert. Das Radio leuchtete noch, aber es sprach nicht zu mir. Es ließ sich nicht wiederbeleben. Also klapperte ich deutsche Elektronikmärkte nach einem einfachen, kleinen, batteriebetriebenen UKW-Radio ab. Ausgestellt werden diese Ur-Medienträger nicht mehr. Ein fachkundiger Verkäufer bestellte mir nach einiger Online-Recherche ein batterie-betriebenes Grundig-Radio mit Antenne und Drehrad für Lautstärke und Senderauswahl (Preis: 39,90€). Dass der gute Mann zeitweilig die Augen verdrehte, sollte mir wohl klarmachen, dass ich aus der Zeit gefallen war (oder schlimmer). Ein UKW-Radio mit Batterien in Zeiten von Digital Audio Broadcast und Streaming?

Ich hatte Gründe. Am frühen Morgen des 24. Januar 2025 saß ich durchnässt in meinem Auto in der Einfahrt zu unsrem Haus. Ein zorniger Wind zerrte an dem Fahrzeug und hätte es gerne aufs Dach gedreht. Es goss wie aus Kübeln. Ich hatte das Autoradio eingestellt, um zu erfahren, was dieser übel wütende Sturm mit Namen Éowyn auf der Insel Irland und insbesondere in unserer Gegend im Südwesten angerichtet hatte und an diesem aufziehenden Freitag immer noch anrichten könnte. Das Radio war tatsächlich meine einzige Einwegverbindung zur Außenwelt.

Heftige Stürme sind in irischen Wintern an der Atlantikküste keine Seltenheit. In manchen Jahren fegen sechs bis acht ausgewachsene Orkane über die Insel. Wir sind darauf vorbereitet, bleiben dann in den Häusern und ducken uns, so gut wir können. Es hatte einige Jahre keine heftigen Stürme gegeben, und als Éowyn ím Januar über uns herfiel, ging mein Griff nach dem guten alten schwarzen Mini-Radio ins Leere. Es war verschwunden. Verschwunden wie der Strom, das Internet, das Mobilfunk-Signal, das Licht, die Heizung, das Wasser. Und damit natürlich Fernsehen, Internet-News, alle Kontakte zu Familie, Freunden, zur Außenwelt. So saß ich am Ende tropfnass im Auto und hörte RTÉ-Radio, um ein paar Informationen  aus der Welt da draußen zu empfangen.

Ich verzichtete darauf, dem Fachverkäufer im deutschen Elektronikmarkt zu erklären, warum ich so wild auf einen Minisaurier der Medientechnologie war: Am Ende funktioniert nichts mehr, außer das batteriebetriebene UKW-Radio. Wenn man nicht gerade in der Schweiz lebt, wo dann gar nichts mehr geht. Die technologieverliebten Eidgenossen haben das analoge Radio mittlerweile zugunsten des digitalen Radios abgestellt. Es kann sehr gut sein, dass die Alpenländler sehr bald zurückrudern werden – so wie die Skandinavier, die so stolz waren, das Bargeld fast schon abgeschafft zu haben. Die sich häufenden großflächigen Stromausfälle, neudeutsch Blackouts, hinter denen auch leicht mal der große Nachbar aus dem Osten stecken kann, ließen Schweden und Norweger den Bargeld-Ekel schnell vergessen.

Vorgestern waren ganz Spanien und Portugal einen ganzen Tag lang ohne Strom. Einen Tag nur. Die Leute im Süden blieben gelassen und hörten Radio. Und nein, in Deutschland kann so etwas natürlich nicht passieren – bis plötzlich die Bahn die unpünktlichste in Europa ist und alle Brücken bröckeln . . .

Foto: Markus Bäuchle

 

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