Eine der Lieblingsbeschäftigungen des Wanderers ist es, das ländliche Irland im Südwesten und Westen der Insel zu preisen, weil es ihm selber hier so gut gefällt. Genau genommen ist dies ein idealer Lebensort für Menschen, die mit einer gewissen Reizarmut und mit sich alleine gut klar kommen – und die jünger als 15 oder älter als 40 Jahre sind. Kinder wachsen hier, fernab von den Gefahren der Stadt, behütet und mit viel Freiraum auf. Erwachsene können Ruhe in ihrem Leben einkehren lassen. Vielen Jugendlichen und jungen Leuten allerdings erscheinen West-Cork, Süd-Kerry oder West-Clare wie große öde Wüsten in Grün, denen es möglichst schnell zu entfliehen gilt.
Fragt man junge Iren in Bantry oder Castletown, was sie in ihrer Freizeit so machen, kommt gerne die Antwort: „Not much, really“. Dass sie an Freitagabenden oder Wochenenden nicht viel anstellen, liegt schlicht am fehlenden Freizeitangebot. Das Leben in den kleinen irischen Landgemeinden ist für Jugendliche meist noch eintöniger als das im Bayrischen Wald oder hoch oben im Schwarzwald.
Nehmen wir den Alltag eines Jugendlichen in Glengarriff, West Cork. Welche Möglichkeiten hat er im eigenen Ort? Die Macht im Dorf ist die GAA, alles dreht sich hier um Gaelic Football. Wer diesen ur-irischen Ballsport nicht mag, ist dumm dran. Er kann im Sommer Golf spielen, kann der Theatergruppe beitreten, kann einmal die Woche asiatischen Kampfsport üben, irischen Tanz lernen oder in der ferienlosen Zeit am Freitagabend den Jugend-Club in der Gemeindehalle besuchen. Manche Eltern rechnen auch die kirchliche Tätigkeit als Ministrant zu den Freizeitbeschäftigungen , und wer sich frühzeitig in eine Alkoholabhängigkeit trinkt, könnte bei den Anonymen Alkoholikern mitmachen, die sich regelmäßig in der Gemeindehalle treffen. Das wars dann aber.
Schwimmer, Leichtathleten, Fußball-, Basketball- oder Rugby-Spieler müssen gleich mit 30 Kilometer Fahrt pro Training rechnen, und wer sich in der Gegend ins Nachtleben stürzen will, wird schnell verwundert feststellen, dass es – außer dem Rumlungern vor den Pubs oder am Spielplatz – keines gibt. Zumindest nicht für junge Leute.
Das Angebot für Jugendliche ist also sehr übersichtlich. Meist liegt das daran, dass die entsprechenden Einrichtungen fehlen: Die Zentralstadt Bantry verfügt bis heute nicht über eine Sporthalle. Von einem öffentlichen Schwimmbad, einer Leichtathletik-Anlage oder einem Skaterpark ganz zu schweigen. Der Boy´s Club aus den 50er-Jahren mutet zwar romantisch an, kann die Lücke aber nicht annähernd schließen. Auch Schulsport findet in Bantry nur statt, wenn das Wetter einen Aufenthalt im Freien (auf dem aspahaltierten Schulhof!) zulässt.
Spartanischer noch die Ausstattung mit Freizeitanlagen in den umliegenden Dörfern: In Glengarriff wird der alte Überseecontainer, der seit drei, vier Jahren am Sportplatz steht und als Toilette und Umkleidekabine dient, als Fortschritt gefeiert. Davor gab es die Büsche. Und das Zentrum des Gemeindelebens ist die „Community Hall“ – ein Gebäude am Friedhof, das bis 1902 Dorfkirche war, dann zur Totenhalle umfunktioniert wurde und schließlich in heruntergekommenem Zustand von Bürgern aus den Fängen von Bauunternehmern gerettet und zur „Hall“ umfunktioniert wurde. Diese Hall, ein kleines, bescheidenes Gebäude, ist äußerst wichtig für die Menschen im Dorf. Dort können sie sich treffen, wenn es kalt ist oder regnet, dort können sie Theater, Bingo, ein bisschen Fußball spielen und feiern.
Der Celtic Tiger vermittelte gerne den Eindruck, Irland sei nun das wohlhabendste Land Europas. In den 15 Jahren, in denen sich viele Taschen auf sagenhafte Weise füllten, floss allerdings nur spärlich Geld in den Aufbau eines landesweiten Infrastruktur. Jetzt ist kein Geld für öffentliche Investitionen mehr da, und die Regierung müsste sich eine völlig gescheiterte Infrastrukturpolitik vorhalten lassen.
Wo sich nicht Bürger zusammentun und für Einrichtungen wie eine Gemeindehalle aktiv eintreten, geschieht meistens gar nichts. So gehört die Gemeindehalle in Glengarriff offiziell dem Bischof von Kerry. Gepflegt, geputzt und repariert wird sie aber von einer Bürger-Initiative, die Jahr für Jahr mit Spendenaktionen das nötige Geld eintreiben muss, um den Unterhalt des Gebäudes zu finanzieren.
Die aktiveren Menschen im Ort haben sich nun vorgenommen, dass auch am Sportplatz ordentliche sanitäre Anlagen, Umkleidekabinen und vielleicht irgendwann sogar eine kleine Sporthalle gebaut werden. Das „Fundraising“ für das Großprojekt hält die engagierten Bürger nun schon seit zwei Jahren auf Trab, und nur durch derlei Spendenaktionen wird am Ende das Geld für den Bau zusammenkommen. Vom Staat ist nicht viel Initiative zu erwarten – im günstigen Fall gibt er einen Zuschuss, wenn der Tisch bereits gedeckt ist. Wie Fundraising, die Beschaffung von Geld durch Spendenaktionen in Irland funktioniert? Morgen auf diesem Blog.
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