Gestern nacht im Pub zwei spannende Diskussionen: Der Wanderer will wissen, warum es in Irland – im Gegensatz zu Griechenland oder Island – keine Massenproteste gegen den finanziellen Ausverkauf des Landes und dagegen gibt, dass die Bürger die Schulden der Banken bezahlen sollen. Immerhin sind viele Iren stolz auf ihren anarchisch-rebellischen Ruf, dem sie derzeit so gar nicht gerecht werden.

© Markus Bäuchle, Wanderlust

Plausible Antwort: Die Mittelschicht hat erst mal gewählt und hofft, dass die neue Regierung vieles anders macht. Noch wichtiger: Bei den sozial Schwächeren im Land ist die Krise noch gar nicht angekommen: Die Sozialhilfe-Leistungen (“the dole”) wurden bislang kaum gekürzt, Deflation und Preissenkungen haben mögliche Verluste mehr als ausgeglichen. Vor allem aber: Die Iren haben erstmals gelernt, Preise zu vergleichen und sparen dadurch viel Geld.

Überraschend, aber plausibel: Bis vor zehn Jahren gab es im irischen Dorf das Lebensmittelgeschäft, der Monopolist im Ort diktierte die Preise, man und frau hatte keine Wahl. Man kaufte, was da war zum Preis, der nachgefragt wurde. Dann kam der Keltentiger – und Paddy und Mary zahlten für Milch, Fleisch, für Autos und Häuser fast  jeden Preis. Sie kauften, was direkt vor Ihrer Nase auftauchte. Preis egal. Das “One-Stop-Shopping” hat nun ein Ende, es gibt Auswahl und es gibt Konkurrenz – und erstmals haben auch irische Konsumenten die Gelegenheit, sich als mündige preisbewußte Verbraucher zu verhalten und zu sparen.

Die Kehrseite der Medaille: In diesem Jahr wird die Wirtschafts-Krise auf weite Teile der Bevölkerung merkbar durchschlagen. Was dann?

Die zweite Diskussion des Abends: Viele Iren wollen unbedingt wissen: Haben die tausende Negatvischlagzeilen über Irland in den vergangenen zwei Jahren dem Land geschadet? Sind die Iren jetzt die hässlichen schwarzen Schafe der großen europäischen Famlie? Hat Irland es vermasselt? (“Are we f***ed?”) Werden die Touristen die Grüne Insel in diesem Jahr meiden, weil Deutsche und Franzosen keine Lust haben, die Schulden der Iren zu bezahlen und diesen dann auch noch ihr Urlaubsgeld zu spendieren? Die professionellen Tourismuswerber Irlands sagen erwartungsgemäß: Der gute Ruf Irlands in der Welt hat nicht gelitten, im Gegenteil, es kommt nun noch ein Mitleids-Bonus obendrauf. Die Freunde im Pub sind da nicht so sicher: Sie haben Angst um den guten Ruf, Angst, nicht mehr die Darlings der Welt zu sein.

Was meint Ihr? Hat der Ruf Irlands gelitten? Hält die Wirtschaftskrise Menschen davon ab, auf die Insel zu fahren?