Läuft die Nase, kratzt der Hals, steigt die Temperatur ein wenig? Flugs packt die besorgte Mammie ihren James oder ihre Julie ins Auto und tuckert zum Hausarzt, dem General Practitioner, kurz GP. Das Ergebnis ist meist dasselbe: James und Julie schlucken dann fünf, sechs Tage lang Penicillin und Konsorten –  denn Irlands Ärzte lieben Antibiotika. Die nebenwirkungsträchtigen Bakterien- und Infektkiller gelten als Allzweckwaffen im täglichen Kampf um die Gesundheit, und manche besorgte Eltern sprechen von “ärztlich verordnetem Medikamenten-Missbrauch”. Denn meist ginge es auch ohne Antibiotikum.

In dieser Woche sorgen andere bittere Pillen für Schlagzeilen in den irischen Medien: die Statine, oder Cholesterinsenker. Der moderne Lifestyle der Irinnen und Iren mit viel und viel fettem Essen und wenig Bewegung hinterlässt seine Spuren längst in den Statistiken über Volkskrankheiten und Todesursachen. Gefäßerkrankungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle zählen in den Zeiten von Friteuse und Fast Food zu den bevorzugten Krankheiten auf der Insel.

Die Ärzteschaft hat sich offensichtlich darauf eingestellt und arbeitet auch auf diesem Gebiet vorausschauend und in der Breite prophylaktisch – sehr zum Missfallen von Dr. Risteard Mulcahy, einem führenden Herzspezialisten des Landes. Der polterte nun schlagzeilenträchtig:* “Unsere Doktoren verteilen Cholesterinsenker wie Smarties”. Mulcahy meint: Viel zu viele Iren greifen zu Lipitor und ähnlichen Lipidsenkern, und viel zu viele konsumieren davon viel zu viel. Die Zahl wird auf eine Viertelmillion geschätzt.

Mulcahy ist ein Spezialist für Blutfett und Stoffwechsel. Mit seiner Meinung erreicht er allerdings längst nicht die breite Bevölkerung. “Warum sich wie ein Kaninchen ernähren, sich beim Sport kasteien und auch noch auf die schönen Burger verzichten, wenn die vermeintliche kleine Wunderpille das Cholesterol auch im Zaum halten kann?” denken viele Wohlstands-Iren und lassen sich lieber die Lipid-Smarties von Pfizer und Co. verschreiben. Dass die Statine ernsthafte Nebenwirkungen haben, wird dabei gerne verdrängt.

* Quelle: RTE