In God´s own Country. Ja, hier leben wir, in God´s own country, in Gottes Heimatland, wie die Iren ihr Land gerne bezeichnen – allerdings nur, wenn die Sonne scheint. Die irische Redewendung besagt: Ireland is God´s own country when the sun shines. Der Sommer ist zurück, die Temperaturen klettern täglich über 20 Grad und Gott muss schon deshalb nicht an seinen Ferienwohnsitz jenseits der Irischen See, ins göttliche Frankreich flüchten – zumal das Land nicht auf der Grünen Liste steht.

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A propos Covid-19: Zur Grünen soll sich nun doch noch eine Rote Liste der Länder gesellen, aus denen nicht nach Irland eingereist werden darf. Oberste Anwärter für die Rote Karte sind die USA und Brasilien. Lange hatte sich die irische Regierung geweigert, die inzwischen etablierten EU-Reiseregeln anzuerkennen. Sie eiert seitdem auf dem Sonderweg mit einer seltsam bizarren Grünen Liste der nun noch zehn Länder herum, aus denen in Irland eingereist werden darf, ohne dass man/frau 14 Tage in Quarantäne gehen muss. Derweil steigen die Fallzahlen positiv Getesteter in Irland kontinuierlich, was eine Grüne Liste Tag für Tag zweifelhafter macht. Es sind soziale Brennpunkte, die die Statistik verderben: Schlachthöfe, Fleischfabriken und die für Irland so beschämenden Kasernen für Asylbewerber (Direct Provision Centers). An diesen Orten hat auch Gott keine Dependance.

 

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Vielleicht gehen die getreuen Diener von Jehovas Zeugen an diese Orte. Ja, es gibt sie auch in der einstigen katholischen Bastion. Sie nehmen ihren Auftrag sehr genau und dienen völlig Erfolgs-unabhängig. Ein Bekannter missionierte hier in der Gegend fünf Jahre lang für Jehova. Er kennt nun jede Straße, jeden Feldweg, jedes Haus und jede Eingangstür. Im Städtchen Bantry steht eine Regionalkirche der Jehova´s Witnesses. Sie nennen ihre Kirchen Königreichssaal, und sie missionieren schweigend in den Fußgängerzonen der Welt. Auch die Zeugen werden sich etwas einfallen lassen müssen, wenn die Innenstädte nun aussterben und die Menschen nicht mehr zum Einkaufen in den Städten flanieren. Werbung auf Amazon-Paketen könnte die Lösung sein. Doch Ernst beiseite, die Zeugen haben sich angesichts von Corona längst umstellen müssen. Sie missionieren jetzt per Whatsapp und Messenger. “Hi Marcus, do you consider yourself to be a spiritually inclined person?”

Ich habe meinen Bekannten einmal gefragt, um wieviele Menschen die Gemeinde in Bantry in den fünf Jahren seines Engagements gewachsen sei. Damals habe ich angefangen, mich mit Postwachstums-Konzepten zu beschäftigen. Ein gutes Leben ohne Wachstum ist möglich, solange die Kasse stimmt.

 

 

Auch Albert Einstein, der Physiker, wurde einmal gefragt, ob er an Gott glaubt. Einstein antwortete: “Ich glaube an Spinozas Gott”.  Der Philosoph Baruch de Spinoza, ein Niederländer mit portugiesisch-jüdischen Wurzeln (1632-77), ist gerade wieder groß im Kommen. Gemäß Spinozas pantheistischem Gottesbild könnte der Jehova zu den Menschen sagen:

 

Hört auf zu beten.
Geht hinaus in die Welt und genießt das Leben.
Genießt, singt, erfreut Euch an allem, was ich für Euch gemacht habe.

Hört auf, in diese dunklen kalten Tempel zu gehen, die Ihr selbst gebaut habt, und von denen Ihr sagt, sie seien mein Haus.
Mein Haus liegt in den Bergen, in den Wäldern, Flüssen, Seen und Stränden. Dort lebe ich, und dort drücke ich meine Liebe zu Euch aus.

 

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John Spillane, der irische Barde aus Cork, hat auch der Bantry Bay ein musikalisches Denkmal gesetzt. Er muss an Spinoza gedacht haben, als er Gortatagort schrieb, ein Lied über den Geburtsort seiner Mutter hoch über der Bantry Bay. Dort . . .

 

Where the Red Fuchsia weeps in the Hen’s Garden
And where God goes to sleep in the Hills and Valleys
And the Moon rises over the Haggard
And Peace descends on Gortatagort
And the Angels bleed over Bantry Bay

 

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In God´s own bay. Wenn ich den Flügelschlag des Falken höre, wenn ich in unserer Bucht die Delfine sehe, wie sie stundenlang synchron ihre ruhigen Bahnen ziehen, dann bin ich ganz bei Spinoza, bei Einstein, bei Gott, beim Falken und den Delfinen . . .

 

Fotos: Antje Wendel