Skellig Michael

Skellig Michael von oben

Die Zeiten ändern sich tatsächlich. In der ausgehenden Ära des Feminismus und unter dem Eindruck der aufziehenden Gender-neutralen Gesellschaft verwandelte sich in diesem Jahr Kino-Super-Macho James Bond in einen um sich schlagenden Freak, eine gebrochene Figur des Scheiterns, verraten von Freund und Feind. Der neue Bond-Song, wahrlich keine Hymne und gar nicht cool: Writing’s On The Wall von Sam Smith könnte vielleicht beim European Song Contest reussieren. Die Zeichen der Zeit aber sind zu hören: Erstmals sang ein offen schwuler Gesangsstar das Lied von 007 Bond. Chapeau.

Nächster Schlag für die harte Männerwelt: Die Ikone des Maskulinismus, der Pirelli-Nacktschnecken-Kalender, geriet in die Hände einer begnadet fotografierenden Emanze: Annie Leibovitz machte aus dem begehrten Spind-Objekt (Projektname: Nackte Frauen-Busen verkaufen Autoreifen an triebgesteuerte Männer) ein Statement der selbstbewussten Frau. Taffe Persönlichkeiten wie Patti Smith, Yoko Ono, Serena Williams und Amy Schumer  standen für den Pirelli Cal 2016 ihre Frau. Stark! Damit nicht genug . . .

Am Freitag den neuen Star Wars im Gate in Cork geschaut. Und verstanden, welche Macht da gerade erwacht.  War in den Anfangszeiten des anschwellenden Kults Leia Organa (Carrie Fisher) die einzige Frau weit und breit, so übernimmt nun in Episode 7 erstmals eine Frau die Helden-Rolle: Rey (Daisy Ridley) spielt sich wie eine aus Lara Croft importierte Super-Woman in die höchsten Sphären der intergalaktischen Aufmerksamkeit, während Luke Skywalker im rustikalen Leinen-Hoody auf den Skelligs vor der Küste von Kerry eine Auszeit nimmt vom anstrengenden Helden-Dasein.  Wobei wir endlich beim Thema Irland wären.

Axel Mayer_.Adams ApfelFast. Denn an dieser Stelle will ich mir einen Buch-Tipp nicht verkneifen, der die politisch heiß laufende Gender-Debatte auf angenehmste Weise erfrischt und uns daran erinnert, dass dieses eine kleine Prozent (1%) Unterschied zwischen Frau und Mann im genetischen Code unser Leben auf unvergleichliche Weise bereichert und es bisweilen zum Himmel und dann wieder zur Hölle macht. Der Evolutionsbiologe Axel Meyer schreibt in Adams Apfel und Evas Erbe pointiert über den biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau, über die Macht und die Grenzen unserer genetischen Anlagen. Ein provokative Stellungnahme eines bekannten Wissenschaftlers im Diskurs um Geschlecht und Gender, das biologische und das soziale Geschlecht der Menschen. Super-Food zum Nachdenken in den vor uns liegenden stillen Tagen . . .

Gender Neutrality

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Aber nun endlich zu unserem Thema: Irland. Wenn Luke Skywalker in mönchischer Pose auf der geheimnis-umwitterten Felseninsel Skellig Michael über den Atlantik blickt, wenn die junge Heldin Rey die in den Stein gehauenen Stufen hinauf zum 1400 Jahre alten Eremitenkloster eilt, um den Vor-Ruheständler Luke mit dem blauen Lichtschwert zurück in den Kampf zu locken, dann möchte man der irischen Regierung fast verzeihen. So schön sind die Bilder . . .

Verzeihen dafür, dass sie diesen kostbaren einsamen Ort aus schnöden kommerziellen Interessen an Lucas-Disney-Lego und die größte Marketing-Kampagne, die die Welt je gesehen hat, verscherbelt hat. Zwei mal, im vergangenen und in diesem Jahr, haben die Sternen-Krieger bereits auf Skellig Michael gedreht und dabei drastisch in die Biosphäre der nur von Seevögeln bewohnten Felseninsel, einem UNESCO-Weltkulturerbe, eingegriffen. Es geht um Ruhm und Tourismus-Euros, und da kam den Regierenden in Dublin die Anfrage aus Hollywood gerade recht.

Wer die Skelligs in der Episode 7 von Star Wars sehen möchte, muss sich über 130 Minuten lang gedulden. Erst ganz am Ende rückt einer der faszinierendsten Orte Irlands, Europas, ja der Welt ins Breitwandbild. Und weil die Episode 7 dort oben auf dem Klosterfelsen endet, sind wir ziemlich sicher, dass Episode 8 genau dort fortgesetzt wird.

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Blarney Castle

Blarney Castle, Home of the Blarney Stones

Von Ikone zu Ikone: Auch Blarney Castle zählt zu den Top Ten der Tourismus-Attraktionen Irlands. Besonders amerikanische Touristen streben dem Ziel nach, einmal im Leben den Blarney Stone zu küssen. Der Sage zufolge wird mit größter Wortgewandtheit und Sprachgewalt belohnt, wer einmal den Stein von Blarney geküsst hat. So legen sich Irlandnews.comjedes Jahr tausende Besucher unter Aufsicht auf den Rücken, um den sagenumwobenen Stein in der Schlossmauer kopfüber mit ihren Lippen zu berühren. Was die meisten nicht wissen: Keiner – den Schlosseigentümer eingeschlossen – weiß genau, welches der Stein der Wortgewandtheit wirklich ist. In den letzten 200 Jahren gab es mindestens drei Kandidaten an verschiedenen Stellen in der Mauer. Doch der Zweck heiligt auch hier das Unwissen und die Mittel.

Noch weniger wissen die Steine-Schmürzler übrigens um das feuchte Geheimnis des Blarney Stone. Ein Wikipedia-Eintrag berichtet immerhin von einer unbewiesenen Urban Legend, der zufolge Kinder und Jugendliche aus Blarney mit Vorliebe nachts auf genau den Stein pinkeln, den anderntags die Touristen busserln. Unbewiesen? Na, Mick Flannery-Fans wissen mehr. Kürzlich bei einem Open-Air-Konzert auf dem Kontinent stellte sich Mick dem Publikum vor als: “I am from Blarney“, was einen Zuschauer zum Zwischenruf animierte: “Blarney Stone“. Mick fragte zurück: “Did you kiss the Blarney Stone” —  der Zuhörer bejahte mit einigem Stolz in der Stimme. Nein, er selber habe den Blarney Stone nicht geküsst, antwortete Mick Flannery, aus gutem Grund nicht geküsst. Denn wer in Blarney aufgewachsen sei, habe anderes mit dem Stein gemacht, nämlich . . . Genau. Womit der moderne Mythos in den Rang einer Tatsache befördert wurde und wir an dieser Stelle niemandem mehr guten Gewissens raten können, mithilfe billiger Lippen-Bekenntnisse nach Sprachgewalt und Wortgewandtheit zu streben. Zumindest nicht in Blarney.

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Mick Flannery unplugged in Castletownbere

Mick Flannery unplugged in Castletownbere

Besagter Mick Flannery, mit 32 Jahren einer der besten Singer/Songwriter Irlands, wird an Silvester wieder ein mutmaßlich ausverkauftes Opera House in Cork unterhalten — es mit seinen melancholischen Balladen in die Depression und zu den Prozac-Vorräten treiben, wie er das sagt. Ganz sicher sind die eher leisen, sanften und seelentiefen Auftritte Flannerys ein angenehmes Kontrastprogramm zum schrill-lauten irischen Silvester-Standard-Programm.

Noch leiser, sanfter und tiefer als ohnedies zeigte sich Flannery Freitagnacht bei einem intimen Auftritt vor 50 Gästen in der Sarah-Walker-Gallery am Hafen in Castletown-Berehaven. Ohne Werbung, ohne Mikrofon und ohne Band sang Mick mit Gitarre und Keyboard vor allem frühe Lieder. Und I own You, eine köstlichen Kostprobe von seinem neuen Album, das im März oder April erscheinen soll. Im neuen Song, einer kraftvollen zornigen Nummer, geht es um das Thema arme und reiche Menschen. Ich freue mich drauf.

Mit seiner zweiten Zugabe erinnerte Mick übrigens an das Image, das man ihm einige Jahre lang gerne zugeschrieben hatte: Er sei der Tom Waits Irlands. Ist er natürlich nicht, aber seine Version des Waits-Klassikers I Hope That I Don’t Fall in Love With You ist mindestens genauso hörenswert wie das Original des alten Grummlers aus dem Jahr 1973.

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In diesem Sinne einen schönen Sonntag, sei es der vierte Advent oder einfach ein frühlingshafter Sonntag fünf Tage vor dem Weihnachtsvollmond im Dezember . . .