Irland in den Zeiten von Corona. Wir leben auf dem Land in Irlands äußerstem Südwesten, in einer Streusiedlung am westlichen Rand Europas, direkt am Atlantik. Auch in dieser einsamen, abgelegenen Gegend wird das Leben jetzt völlig vom neuartigen Coronavirus beherrscht. Wir, Eliane [e] und Markus [m], schreiben ein gemeinsames öffentliches Tagebuch über unser Leben in Irland in Zeiten von Corona. Heute schreibt Markus . . .
15. März 2020, Sonntag
Na also. Nach meinem gestrigen Jammern zeigte sich das Wetter hier an der Atlantik-Küste heute von seiner besonders schönen Seite. Ein Hauch von Frühling mit viel Sonne. Die Fotovoltaik-Anlage produzierte immerhin 8,5 Kilowattstunden Strom für uns. Frisch geernteter Bärlauch wird gerade verarbeitet und vor den örtlichen Pubs sitzen noch immer lachende und trinkende Menschen. Alles wirkt normal am Sonntag zwei Tage vor dem St. Patricks Day. Nicht mehr lange . . .
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Die irische Regierung verschärft die Gangart. Gerade wird bekannt, dass die irische Regierung die Schließung aller Pubs und Bars ab heute nacht anordnet. Alle Kneipen des Landes müssen bis mindestens 29. März geschlossen bleiben. Damit setzt die Politik einen harten Schluss-Strich unter einen seit gestern Nacht bitter geführten Kampf im wirklichen Leben wie in sozialen Medien. An einschlägigen Orten wie Temple Bar oder in Pubs auf der Dingle Peninsula wurde Samstagnacht heftig getrunken und gefeiert. Auf Dingle machte ein vier Busse starker Junggesellenabschied Furore, während Fotos auf Social Media dicht gedrängt stehende, fröhlich trinkende Menschen in einem Pub in Dublins Amüsierviertel Temple Bar zeigten. Erboste Anwohner und Augenzeugen setzten ihre Fotos schnell als Waffen im Kommunikationskrieg ein. Krankenschwestern und Ärzte wurden zitiert, die sich verhöhnt fühlten von rücksichtslos feiernden Menschen, während sie selber ihr Leben aufs Spiel setzten.
Social Distancing auf der einen Seite und Anti-social Socialising auf der anderen, Rücksichtnahme hier, rücksichtloses „Weiter so“ dort. „Wir machen Pause“ gegen „Wir saufen wie immer“. Und ein bisschen auch: Alt gegen Jung. „Ich bin gefährdet“ gegen „Mir macht das Virus gar nichts“. Der Verband der irischen Wirte hatte die Regierung angesichts des vielerorts im Land tobenden Streits über die Pubs um ein Machtwort gebeten – und es jetzt erhalten. 50.000 Menschen an Zapfhähnen und in Flaschenlagern werden vorübergehend arbeitslos.
Restaurants dürfen fürs Erste noch offen bleiben. Viele Ess-Gaststätten haben sich zum Liefer-Service umfunktioniert, viele andere haben freiwillig geschlossen. Eine Schließungs-Anordnung für Restaurants wird nicht mehr ausgeschlossen.
Wenn der ganze Shutdown von Kindergärten, Schulen und Universitäten, von öffentlichen Einrichtungen und Museen, von Gottesdiensten und Festivals wirklich Sinn machen soll, dann müssen eben nun auch die Pubs schließen. Die Regierung hat zu Recht die Befürchtung, dass die alkoholreichsten Tages des Jahres in Irland neben einer rapiden Ausbreitung des Coronavirus sehr leicht zu allerhand Kontrollverlusten bis hin zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen der Vorsichtigen und der Bedenkenfreien kommen könnte. Die Empfehlung der Regierenden geht sogar so weit, nicht auf private Parties zu gehen und auch keine zu veranstalten. Wie sagte ein mir Nahestehender: „Es ist doch egal, ob man am Virus oder an Langeweile stirbt . . . “
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Einer der Nachteile in Irland zu leben ist der, jetzt nicht in Deutschland zu sein. Wir fühlen uns sicher und sind gelassen hier in der Abgeschiedenheit am Atlantik, in der frischen Luft, der dünn besiedelten Naturlandschaft. Viele Gedanken sind allerdings bei der Familie in der alten Heimat im Südschwarzwald. Die Eltern sind alt und gleichzeitig fit. Sie haben sich komplett zurück gezogen, leben derzeit ohne direkte Kontakte zu anderen. Die notwendigen Veränderungen im Alltag sind jetzt geübt, eine neue Routine für diese Zeit des Ausnahmezustands hat sich etabliert. Die Einkäufe stellt die Schwester oder eine Nachbarin vor die Tür. Ich weiß die Eltern gut behütet und sicher – und doch würde ich ihnen nun gerne aus der Nähe beistehen. Weil das nicht geht, konferieren wir regelmäßig mit dem Messenger unserer Wahl, Telegram, und telefonieren.
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Die Tages-Statistik: Die Zahl der bestätigten Covid-19-Fälle stieg in der Republik seit gestern von um 40 auf 169. Die identifizierten Fälle haben sich damit seit Freitag fast verdoppelt. Ob diese Zahl eine besondere Aussagekraft hat, bleibt allerdings unklar. Das Coronavirus wird gefunden, wenn getestet wird. Und wenn es gefunden wird, sagt das noch nichts über dessen Gefährlichkeit. Womit ich bei meinen Zweifeln bin . . .
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Überall auf der Welt werden nun Persönlichkeits- und Freiheitsrechte von Menschen gravierend eingeschränkt. Nicht nur in China, Singapur oder im Iran. Wir Menschen in den Demokratien der sogenannten freien Welt verzichten auch auf Rechte und unterstützen die Anordnungen und Maßnahmen der Regierungen. Wir tun das, weil wir darauf vertrauen, dass die Regierung das Richtige tut, dass das Leben der Menschen bestmöglich geschützt wird; dass unsere Kinder, unsere Geschwister, unsere Eltern und Freunde, unsere Nachbarn und alle Menschen in unserem Land und auf dieser Erde dadurch möglichst gesund bleiben mögen. Wir riskieren dafür unser Einkommen, unsere Jobs, unsere Existenzen.
Was aber, wenn die Grundannahmen, gemäß denen die Regierungen weltweit gerade ihre Entscheidungen treffen, gar nicht stimmen?
Was, wenn das Coronavirus gar nicht gefährlicher ist als das Influenza-Virus?
Was, wenn die Virologen die Regierungen auf eine falsche Fährte gesetzt haben?
Was, wenn die Conoravirus-Tests gar nicht das Richtige testen?
Was, wenn die jetzt laufend gemeldeten Fallzahlen und Todesfälle völlig im Normbereich einer Wintergrippe liegen, zumal Coronaviren längst Teil des Viren-Cocktails sind, der die Grippe verursacht?
Das alles behauptet der Lungenarzt, Hygieniker und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Wolfgang Wodarg. Er sagt: „Dem Corona-Hype liegt keine außergewöhnliche medizinische Gefahr zugrunde. Er verursacht aber eine erhebliche Schädigung unserer Freiheits- und Persönlichkeitsrechte durch leichtfertige und unberechtigte Quarantänemaßnahmen und Verbotsregelungen.“ Der Mann hat zweifellos Ahnung, doch wer hat nun recht?
Der Kampf um die Deutungshoheit hat begonnen. Sich gegenüber stehen unvereinbar die Position von Wolfgang Wodarg und die des deutschen „Chef-Virologen“ und Regierungsberaters Christian Drosten von der Berliner Charité (der den neuen Coronavirus-Test mitentwickelt hat).
Ich habe die Postionen des Facharztes und langjährigen Leiters eines Gesundheitsamtes, Wolfgang Wodarg, heute ausführlich angehört und gelesen. Sie klingen schlüssig, wissenschaftlich, frei von Eigeninteressen – und sie hinterlassen bei mir große Zweifel. Hier deshalb das zehnminütige Video mit Dr. Wolfgang Wodarg. Er vertritt eine Minderheitenposition. Bislang. Allerdings eine, über die es sich nachzudenken lohnt. Schreibt uns Eure Meinung . . . Die Kommentarspalten unten sind geöffnet.
Fotos & Vignette: Eliane Zimmermann
Naja, ich weiß nicht woher dieser Dr. Wodarg seine Zahlen hat. Aber in der Vergangenheit ist das Gesundheitssystem in Italien im Winter nicht zusammengebrochen und die Leute auf den überfüllten Intensivstationen sind sicher keine Simulanten.
Wir sind alle keine „Experten“. Die Geschichtsschreiber werden am Ende eine Strich drunter ziehen und je nach Standpunkt entsprechend einordnen.
Wir müssen uns aber fragen, wie lange wir in diesem Ausnahmezustand leben wollen. Das Virus wird nach meiner laienhaften Einschätzung ja nicht innerhalb der nächsten Wochen verschwunden bzw. deren Folgeerkrankungen besser behandelbar sein.
Sehe ich auch so, Dieter.
Das Beenden des Ausnahmezustands wird die eigentlich schwierige Aufgabe sein. Wann genau, in welchem Tempo, wie genau? Alles Dichtmachen ist erst mal recht einfach . . .
Vielleicht ist das Beenden des Ausnahmezustands ja gar nicht vorgesehen. Der Patriot Act nach 9/11 und die Maßnahmen in Frankreich nach Charlie Hebdo haben heute noch Bestand. Vielleicht erleben wir, statt eine die Menschheit bedrohende Katastrophe, hier eher ein großes Experimentierfeld und den „feuchten“ Traum der Politik sich die Macht über ihre Bürger auf andere Weise zu sichern. Wir wissen es noch nicht……
Warum dieser Herr Wodarg, Stefan?
Hier ein Beitrag aus der heutigen FAZ. Ein interview mit dem Virologen Prof. Hendrik Streeck. Er forscht intensiv über die aktuellen Corona-Fälle in Deutschland und beschreibt die neuen Erkenntnisse über die Symptome sehr gut. Seine Prognose:
„Es könnte durchaus sein, dass wir im Jahr 2020 zusammengerechnet nicht mehr Todesfälle haben werden als in jedem anderen Jahr.“
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/virologe-hendrik-streeck-ueber-corona-neue-symptome-entdeckt-16681450.html?GEPC=s5
Hallo Markus
Ich empfehle in diesem Zusammenhang mal etwas Galgenhumor á la Puffpaff https://www.facebook.com/210919986041/posts/10158393625761042/ ?
Des Weiteren denke ich, dass auch ein Herr Dr. Drosten ziemlich überfahren wurde von der ganzen Situation. Die Wahrheit liegt sicher mal wieder irgendwo dazwischen. Niemand will sich am Ende vorwerfen lassen, dass nicht früh genug und ausreichend genug reagiert wurde. Aber selbst ein Herr Dr. Drosten sagt in seinem Podcast schon, dass die Regierung nur noch gehetzt durch Schlagzeilen reagiert und mal einen Moment bräuchte, um durchzuatmen, nachzudenken und DANN eine Entscheidung zu treffen. Da sollte vielleicht auch die Presse mal ein paar Gänge runterschalten.
Ich tendiere auch immernoch eher dazu es als eine Art Grippewelle anzusehen und empfinde die ganze Situation auch als total übermäßig in den Fokus gerückt oder wie es so schön heißt, gehypet. Vorsicht ja, und auch ausreichend Respekt vor einer neuen Art Virus, der noch nicht hinreichend erforscht ist, aber daß, was jetzt medial abgeht, ist gelinde gesagt schwierig. Tagaus tagein beherrscht nur noch ein Thema die Zeitungen, das Radio, das TV. Ums mal salopp zu sagen: es nervt!
Liebe Grüße von uns zu euch!
Liebe Uli,
lach . . .
Vielleicht ist dies die erste Grippewelle, der wir alle volle Aufmerksamkeit schenken, während bislang eher diskret und nichtöffentlich gelitten und gestorben wurde? Wir sind als Laien am Ende darauf angewiesen, der Redlichkeit und Kompeztenz von Experten und Politikern zu vertrauen. Sicher ist aber schon heute: In der Rückschau werden wir irgendwann mehr wissen, und dann wird auch Rechenschaft abzulegen sein.
Alles Gute und bleibt gesund!
Ich hab da nochmal was aufgetan bzgl der Aussagen von Herrn Dr. Wodarg…
https://www.mimikama.at/allgemein/die-ansichten-des-dr-wolfang-wodarg-coronavirus-massnahmen-uebertrieben/
LG Ulli
Lieber Markus,
noch am Samstag „lobst“ du die Berichterstattung in vielen Zeitungen und teilst -auch meinen Eindruck – dass es gerade jetzt so wichtig ist, eine bezahlte, recherchierte, nach den ethischen Grundzügen einer freien Presse geschriebene Berichterstattung zu haben.
Und jetzt bringst du doch einen Vertreter (zugegeben ein ehemaliger Lungenarzt!), der zumeist in solchen Medien kursiert, die -für mich- nicht für o.g. seriösen Journalismus stehen. Ich habe große Zweifel an Verlautbarungen von KenFM, auch von der unklaren RUBIKON – und gerade da ist Dr. Wolfgang Wodarg gern gesehener / interviewter / veröffentlichter „Fachmann“.
Was gut tut, sind zB die Gedanken, die sich Christoph Herrmann auf seinem Blog „Einfach Bewußt“ macht: http://www.einfachbewusst.de/2020/03/positive-aspekte-coronavirus-krise/ macht.
Bleibt gesund – dort oben/drüben
Werner
Lieber Werner,
auf die Positionen von Wolfgang Wodarg bin ich über Umwege durch die ZDF-Sendung Frontal 21 aufmerksam geworden. Auch in Tageszeitungen wie der Neuen Rheinischen Zeitung wurde darüber berichtet. Wir müssen nun sehr genau aufpassen, dass wir das kritische Denken nicht einstellen und einfach nur ideologisch vereint bei diesem gigantischen gesellschaftlichen Massenexperiment mitmachen. Dir selber dürfte klar sein, dass die Regierungs-Politiker auch nicht mit Absolutheit wissen, was jetzt zu tun ist. Sie geben Ihr Bestes, zweifellos. Die Entscheidungen müssen ständig hinterfragt werden, unter Hinzuziehung breiter Expertenkreise. Auch wenn freies Denken und Zweifeln weiterhin zu unseren bevorzugten Privilegen gehören: Wir reihen uns zustimmend und solidarisch ein und leben seit längerem und in den kommenden Wochen streng zurückgezogen, um Risiken für uns alle zu minimieren. Bleibt gesund!
Wenn die Restaurants nun auch schließen, was passiert mit den Touristen, die sich in Irland befinden? Wo sollen die essen?
Noch sind sie offen. Von der Regierung heißt es: „The effectiveness of the social distancing guidelines in other parts of the hospitality and leisure industry such as in restaurants and cinemas will be kept under review over the coming days.“