Irland ist anders (soll aber gleicher werden): Unsere irische Postadresse ruft bei Menschen im kleinen Rest der Welt immer wieder ungläubiges Staunen hervor: „Keine Postleitzahl, keine Hausnummer – aber geben Sie vorsichtshalber unsere Telefonnummer im Adressfeld an.“ Ja geht so etwas in der modernen Welt? Es geht, aber nicht mehr lange. Im kommenden Jahr soll nun auch Irland als eines der letzten Länder Europas ein Postleitzahlensystem bekommen. Eircode heißt der Weisheit postalischer Treffsicherheit letzter Schluss und wird für Frühjahr 2015 angekündigt. Jedes Haus, jede Wohnung und jedes Business sollen einen 7-stellige Identitifizierungscode erhalten und dann soll jede der 2,2 Millionen Adressen der Insel-Republik eindeutig und einwandfrei auffindbar sein. Soll. Denn eigentlich sollten die Postleitzahlen für Irland schon 2008 kommen. Und eigentlich weiß keiner so recht, ob Eircode nicht doch das gleiche Schicksal ereilen wird wie die super-modernen und sündhaft teuren irischen Wahlmaschinen: Jene wanderten mangels Tauglichkeit von der Fabrik direkt auf den Müll.
Nachdenklich stimmt: Noch bevor das fast 20 Millionen Euro teure „Wunderwerk“ Eircode das Licht der Welt erblickt, hagelt es schon vernichtende Kritik: Die einen maulen, das Postleitzahlensystem IE-2015 sei keinen Deut besser und smarter als das erste Postleitzahlensystem, das 1857 für London entwickelt worden war. Die Branchenverbände der Spediteure und Kuriere raten, Eircode unbesehen einzustampfen, weil es eine unintelligente Insellösung sei: Das von der Regierung beauftragte Unternehmen hat es offensichtich gerade mal geschafft, eine uralte post-interne Orts-Datenbank zu revitaisieren und diese zum öffentlichen Postleitzahlensystem hochzujubeln.
Im Zeitalter von GPS, Geo-Technologien und Smart Economy wirkt schon ein wenig befremdlich, dass die Entwickler von Eircode jedem Haus eine zufällig ausgewählte Nummer zuteilen. Zwar weisen die ersten drei Ziffern auf eine der 139 regionalen Zustell-Zentren der Post hin, die jeweilige vierstellige ID-Nummer für das Haus lässt eine detaillierte Orientierung jedoch nicht zu: So haben zwei benachbarte Häuser völlig unterschiedliche Eircodes und das System entzieht sich komplett der modernen Navigationstechnik. They do it their way: the Irish way.
Immerhin: Auch wenn Irland wieder ein Stück gleicher gemacht werden soll, bleibt doch alles anders.
PS: Das Fehlen von Postleitzahlen und eindeutigen Postadressen sorgt in Irland immer wieder für großartige wahre Geschichten: So gibt es Häuser, die bis zu sieben (!) verschiedene Adressen haben. Zudem firmieren viele Häuser in einer Straße unter derselben Adresse — und wenn dann noch alle Bewohner den gleichen Nachnamen haben (wie die O`Sullivans in unserer Region), dann kann es allenfalls der absolut ortskundige Briefträger ordentlich richten. Man kann sich leicht vorstellen, wie viele Lieferungen von Amazon und Apple bis Zara im irischen Adress-Dschungel bis heute verloren gingen oder bewusst verschwanden. Nicht umsonst weigern sich viele britische Firmen, ihre Ware nach Irland auszuliefern. Bemerkenswert auch die Bereicherungsstrategie eines Iren, der sich für ein und dasselbe Haus unter Zuhilfenahme von fünf leicht unterschiedlichen Adressen bei fünf verschiedenen Banken erfolgreich fünf Großkredite beschaffte. Lang lebe Ned Devine — ob mit oder ohne Postleitzahl!
Foto: Eircode; mehr Infos: www.eircode.ie
Aber Deine wahre Kunst ist doch die Prokrastination. Je mehr Erwerbs-Schreibe, umso stärker fließen die so nutz-losen wie großartigen Ideen.
Einen eigenen Schreib-Account? Wow! :-) Für eine Serie: „Don Quijote in Feakle – Der Kampf gegen den dörflichen Wahnsinn“?
Leider fällt mir nicht immer was ein oder es fließt nicht so recht, und im Moment bin ich bis Frühjahr ohnehin mit Geldverdien-Arbeit übereingedeckt.
Aber danke für die Blumen.
Liebe Petra, Deine wunderbare Schreibe, die schönen true stories: Danke! Ich mach Dir jetzt einen eigenen Schreib-Account auf ;-)
Ich habe einen Heidenrespekt für die irische Post. Die finden alle und jeden und kennen zumindest hier auf dem Land jeden Pappenheimer, von Murphy bis O’Sullivan.
Und auch einen Respekt für den weltweiten Postdienst – bis auf den britischen, der größte Murks aller Zeiten mit seinen hausgenauen und völlig unlogischen Postleitzahlen, wo die Zahl der „verlorenen“ Sendungen zu den höchsten Europas zählt.
Da ich viel übers Internet bestelle, kriege ich das live und in Farbe mit.
Halbbritisches Beispiel: Eine Lieferantin aus dem UK schickte mit ein schlecht beschriftetes Päckchen wo das „Ireland“ nur noch als „Ir…“ zu lesen war.
Es landete – im Iran. Nachzuvollziehen an den diversen Aufklebern/Stempeln. Wie die Briten das hinkriegten, ist mir ein Rätsel.
Die Iraner waren schlauer als die Briten und schickten das Päckchen tatsächlich zurück nach Irland. Wobei mein Name auch noch kaum noch zu lesen war. Aber es kam an, weil die Postbotin wusste, dass exotische (ähem, britische) Päckchen im Zweifel stets bei mir landen. Der ausländische Name hilft.
Ich bekam auch schon mal einen Brief adressiert an „The German Girl … dorfname … county“. Kam an.
Abgesehen davon landen die Sendungen immer erst im lokalen Postamt. Wir haben im Dorf zum Glück noch eins, und Brian, der James Bond des lokalen Postamts, kennt Hinz und Kunz und Petra.
Und überhaupt hatten schon die Briten in kolonialer Vorzeit versucht, Postleitzahlen in Irland einzuführen. Weiter als Dublin sind sie nie gekommen …
Postleitzahlen in Irland: Murks alles Murks, wird nie klappen.
P.S. Ich habe mir für meine verwirrte deutsche/außerirische Korrespondenz die verlangte Hausnummer zugelegt, nämlich Nr. 5 und das in Messing an die Tür genagelt.
Warum 5? Die Messing-Fünf gab’s gerade im Sonderangebot im Hardwareshop im Nachbardorf.
There :-D.
Ein Nachtrag:
Als ich nach Belfast zog, ließ ich allen notwendigen Kontakten in Deutschland meine neue und politisch korrekte Adresse samt britischer Postleitzahl zukommen.
Meine deutsche Bank (die Berliner Sparkasse) erwies sich als geradezu irisch-republikanisch:
Sie adressierte allen Schriftverkehr an: Petra etc,. Belfast, Republic of Ireland (!).
Kam auch an, und das ohne ein Wimpernzuckern des nordirischen Brieffträgers.
You have to love them …
Auch wenn es unwahrscheinlich klingt, unsere Post, und war sie auch noch so sperrig ( Rückbank vom Auto ) kam IMMER an ! Und gar nicht mal so unpünktlich. Mag vielleicht auch daran liegen das wir eben anders heißen als unsere Nachbarn. Zwei Häuser Ruddy und drei Häuser Murphy macht es dem Postboten dann einfach.
Es kann also gar nicht so schlecht sein wie wir *Bürokratisierten* so denken !
Viele Grüße
Beate Kundke
Bin schon sehr gespannt, ob das alles so klappt, wie die Iren sich das vorstellen. Und jedem Land das seine, nur weil alle anderen Länder in Europa es so machen, muss es in Irland ja nicht zwangsläufig übernommen werden. Vielleicht ist das System ja doch besser als man glaubt.
Grüße aus dem Passeiertal
Ich finde das System gar nicht so verkehrt. Wichtig ist doch nur die Eindeutigkeit. Im Zeitalter moderner Logistik interessiert es wahrhaftig nicht in welcher Reihenfolge (oder ob überhaupt) die Hausnummern sortiert sind. Chaotische Lager sind heute Standard ;-)
Es war mir schon immer schleierhaft, wie das in Irland ohne PLZ funktioniert, aber es hat funktioniert. Geben wir also dem eircode ein Chance !!!