Roden und Brennen Irland

Roden, Baggern, Brennen für die Subventionen

Irischer Sonntag: Die “geklaute” Stunde ist, wie manche meinen,  gerade zurück erstattet worden. Die Zeit steht auf Winter. Während es sich in der deutschen Herbstssonne noch einmal wie im Sommer schwitzen ließ, ist hier in Irland der Herbst endgültig eingezogen.  Der Wind bläst vom Atlantik, bringt Regen. Doch es bleibt recht mild auf der anderen Seite des Fensters. Kein Grund, im Haus zu bleiben.

Irlandnews.comIrland so grün: Wer in den vergangenen Wochen mit offenen Augen durch das ländliche Irland fuhr, konnte die Rückkehr der Bagger bestaunen. Vielerorts auf den Feldern toben sich JCBs, Caterpillars und Komatsus  wieder ordentlich aus. Ist der Keltentiger endlich zurück? Noch nicht, die Räumkommandos in Ginsterfeld und Weidenhain erzählen eine andere aktuelle Geschichte: Sie rollen, roden, reißen, graben und zerhacken im Namen der Subentions-Sicherheit. Seit dem Auslaufen des EU-Agrar-Suvbentionsprogramms REPS, das Bauern auch für Flächen bezahlte, die sie der Renaturierung überließen, geht die Uhr wieder anders rum: Für Land, das (via Satellit kontrolliert) erkennbar kein Grasland ist und nicht der Nahrungsproduktion für Nutztiere dient, gibt es derzeit keine Zuschüsse: Und so müssen Ginster, Gagelstrauch und Pioniergehölz weichen und das Land flasht wieder in sattestem Monsanto-Grün: Die Wiesen in den 40 Shades of Fertilizers kehren flächig in das Landschaftsbild zurück, um Fleischrind und Milchkuh zu nähren — und nebenbei das geliebte Irland-Klischee von der grünen Insel mit den sanften Hügeln und den weiten Wiesen zu nähren. Schon im kommenden Jahr aber rollt der Traktor agrar-finanztechnisch wieder zu anderen Horizonten: Das nächste EU-Subventionsprogramm mit neuen Vorgaben steht vor der Einführung.

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Gestern war ich aus — und erlebte einen neuen kulinarischen Höhepunkt der Kategorie “Interessant!” Das Gasthaus, das hier nicht weiter angepriesen werden soll, ist mir wegen seines “einzigartig” komponierten Chicken Curry in Erinnerung geblieben: Curry mit Reis und Pommes. Was die Engländer erfanden, um es der Welt als indische Spezialität zu überlassen, wird im kartoffelhungrigen Irland mit der Fritten-Note variiert. Why not. Gestern nun “Vegetarian Curry” — Pommes, Reis, Pilze, Karotten und Rüben. Sehr interessant. Es lebe das Original Oirish Farmer Curry. Nach dem zweiten Pint beschossen wir übrigens, der Political Correctness, hier auch bekannt als PC,  definitiv den Kampf anzusagen und die Freiheit und den Spaß in unser gesprochenes Leben zurück zu holen. Ich erzähle deshalb den einzigen Witz, den ich mir derzeit merken kann — mit dem Hinweis: PC-Freaks bitte weiter-klicken.

Also, es ist in diesen Zeiten wieder viel von der Liebe die Rede — und auch von der wohl reinsten Form dieser edelsten aller menschlichen Empfindungen und Handlungsmotive: der bedingungslosen, unbedingten, vorbehaltslosen Liebe (“Unconditional Love”). Wer nun wissen will, was bedingungslose Liebe wirklich ist, der sperre seine(n) Lebenspartner(in) und seine(n) Hu(e)nd(in) eine Stunde lang in den Kofferraum seins/ihres Autos. Wer den Deckel nach einer Stunde wieder öffnet, weiß bescheid. Und ich bin wirklich stolz auf die gender-neutrale Formulierung dieses Satzes. Doch zurück nach Irland.

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irland KorbmacherDie liebliche Insel badet wie kein anderes Land West- und Mittel-Europas unbeirrt und ohne Plan im Plastikmüll. Der tägliche Output an Plastik-Verpackungen verschlägt mir bisweilen den Atem: Fast alle frischen Lebensmittel sind in Plastik verpackt, auch viele Getränke.  Der Rest kommt in Alu- und Weißblech-Dosen daher. Pfandflaschen gibt es nicht. Dass die Händler ihren Kunden für jede Plastiktüte 20 oder mehr Cents abknöpfen sollten, ist der ausschließliche Kern des irischen Müllvermermeidungs- und Entsorgungskonzepts. Wenn wir uns erlauben, die Plastikverpackungen des wöchentlichen Großeinkaufs im Mülleimer des örtlichen Supermarkts zurückzulassen, werden wir indes kritisch-argwöhnisch-belustigt beäugt. Das macht man eigentlich nicht. Aber was dann?

Martin O`Flynn und Frau Yvonne fahren unbeirrt das alte Gegenprogramm zur schnöden Erdöl-Kunststoff-Plastikwelt: Die Bio-Bauern leben und arbeiten hoch über dem Borlin-Tal. Sie stellen in mühevoller Handarbeit Körbe aus Weidenruten her. Sie sind Korbmacher — und trotzen der Billig-Konkurrenz aus Ländern der Dritten Welt. Der Korb, eine kunstvolle Kreation aus Holz, hält viele Jahre, ist pflegeleicht, schön anzusehen — und leider fast völlig aus der Mode gekommen. Oder geht Ihr noch zum Korbmacher ganz in Eurer Nähe? Wir waren gestern dort. Martin (unten) zeigt das Ergebnis seiner aktuellen Arbeit.

Korbmacher Martin O`Flynn

Korbmacher Martin O`Flynn

In diesem Sinne einen schönen Oktober-Sonntag. Der Wanderer.

Fotos (3): Markus Bäuchle / Wanderlust