Irlnds Bäume

 

Irlands Bäume im Jahreskreis. Wir sind im Monat des Ilex. Der Ilex gehört zu Irland wie das Kleeblatt und die Eiche: Ursprünglich war es wohl die Steineiche, die der Eiche im Keltischen Baumalphabet zwischen dem 8. Juli und dem 4. August folgte. Ihr Name war Tinne, der Buchstabe T. Der Gattungsname der immergrünen Steineiche – Quercus ilex – dürfte dann irgendwann zu einer Verwechslung geführt haben. Bei genauerer Betrachtung tun sich eine Menge Widersprüche auf, wenn es um den Baum dieses Monats geht. Da dem Ilex (Stechpalme, Ilex aquifolium) in Irland auch heutzutage eine große Bedeutung zukommt und wichtige Quellen diesen Baum in die Reihe der druidisch bedeutsamen Pflanzen einreihen, werden wir uns heute mit ihm beschäftigen. Mit der Stechpalme oder Stechhülse (keltisch: kolenno) stellen wir den ersten und einzigen immergrünen Baum in der Reihe der heiligen Bäume Irlands vor.

Die Kelten kehrten ihre Behausungen mit Besen aus den Zweigen des oft strauchartig wachsenden Baumes und wollten sich damit vor Verzauberung und bösen Geistern schützen. Einleuchtend ist der Platz im Jahreskreis, denn nun geht es mit den lichten Kräften wieder abwärts. Die Tage werden kürzer. Schön und von der Symbolik folgerichtig, sich an dieser Stelle mit einem immergrünen Baum vor Augen zu halten, dass nach keltischem Verständnis nach dem Tod die Wiedergeburt und neues Leben folgte.

Auf den Britischen Inseln hat die Christianisierung im Gegensatz zum kontinentalen Europa sanft eingesetzt. Oft übernahmen ehemalige Druiden die Priestergeschäfte, der Übergang erfolgte allmählich und so konnte mancher alter Zauber in die neue Zeit hinüber gerettet werden. Noch heute nach all den Jahrhunderten finden wir die Stechpalme mit ihren festen, glänzenden Blättern, wie auch die Mistel im angelsächsischen Raum zu Weihnachten als traditionellen oder stilisierten Schmuck in fast jedem Haus.

Der Ilex gedeiht am besten in gemäßigten Klima mit milden Wintern und feuchten Sommern und wächst schon seit der Steinzeit nachweislich in Gesellschaft von Eichen und Buchen. Durch ihre Eigenschaften prädestiniert sich die Stechpalme förmlich als Symbol für Unvergänglichkeit. Ihre ledrigen, glänzenden immergrünen Blätter, mit mehreren Spitzen bestachelt, sind wie die roten Beeren giftig. Auch abgeschnitten bewahren sie lange ihre Schönheit. Giftig sind sie für Menschen und viele Tiere, aber nicht für Vögel, denen die durch Frost erweichten Früchte als Winterfutter dienen. Für die Druiden sollen die roten Früchte weibliche Lebensenergie symbolisiert haben, während die weißen Mistelbeeren mit dem männlichen Samen verbunden waren.

 

 

Das Holz der Stechpalme ist hart und zäh und eignet sich hervorragend für die Herstellung von Werkzeug, Peitschen und Zauberstäben. Bei Fieber, Rheuma und Gicht kam die Droge aus den Früchten als Heilmittel zum Einsatz. Leicht vorstellbar, dass auch mal Menschen aufgrund falscher Dosierung ins Jenseits befördert wurde. Heute kennen wir die Stechpalme, die im Englischen Holly heißt, auch als eine wichtige Bachblüte.

Im Südwesten Irlands treffen wir häufig auf diese schöne Pflanze und kein anderer Baum oder Strauch zeigt sich so unterschiedlich in seiner individuellen Erscheinung. Manchmal dicht belaubt, dann wieder kahl bis an die Grenzen ihrer Krone. Manchmal trotzt sie Wind und Wetter und hält die Stellung als eine Art Wächterin, wo andere schon längst aufgegeben haben oder es erst gar nicht versuchten.

Öffentlich bekannten Persönlichkeiten gleich, treten Stechpalmen manchmal in den Vordergrund, als wollten sie ihre Individualität zur Schau stellen. Sie nehmen mehr Raum ein, als ihre sichtbare Gestalt. Als wäre da noch etwas mehr, was dazu gehörte. Sie geben aber auch Raum, indem sie sich auf geheimnisvolle Weise mit der Landschaft rundherum zu einem Ganzen verbinden. Als wären sie Hüterinnen eines mit unseren Augen nicht klar erkennbaren Reiches.
Manchmal mit anderen, manchmal auch ganz alleine. Unverwechselbar hingestellt.

Mein Blick bleibt an ihnen hängen und plötzlich spüre ich die Kraft, die in der Entfaltung individueller Potentiale liegt. Nicht immer geht das leicht, aber immer wird es sich gelohnt haben. Ist es nicht beeindruckend ältere Menschen zu treffen, deren äußere Erscheinung all die Herausforderungen widerspiegelt, die auftauchten und gemeistert wurden? Jahrzehnte gelebten Lebens hinterließen vielfältige Spuren. Schönheit eines reichen und langen Lebens. Form geworden, in Menschen und Bäumen.

Fotos: Elisabeth Firsching, Eliane Zimmermann (1, oben)