„Gerald Hanberry setzt auf Rohheit und Ehrlichkeit, erforscht eine tiefere Quelle der Gefühle und scheut dabei er auch die dunkleren Schattierungen von Bedauern, Angst, Wut und Verlust nicht.“

Pete Mullineaux zu dem Gedichtband  ‚At Grattan Road‘ (2009)

 

Heute stelle ich den Lyriker, Autor, Songschreiber und Sänger Gerald ‚Gerry‘ Hanberry vor:

Gerry ist ein Multitalent. Neben seinem Brotberuf als Sekundarschullehrer und als Dozent für kreatives Schreiben an der National University of Ireland in Galway, arbeitete er als Journalist und wöchentlicher Kolumnist für den Galway Observer. Außerdem tritt er regelmäßig als Solosänger, Gitarrist und Songwriter auf.

In More Lives Than One – The Remarkable Wilde Family Through the Generations.  schrieb Hanberry eine umfangreiche Biografie über Oscar Wilde und seine Familie. Sein bekanntestes und erfolgreichstes Sachbuch ist On Raglan Road – Great Irish Love Songs and the Women Who Inspired Them (Collins Press /Gills 2016). Darin befasst sich Gerald mit Frauen, die einige der großen irischen Liebeslieder wie Galway Girl, Nancy Spain, Úna Bhán und Danny Boy inspiriert haben.
In einem Interview¹ erklärte er:

“Ich bin nicht nur Schriftsteller und Dichter, sondern auch Musiker. Ich mag akustische Folkmusik und Weltmusik und habe daher ein breites Repertoire, das von irischen Balladen und Volksliedern bis hin zu englischem und amerikanischem Material reicht. Mir werden oft Fragen über die Inspiration hinter einigen der großen, ikonischen Lieder gestellt, die wir alle so gut kennen – Wer war “Nancy Spain”? Wer war ‘Grace’? Wer ist das echte ‘Galway Girl’? Wer genau war die bezaubernde Frau, die Patrick Kavanagh zu On Raglan Road inspirierte? … Und ehe ich mich versah, hatte ich die Grundlagen für dieses Buch. Es enthält die Geschichten hinter fünfzehn bekannten Liedern, vom alten “Una Bhán” bis hin zu Thin Lizzys “Sarah” und Mick Hanleys “Past the Point of Rescue”, einschließlich “Danny Boy” und anderer.”

 

Heute soll Gerry jedoch als Lyriker vorgestellt werden.
Gerald Hanberry hat bisher vier erfolgreiche Gedichtbände veröffentlicht.
Für sein Gedicht ‚Embers‘ erhielt er den renommierten Brendan Kennelly Award.
In einer Besprechung des Gedichtbandes ‚At Grattan Road‘ für die Irish Times stellte der Autor Paul Perry heraus, dass dieses Werk “aus allen Nähten platzt vor schönen Gedichten”.

Lassen wir den Lyriker in unserem Irlandnews-Fragebogen selbst Auskunft geben:

4 Fragen an Gerald Hanberry

Wie sind Sie dazu gekommen, Gedichte zu schreiben?

Ich habe mich schon immer für Sprache, Schriftsteller und Dichter begeistert – die Art und Weise, wie sie unseren Geist und unsere Augen für das öffnen können, was uns umgibt und was in den Köpfen und Gefühlen anderer Menschen vor sich geht… Die Aufregung der Existenz…. Ich habe in der Schule einige Gedichte genossen und habe später Literatur und kreatives Schreiben unterrichtet. … Auch die Poesie der Songtexte von Leuten wie Bob Dylan, Leonard Cohen, Tom Waits usw. sowie alte irische Balladen und Volkslieder, die wir in Irland ständig hören – all das hat mich beeinflusst … Ich bin ja selbst auch Songschreiber, Musiker und Dichter.

Ich mag Poesie wegen ihrer Fähigkeit, immer wieder neue Einblicke in Themen zu geben, die so alt sind wie die Welt, die Welt immer wieder ‘neu gemalt’ zu sehen, wegen ihrer Musikalität und ihrer Fähigkeit, uns zu überraschen und zu schockieren. Ich lebe an der Küste im Westen Irlands am Rande von Galway und lasse mich oft von der Schönheit inspirieren, die ich hier um mich herum sehe.“

 

Welches sind Ihre Lieblingspoeten?

Zu den Dichtern, die ich schätze, gehören der verstorbene irische Dichter Derek Mahon wegen seiner stilvollen Techniken, der amerikanische Dichter Billy Collins weil er mit Witz arbeitet und die Fähigkeit hat, schwere Themen mit leichter Hand zu erforschen, Philip Larkin auch wegen seiner Weltsichten und seiner Fähigkeit, ohne erkennbare Anstrengung zu reimen, ein bisschen wie W.B. Yeats.

 

Welche Rolle spielt Poesie in der irischen Kultur heute?

Dichter spielen in der irischen Kultur nach wie vor eine wichtige Rolle… Der Tod eines prominenten Dichters kann hier Schlagzeilen machen und in den Hauptnachrichten im Fernsehen erscheinen. Dichter wie Rita Ann Higgins werden oft in den Medien vorgestellt, wenn sie ihre Meinung zu gesellschaftlichen Aspekten äußern, und sie finden Gehör. Unser Präsident Michael D. Higgins  ist selbst ein veröffentlichter und erfolgreicher Dichter und Akademiker.

 

Wenn Sie zaubern könnten….. Was wünschten Sie sich für sich selbst und für uns alle?

Um diese Frage zu beantworten: Leider habe ich die ‚Magie‘ und ihre Fähigkeit, die Welt zu verbessern, aufgegeben, aber ich bin nicht pessimistisch geworden .Sogar die Pandemie hat vielen von uns erlaubt, Familie, Zeit, Zusammensein, eine langsamere Welt und solche schönen Dinge zu schätzen.

 

 

Gerald (Gerry) HANBERRY

 

THE DEAD ARE SELFISH

GERALD HANBERRY

 

They keep to themselves,

no soft breath on our necks,

no shadowy form by a window.

 

Sometimes they hide in our dreams

like a face deep in a foggy mirror

or a faded watercolour.

 

A butterfly in the kitchen,

a robin by the back door,

grief makes us desperate.

 

We pluck weeds from their graves,

humped from our weighty backpacks

of ‘could haves’ and ‘should haves’,

while above our heads

starlight comes tumbling

through the vast indifference of eternity

 

Das Gedicht passt zum Totenmonat November. Im Juli 2021 erschien es als Poem of the Week in der Irish Times.

 

 

Herzlichen Dank an Karin Mangold-Schneider für die Unterstützung bei der Textübertragung.

Bild: Werner Bartholme; alter irischer Friedhof, 2019

Quellen:
¹ Das Interview zum Bray Literatur Festival.
Gerald Hanberry auf wikipedia
Gerald Hanberrys Lyrikbücher:
On Raglan Road: Great Irish Love Songs and the Women Who Inspired Them by; The Collins Press, €14.39
Sein Gedicht in der Irish Times, 3. July 2021
Foto Gerald Hanberry: privat