Auswandern, Ortswechsel, Neubeginn: Warum zieht es Deutsche (auch Schweizer und Österreicher) ausgerechnet nach Irland? Wie leben sie dort? Wurden ihre Erwartungen erfüllt, was gefällt ihnen, womit haben sie Probleme? Wir stellen Menschen vor, die den Sprung gewagt haben und auf der Insel leben.

Dirk mit Brendan Behan

Dirk Huck (41) lebt seit zweieinhalb Jahren in Dublin. Er ist studierter Nachrichtentechniker und arbeitet als IT-Consultant auf der Insel.

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:: Dirk, warum lebst Du in Irland? Was hat Dich hierher geführt?

Anfang 2006 spielte ich mit dem Gedanken, mein privates und berufliches Umfeld zu ändern. Wenn ich schon bereit war, innerhalb Deutschlands umzuziehen, so sagte ich mir, konnte ich auch genauso gut ins (europäische) Ausland gehen. Die EU macht es möglich. Die Aussicht auf eine interessante Tätigkeit im englischsprachigen Ausland ließ mich bei meinen Überlegungen konkreter werden. Das damals noch sehr große Angebot an offenen Stellen für IT-Fachkräfte in Irland sorgte dafür, dass den Überlegungen bzgl. eines Wechsels schnell Taten folgen konnten. Den alten Job gekündigt, neuen Job gesucht, Koffer gepackt, fertig. Seit April 2007 lebe ich in Irland.

Mein Interesse an Irland rührt aus den 1980ern. Bei der Beschäftigung mit Themen wie z. B. der Megalith-Kultur oder den Kelten, stolperte ich immer wieder über Irland. Ende der 1980er fiel mir das Buch „Keltische Sagen aus Irland“ von Martin Löpelmann in die Hände, das mir zeigte: Da ist ein kleines Land, das ein Kulturgut aufzuweisen hat, dass so ganz anders ist als das der Länder Europas, die einst unter römischem Einfluss standen. Auf der anderen Seite gab es die schlimmen Nachrichten aus Nordirland, die auch im Englischunterricht besprochen wurden. Wer fragt sich da nicht, was es mit Irland wirklich auf sich hat? Mein erster Besuch in Irland erfolgte 1998. Seitdem hat mich die grüne Insel immer wieder beschäftigt.

 

:: Ist Dein Aufenthalt zeitlich begrenzt?

Eigentlich nicht. Ich bin einer der vielen Immigranten, die im Zuge (bzw. Ausläufer) des Celtic Tiger nach Irland kamen, als die Nachfrage nach IT-Spezialisten noch groß war. Nun bröckelt die Wirtschaft. Solange Irland mir aber eine wirtschaftliche Perspektive bieten kann, sehe ich keinen Grund, wieder abzureisen. Denn inzwischen fühle ich mich hier sehr wohl.

 

:: Haben sich die Erwartungen an das neue Leben erfüllt? Wie gefällt es Dir heute?

Ich hatte keine besonderen Erwartungen an das neue Leben, außer vielleicht, dass ich ein Leben vergleichbar dem in Deutschland würde leben können. Dies hat sich im Wesentlichen erfüllt. Ich kannte Irland von Urlaubsreisen her, nicht jedoch den Berufsalltag. Doch auch dieser hat sich als nicht anders als der in Deutschland herausgestellt. Einzig was die Freizeit-Möglichkeiten angeht, musste ich bislang einige Abstriche machen; einiges, das ich von Deutschland her gewohnt war (z. B. Sportverein), ist hier entweder gar nicht vertreten oder nur umständlich zu erreichen (oder zu teuer). Auf der anderen Seite aber habe ich auch neue Freizeitbeschäftigungen angenommen, so z. B. das Erlernen eines Musikinstrumentes. Hinzu kommt, dass nach wie vor vieles in Irland für mich Neuland ist, das lohnt, ausgiebig erkundet zu werden. Sollte ich irgendwann das Land wieder verlassen, möchte ich zurückblicken und recht häufig sagen können: Been there, done that.


Dirk mit Pint of Guinness

:: Wie lebt es sich als Deutscher auf der Insel? Wie kommt Du mit der irischen Mentalität und mit den Menschen zurecht?

Deutsche genießen hier einen guten Ruf. Sie bringen Ordnung in eine Sache und haben immer einen Plan. Ehrfürchtig schauen die Iren auf die deutschen Erzeugnisse in Sachen Technik und Organisation. Viele Iren bewundern, mit welcher Disziplin sich Deutschland aus den Trümmern zweier Weltkriege wieder hocharbeitete. Ich habe es im Beruf selbst erlebt, dass man eine Aufgabe, die besondere Sorgfalt erforderte, ausgerechnet mir, dem einzigen Deutschen im Team, zuwies.

Allgemein gelten ja Deutsche als etwas humorlos. Da kann es im Zusamment
reffen mit den Iren schon mal Reibungspunkte geben. Da ich selbst aber einen recht guten Humor habe, komme ich mit der irischen Mentalität ganz gut zurecht. Es hilft, wenn man nichts und niemanden wirklich ernst nimmt, und seine Erwartungen in Sachen Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit herunterschraubt.

 

:: Hast Du irische Freunde, einen Freundeskreis, gute Bekannte?

Wie das Leben so spielt, habe ich inzwischen eine irische Lebensgefährtin. Dies brachte auch den engeren Kontakt zu anderen Iren, die mich in ihren Kreis aufgenommen haben. Sehr groß ist dieser Kreis jedoch nicht. Kontakte zu Arbeitskollegen außerhalb des Büros beschränken sich auf das gelegentliche Treffen im Pub.

Interessanterweise ergeben sich leichter Kontakte zu anderen Immigranten, als zu Iren. Vielleicht weil sich die Einwanderer alle in einer vergleichbaren Lage befinden und sich eher zusammenschließen, während die Iren lieber unter sich bleiben. Dies finde ich etwas schade, da sich so kaum ein engerer Kontakt zu Iren ergeben kann. Für Immigranten ist es schwer, in den Augen der Iren ihren Status als „Besucher“ abzulegen. Eine der mir am häufigsten gestellten Fragen, wenn ich mit Iren ins Gespräch komme, ist denn auch: „So, how long are you going to stay?“ So, als ob es nicht lohnenswert erscheint, sich näher mit Immigranten zu beschäftigen. Aber vielleicht ist dies eine Erscheinung, die man vorrangig nur im Raum Dublin antrifft, wo es die Iren gewohnt sind, dass ständig Immigranten kommen und gehen.

 

:: Was magst Du besonders an Irland?

Mir gefällt besonders seine Kompaktheit. Irland ist ein Mikrokosmos. Alles ist auf kleinem Raum verdichtet, nicht nur im geografischen Sinne. Das schließt die Geschichte des Landes ein, deren Spuren heute noch überall sichtbar sind, oder die Politik, die sich direkter bemerkbar macht, als sie dies im großen Deutschland tut, oder die Wirtschaft, die wesentlich anfälliger für kleine Störungen ist. Wenn man die nationalen Tagesnachrichten verfolgt, hat man eher den Eindruck, die lokalen Nachrichten zu lesen. Dies führt dazu, dass man seine Umgebung bewusster wahrnimmt.

Besonders gefällt mir auch, dass in Irland die beiden Welten, das „alte“ und das „neue“ Irland, die unterschiedlicher nicht sein könnten, nebeneinander existieren. Man kann ohne großen Aufwand und fast jederzeit von der einen in die andere Welt wechseln und zurück. Ein Wochenendausflug hat eine völlig andere Dimension, als z. B. in Deutschland.

 

:: Was magst Du nicht an Irland?

Am meisten missfällt mir die Situation auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere bei Mietwohnungen. Mietverträge sind in der Regel auf ein Jahr befristet. Dies sorgt nicht gerade für langfristige Planungssicherheit. Solange man ständig damit rechnen muss, irgendwann weiterziehen zu müssen, kann man auch nicht so richtig sesshaft werden.

:: Was aus der „alten“ Heimat vermisst Du hier?

Manchmal vermisse ich schon Dinge wie eine zuverlässige Infrastruktur (öffentlicher Nahverkehr, Autobahnen etc.), umfangreichere Freizeitangebote (Sportvereine) und vor allem gutes Brot. Und weiß jemand, wo man in Irland richtigen Speisequark bekommt?

 

:: Würdest Du den Schritt noch einmal tun?

Auf jeden Fall. Ich habe bereits als Kind einige Jahre im Ausland gelebt. Ich bedaure Menschen, die Zeit ihres Lebens nicht aus dem Ort herauskommen, in dem sie geboren wurden. Der Aufenthalt in einem fremden Land ist immer eine lohnenswerte Erfahrung. Auch Irland würde ich jederzeit wieder in Betracht ziehen, auch wenn der drastische Wandel vom armen Agrarland zum modernen, multi-kulturellen Land jede Menge Chaos hinterlassen hat, das vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Aber dafür hat Irland auch für jeden etwas zu bieten, vom jungen, aufstrebenden Berufseinsteiger, der Auslandserfahrung sammeln und nach der Arbeit Spaß haben möchte, bis zum Naturliebhaber, der Ruhe und Abgeschiedenheit in einer faszinierenden Landschaft sucht.

 

Dirk mit Kreuz

:: PS.

Die drei Fotos zeigen die drei wichtigsten Bestandteile der irischen Kultur: Religion (Kreuz), Musik & Geschichtenerzählen (Brendan Behan) und Trinken (Guinness).

 

Bisher erschienen:

Mein Leben in Irland (1): Bodo J. Baginski, Autor.