Irland Schafe

Ein alter Bergbauer auf dem Weg zu seinen Schafen

 

Die Bauern sind in Aufruhr. Die Klimaschutz-Ziele, die der Landwirtschaft von der Politik vorgeschrieben werden, haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Demonstrationen und Bauern-Proteste sind seit Wochen in vielen Ländern Europas an der Tagesordnung. Auch in Irlands Bauernschaft gärt es gewaltig. Der Zwang zu Emissions-Reduzierungen, massiv gestiegene Kosten und dazu fallende Erzeugerpreise machen den Farmern auf der Insel schwer zu schaffen. Vor allem die Schaffarmer im ländlichen Irland werden dem finanziellen Druck wohl nicht mehr lange stand halten.

Die Schafzucht ernährt die Bauern schon lange nicht mehr, nun aber erwirtschaften viele Bergfarmer im Westen sogar herbe Verluste, die sie allenfalls ausgleichen könnten, wenn sie die Single Farm Payments, ihre zum Lebensunterhalt gedachten EU-Subventionen einbrächten. Der Unmut bei den rund 20.000 Bergfarmern ist riesig. Eine unheilvolle Stimmung aus Resignation, Wut und Verzweiflung hat sich breit gemacht. Denn in diesem Jahr läuft alles noch mehr gegen die Schaffarmer: Die Fleischbarone haben den Kilopreis für Lamm um einen Euro gesenkt, die Kosten für Futter und Pflege der Tiere sind gleichzeitig drastisch gestiegen. Für das Kilo Schafwolle gibt es noch 15 Cents. Das Scheren von zwei Schafen, die ein Kilo Wolle hergeben, kostet allerdings 5 Euro. Das ist ein Verlust von 2,35 Euro pro geschorenem Schaf – zum Wohl der Tiere kann man sie nicht im dicken Wintermantel herumlaufen lassen, das Scheren ist ein Muss.

Die Schaffarmer wehren sich mit ihren eigenen Mitteln

Die traditionellen Sommer-Viehmärkte auf dem irischen Land, einst ein Höhepunkt im Jahreskalender, sind in diesem Jahr zu depressiven Treffs eines Berufsstands verkommen, dessen einst stolze Mitglieder sich als ausgebeutete Verlierer abgestempfelt sehen. Eine Handvoll “Veredelungsbetriebe” in Irlands Osten, die den Lämmern aus den Bergen vor der Schlachtung zehn, zwölf Kilogramm Gewicht drauf packen, und die wenigen großen Fleischfabriken im Land nehmen sich den größten Teil des Branchen-Kuchens. Für die Schafbauern, die kleinen Produzenten, bleiben mittlerweile nur noch die Brosamen übrig.

Doch jetzt schlagen die Schafbauern des Westens mit voller Kraft zurück. Sie machen dafür keinen Lärm, sie gehen nicht auf die Straße, sie fahren keine Traktorenrallye. Sie sind ganz leise in den Gebärstreik getreten. In diesem Jahr sind nur sehr wenige Lämmer zur Welt gekommen, und diese wenigen werden überwiegend die Herden der Bauern verjüngen. Die Logik hinter der Arbeitsverweigerung ist bestechend: Wer keine Schafzucht betreibt, kann keine Verluste machen. Die Farmer begrenzen den finanziellen Schaden, indem sie die Arbeit verweigern. Ergebnis: Im Herbst werden die Veredler und die Fleischfabriken wenig zu tun haben. Die Farmer bekommen indessen zumindest in den kommenden fünf Jahren die Subventionszahlungen für ihren Lebensunterhalt weiter – egal, ob sie Lämmer für den Markt “produzieren” oder nicht.

 

Die Schafe verschwinden, Ponies und Hirsche rücken ein

Der Schäferberuf in Irlands Bergen ist härteste Arbeit. Mit 60 Jahren sind die meisten Männer körperlich abgearbeitet, ihre Gelenke und Sehnen verbraucht. Sie sind reif für den Ruhestand. Junge Menschen wollen diese schwere Arbeit nicht machen, und auch für Frauen ist es offensichtlich wenig verlockend, eine Familie auf einer Schaffarm zu gründen. Hier am Atlantik in den Counties von Cork und Kerry arbeiten fast nur ältere alleinstehende Männer im Schäferberuf, die berühmten Bachelors. Aus älteren Junggesellen werden nun bald alte Junggesellen – und wenn diese Generation abtritt, dann ist es wohl aus mit der Schafzucht. Nachfolger sind nicht in Sicht, das Farmsterben ist in vollem Gange.

So wird der Gebärstreik dieses Jahres das Verschwinden der irischen Schaffarmer und damit auch der Schafe nur beschleunigen. Die Entwicklung scheint unausweichlich. Wer aber wird dann die von den Touristen so heiß geliebte irische Landschaft freihalten und pflegen? Wird Irlands Westen wieder zur Wildnis? Oder werden die Hüter des Landes doch noch zu Landschaftspflegern?

 

 

Übernehmen die sich rasch ausbreitenden Hirsche die frei werdenden Territorien, wenn die Schafe verschwinden? Vielleicht zusammen mit den Connemara Ponies, die man mittlerweile bis herunter nach Tipperary bestaunen kann? Das blühende Revival dieser Ponies ist jedenfalls nicht auf Tierliebe zurück zu führen. Sechs dieser genügsamen und pflegeleichten Pferde öffnen dem Landbesitzer die Tür zu den begehrten EU-Farmsubventionen. Er ist dann auch ein Farmer – und hat ein leichtes Leben.

Warum sich schwer tun, wenn es auch einfach geht, sagen sich viele irische Bauern derzeit – und leiden gleichzeitig unter dem Verschwinden des alten Lebensstils, der traditionell von Generation zu Generation weiter gegeben worden war. Die EU und ihre wachstumsgetriebene zentralistische Agrapolitik, sie wird hier auf dem Land äußerst kritisch gesehen, von manchen fast schon gehasst. Die Bauern nehmen die Subventionen aus Brüssel, sie denken sie haben keine Wahl, aber sie sehen auch, wie die EU Agrarpolitik die lokale Wirtschaft und die lokale Gemeinschaft zerstört hat.


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Manchmal frage er sich, ob schon mal jemand von diesen Politikern und Bürokraten darüber nachgedacht habe, was aus dem ländlichen Irland werden soll? sagt mir ein Schäfer von der Beara-Peninsula. Wie soll West Cork in 20, 30 oder 40 Jahren aussehen? Will man die ganze Region entvölkern, den verbliebenen Rest an Dorfgemeinschaften auch noch zerstören? Wir sind uns schnell einig: Von der Politik ist nichts zu erwarten. Wenn die Menschen sich und ihre Art zu leben retten wollen, dann müssen sie es selber tun – und sie müssen schnell damit anfangen.