Irland Musik

Planxty, die irische Anti Nuclear Band der 70-er Jahre.

 

Heute schreibt Patrick Steinbach im Irish Music Corner über irische Musiker auf den Festivals der 70er Jahre und ihren politischen Einfluss.

 

Das erste Konzert, auf dem ich eine irische Band live gehört habe, war eines dieser Späthippie-Festivals, die regelmäßig auf irgendeinem Acker in unserer Nähe stattfanden. Mit dem Schlafsack unter dem Arm stellten wir uns einfach an die Straße und trampten Richtung Freiheit. Im Nachhinein erinnert man sich glücklicherweise weniger an die Strapazen der mühevollen Anreise, als an das Glück des guten Ankommens. Dort traf man seine Freunde, die bereits ein Zelt aufgebaut hatten und uns mit warmen Bier begrüßten. Die wichtigsten Überlebensutensilien für drei Tage Ungebundensein befanden sich im halbleeren Beutel Tabak. Ja, drei Dinge brauchte der Hippie: Feuer. Pfeife und . . .

Da sah man sie bereits, die Iren. Und merkwürdig, man konnte sie rein äußerlich kaum unterscheiden von den deutschen Festivalbesuchern. Lange Haare, Bärte und Koteletten, Karohemden und unten weit geöffnete Flügelhosen, keine Jeans- sondern Cordhosen, mit denen man mühelos zum Mond hätte fliegen können, wenn die Gravitation nicht so groß gewesen wäre.

Eigentlich wollte ich mein Idol Werner Lämmerhirt sehen und hören, der damals schon als eine Gitarrenlegende gehandelt wurde. Ein cooler Fingerstyle-Gitarrist mit Bärenstimme und sympathischem Entertainment.

Während die deutschen Hippies ihren alternativen Dresscode individuell mit gefärbten Hennasträhnen und bunten Bändchen ums Handgelenk aufzuhübschen versuchten (in Wirklichkeit sahen wir alle gleich aus…), schienen die irischen Besucher irgendwie von Natur aus schon so auszusehen. Sie benötigten nicht ganz so viele Hennasträhnen und bunte Bändchen. Damals erscheinen uns die Iren als die cooleren, eben die echten Natur-Hippies. Uns alle einte: Wir waren wegen der Musik und zum Feiern gekommen.

Wir lernten neue Worte wie Erdloch, Bong und Chillum. Die Krönung war sicherlich, wenn man es schaffte, mit drei Blättchen Zigarettenpapier, eine lange lustige Zigarette zu drehen, die nicht sofort in ihre Bestandteile zerfiel, sobald man sie herumreichte, etwa weil man den Klebestreifen auf die falsche Seite gefummelt hatte.

 


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Es waren friedensbewegte Zeiten, und die einzigen Aggressionen richteten sich in den 70-er Jahren gegen Vater Staat und seine uniformierten Beamten, die durch Atommüll und Pershingraketen unsere Zukunft zu stehlen beabsichtigten, wobei keiner von uns eine Ahnung hatte, wie diese Zukunft denn genau aussehen sollte. Dagegen sein war schon gut genug.

Unser Autor: 18 Jahr, langes Haar . . .

Die irischen Bands – ich erinnere sehr gerne an die Gruppe Wild Geese – hatten ein rebellisches Gen, eine Jahrhunderte alte angeborene Anlage zum Widerstand, die uns mächtig beeindruckte. Ja, die Iren konnten es sogar, wenn sie mussten, mit einem ganzen Königreich aufnehmen, während wir lediglich für eine bessere Welt rauchten, ohne jemals die Komfortzone verlassen zu haben. Das imponierte uns. Vielleicht waren wir einfach zu jung und zu benebelt, um die gesamte Tragweite zu überblicken, nämlich die immense Tragik der irischen Geschichte, welche in deren Liedern anklang. Wir waren jedenfalls schwer beeindruckt von der Selbstverständlichkeit der Auflehnung und von der Verarbeitung des rebellischen Impulses in der Musik.

Irische Musiker konnten damals, so meint Empfinden, mit ihren politisch-blasphemischen Seitenhieben einfach besser unterhalten und auch besser mobilisieren als wir. Wer weiß denn heute noch, dass Irland einst mit dem Gedanken spielte, seine dringend benötigte Energie durch die in den 70er und 80er Jahren so populäre Atomkraft zu decken? Man verdankt eben auch irischen Musikern – die Gruppe Planxty war hier maßgeblich engagiert –  dass es anders kam. Irische Musiker riefen auch in Deutschland gegen Atomkraftwerke auf und sorgten mit dafür, dass Irland bis heute ein atom-freies Land ist (das freilich reichlich Atomstrom aus Großbritannien bezieht). 

Ein kleines Saatkorn wurde damals gesät, wofür ich vielen irischen Musikern dankbar bin. Sie zeigten Mut, sich für politische Ideale einzusetzen, eben für eine gute Sache aufzustehen, auch wenn uns die Gravitation der Bequemlichkeit daran hindern mochte.

 

Dazu lesenswert: Irland und die Atomkraft und Why Ireland never got nuclear power

 

 

 

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