Der Regen ist zurück in Irland. Am vergangenen Wochenende kam der Wetterwechsel im Südwesten der Insel an. Es endete ein irischer Frühling, der ein Sommer war. In den letzten Apriltagen hatte es zuletzt ausgiebiger geregnet, dann folgten 28 trockene, sonnige, warme bis sehr warme Tage. Stefan, unser lokaler Wetterwart, hatte in den vergangenen Monaten nur minimale Niederschläge registriert: Im März 48 Liter, im April 94 Liter, und im Mai bis zum 24. des Monats gerade einmal zwei Liter. Weniger als 150 Liter in einem knappen Vierteljahr: Das ist ungewöhnlich trocken, denn hier im Südwesten Irlands treffen die regensatten atlantischen Tiefs auf die Küstengebirge und entladen sich kräftig. Ein Jahr mit einer Regenmenge unter 2000 Millimetern , also zwei Metern, oder 2000 Litern pro Quadratmeter, gilt hier als eher „trockenes“ Jahr.
Viele Irinnen und Iren waren wochenlang ganz aus dem Häuschen, beschworen den frühen Sommer und verstiegen sich teilweise in aberwitzige Prognosen: Bis Ende September werde das Fabelwetter halten. Spanische und portugiesische Verhältnisse in Irland. Das passte den meisten gut ins Konzept. Wer jetzt einen Urlaub im Ausland gebucht hatte, sollte sich bestraft fühlen. Anderseits sanken die Wasserstände in Seen und Flüssen auf Niveaus, die man hier selten bis nie sieht. Viele Bäche waren bereits Mitte Mai komplett ausgetrocknet. Das Gras wuchs schlecht, die Bauern sorgten sich um Futter und Wasser für ihre Tiere.
Auch für mich war es eine kleine Erlösung, als der Regen einsetzte, die Wassertropfen an die Scheiben prasselten, von Gräsern und Blättern perlten und die Temperaturen sanken. Gegen Kälte und Regen können wir uns leicht aus eigener Kraft mit einer weiteren Schicht aus Wolle oder Goretex schützen, der Hitze und der Dürre sind wir ohne technische Hilfe auf Dauer komplett ausgeliefert.
Ich fragte unseren lokalen Wetterexperten Stefan, was er für die kommenden Monate erwartet. Als Statistiker und Fan des Modells der nahezu konstanten Regenmenge sieht er einen Sommer auf uns zukommen, der kein Sommer sein wird. Aber das sind wir ja mittlerweile gewohnt: Im Juni und Juli erneut maues Wetter? Wenn es schlecht läuft, fällt auch der Hauptferienmonat August ins Wasser? Und danach zumindest ein schöner Herbst? Die Irland-Reisenden werden dies nicht gerne lesen und auf den alten Spruch setzen: „Wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel. “
Falls der göttliche Applaus dann doch nicht eintreffen und Petrus die Schleusen ungehindert öffnen sollte, kann auf jeden Fall die tiefe Einsicht des bayrischen Humor-Philosophen Karl Valentin Trost spenden, der sagte: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“
Regen-Fotos: Markus Bäuchle
Wir haben es auch als erschreckend trocken erlebt. Daher bin ich froh, dass das irische Wetter zurück ist. Die neu gepflanzten Bäumchen hätten es sonst wahrscheinlich wieder nicht geschafft.
Herrlich wieder zu lesen… Danke Markus… auch wir haben uns ziemlich über einige Regenfälle gefreut, die wir nun jeden Tag (mal mehr mal weniger, oft nur drizzle) abbekommen, seit 4 Tagen … und das ganze Land strahlt seitdem wieder in so wunderschön intensiven Farben unter einem immer wieder blauen Himmel und in würzig klarer Luft hier in den Bergen … irgendwie aber erinnert mich das Jahr bisher fast 100% an 2018… da hatten wir auch so einen heftigen, relativ kurzen, viel Schnee- und Eis bringenden Wintereinbruch (damals sogar erst Anfang März, 40 cm Schnee!), dann ab Mitte April bis fast Anfang Juni einen sehr warmen sonnigen „Sommer- Frühling“ (wobei die Iren ja traditionell den Mai schon zum Sommer rechnen) und dann einen „Nicht-Sommer“: kühl und nass die Monate Juni und Juli bis Ende August (nicht ununterbrochen aber schon ziemlich überwiegend), dafür dann noch einen sehr sommerlichen September bis in den Oktober hinein … mal schauen ob das so in etwa so weiter geht wie 2018… ich freue mich jedenfalls über das gerade schön abwechslungsreiche Wetter mit Sonne, weißen Sommerwolken, ab und an einer Regenfront, ein bisschen kühler und windiger (was ich ja gerade schön finde hier) so kann es bleiben, wenns nach mir ginge… und man kann immer noch wunderbare Landschaften genießen wie diese hier …
Lieber Markus,
Wenn selbst die Schafe in Kerry Sonnenbrand bekommen, weiß man: Es war ein besonderer Frühling.
Dein Text hat mich sofort zurückkatapultiert in jene Nachmittage, an denen man glaubt, Valentia Island wäre auf leisen Sohlen Richtung Mittelmeer gedriftet – nur um dann beim ersten ernstzunehmenden Regen wieder in der Realität von Bantry bis Dingle zu landen.
Ich liebe, wie du das irische Wetter nicht nur beschreibst, sondern inszenierst – als Bühne, auf der Natur, Mensch und Gummistiefel miteinander tanzen.
Und irgendwo zwischen dem ausgetrockneten Bachbett und dem feuchten Wollpulli spürt man diese stille Dankbarkeit, dass Irland sich selbst treu bleibt: unberechenbar, lebendig, wunderbar.
Danke für diesen Text mit echtem Westküstenherz. Und sollte der Sommer nun doch ins Wasser fallen – wir wissen ja: In Irland regnet’s nie den ganzen Tag. Nur oft genug davor und danach.
Herzliche Grüße Lorenzo (zurück aus der Ägäis, wo die live erlebten Erdbeben von den Natives als “Tanz der Götter” vorgebetet werden.)
Ich sag ja, Sie kommen ja schon falsch…