Hoppla, die Regierung in Dublin ist  – von der Opposition aufgeschreckt – aus dem Winterschlaf aufgewacht, und ruft gleich den Nationalen Notstand aus. Irland “versinkt” unter einer vier Millimeter dicken Eisschicht, und alle Räder stehen still, weil der strenge Frost es will, und weil das Enteisen von Straßen nicht zu den bevorzugten Stärken der irischen Behörden zählt. Der Schwarzwälder lächelt genauso in sich hinein wie der Alpenländer, der Nordamerikaner oder der Skandinavier.

Wohlwollende halten den sogenannten Führungskräften, die versuchen das Land zu regieren und zu verwalten, zugute, dass der nun seit 20 Tagen anhaltende strenge Frost mit Schnee und Eis auf der üblicherweise von milden Wintern gesegneten grün-weißen Insel eine meteorologische Ausnahmeerscheinung ist, die nur alle 50 Jahre vorkommt. Letztmals herrschte ein richtig langer und kalter Winter in Irland im Jahr 1962/63, also vor 47 Jahren. Allerdings: Das Risiko, dass ein solch harter Winter wieder einmal eintreten würde, war immer vorhanden. Einmal mehr bestätigt sich, dass das Land und seine frierenden Regierenden noch immer vor allem auf Spontanpolitik spezialisiert sind. Erst die lange Liste der Versäumnisse macht klar, dass auch das irische Schnee- und Eischaos überwiegend “home made” ist – hausgemacht.

Es kann noch wesentlich schlimmer kommen – die irische Eiszeit wird mindestens weitere zehn Tage anhalten. In wenigen Tagen aber werden das ohnehin knappe Streusalz und der Split ausgehen – die Vorräte sind erschöpft, und Ministerpräsident Brian Cowen redet sich damit heraus, dass “der große internationale Bedarf an Salz und Split” daran schuld sei. Hört sich gut an, stimmte aber im vergangenen Sommer nicht. Das eigentliche Problem verbirgt sich hinter solchen Aussagen: Das Prinzip “Vorsorge” ist ein Fremdwort auf der Insel, es fehlt an Vorsorge und Planung. Ob Siedlungen gebaut werden, in denen am Ende die Schule fehlt, ob versäumt wird, trotz voller Kassen die Straßen zu bauen, über den die entfesselte Wirtschaft rollen soll, oder ob vergessen wurde, in den fetten Jahren Rücklagen für magere Jahre zu bilden  – es haperte stets an der vorausschauenden Planung.

Fehlende Vorsorge prägt auch das marode Gesundheitssystem, das als schlecht funktionierendes Reparatursystem ausgelegt ist. Fehlende Vorsorge erst machte die große Flut im November zur Katastrophe für das Land, weil der Hochwasserschutz vielerorts fehlte; und fehlende Vorsorge ist nun der Grund dafür, dass 75 Prozent der Grundschulen im Land geschlossen bleiben, dass der öffentliche Verkehr in den Ballungszentren zum Erliegen kam, dass das öffentliche Leben stark eingeschränkt ist, dass den Bauern die Schafe wegsterben, weil sie keine Ställe und kein Wasser haben, dass Menschen wie Blogger Harald ihre Nächte im Büro verbringen müssen, weil sie nicht mehr nach Hause kommen, dass viele andere gar nicht erst zur Arbeit erscheinen, weil Busse, Bahnen und Flugzeuge ausfallen. Wir haben es nicht mit einem skandinavischen Winter und meterhohen Schneemassen zu tun – es gilt zunächst lediglich, vier Millimeter Eis zu entfernen. Die Wartung der spiegelglatten Straßen und Gehwege würde einen großen Teil der aktuellen Probleme schon lösen.

Wahrscheinlich werden sich die Niederländischen Antillen oder die Vereinigten Arabischen Emirate niemals um einen Vorrat an Streusalz und Split kümmern müssen, Irland allerdings ginge besser vorbereitet in den nächsten Winter, wenn die Regierung in Dublin und die County Councils die Wetter-Szenarien der Klimaforscher ernst nehmen und sich darauf planvoll einstellen würden – auch in Zeiten leerer Kassen.

PS: Dass das Leben auch im Winter ungerecht ist beweist, dass wir im Südwesten die klirrende Kälte und das helle, ganztags sonnige Hochdruckwetter genießen dürfen – weil wir von zuhause arbeiten und weil  unsere Versorgungsleitungen (toi toi toi) trotz Dauerfrost nicht eingefroren sind.

Foto: Der zugefrorene Loughrea, County Galway, von Robert Cannon.