Come on, you sheep in green . . .

Murmeltiertag! Der grünste aller Tage ist zurück. 17. März. Happy St. Patrick´s Day in Peking, Moskau, in Lusaka, New York, Dublin, Dubai und dem Rest der Welt. Heute sind wir alle wieder einen Tag lang richtig “irisch”! Patrick´s Day, das ist das Weihnachten der Irland-Vermarkter, denn an diesem Tag lässt sich die halbe Welt vor den niedlichen grünen Werbekarren der Irland-Verkäufer spannen. Der Tag in Grün und Schwarz (Kleeblatt und Bier) beginnt traditionell an der Kirche und endet im Pub.

St. Patrick´s Day, die Feier zu Ehren des irischen Nationalheiligen, von dem niemand genau weiß, wie und wann er lebte, ist Weihnachten, Karneval, Fasching und Oktoberfest im März – und seit einigen Jahren auch der Tag des um die Erde reisenden grünen Lichts. Zum irischen Nationalfeiertag werden vielerorts in der Welt berühmte Gebäude und Sehenswürdigkeiten in Grün beleuchtet. Weit über 300 sind es in diesem Jahr. The Global Greening machte auch vor den Pyramiden von Gizeh, dem Sydney Opera House, der Christus-Statue von Rio (unten), dem Schiefen Turm von Pisa, dem Empire State Building in New York, dem London Eye, den Niagarafällen an der amerikanisch-kanadischen Grenze (unten), den Viktoria-Fällen von Sambia und Simbabwe, dem Berliner Olympiaturm, dem Rheinfall von Schaffhausen und der Fußball-Arena des FC Bayern München nicht halt.

St. Patrick-Darsteller in Dublin

Die Irland-Vermarkter in Frankfurt verordnen auch dem deutschen Publikum den jährlichen irischen Frohsinns-Import. Da kann man sich einfach nicht wehren: “Zu Ehren ihres Nationalheiligen St. Patrick feiern die Iren am 17. März fröhlich und ausgelassen – und stecken mit ihrer Freude die ganze Welt an,” schreiben die Insel-Vermarkter in Frankfurt. Der grüne Infekt. Da gibt es wohl kein Entkommen. In mehren deutschen Städten finden Patricks-Feiern statt, die größte traditionell die Parade in München: Weiß-blau ganz in Grün.

Wer wollte sich da entziehen? Der English-Professor Joe Cleary sinnierte im vergangenen Jahr öffentlich in der Irish Times über den globalen Erfolg der grünen irischen Marketingmaschinerie. Der irische Professor in Yale, Connecticut, USA, zählt den St. Patrick´s Day – neben dem Smartphone, dem Klimawandel oder der Missherrschaft des reichsten einen Prozents, zu den sieben globalen Wundern des 21. Jahrhunderts. Er schreibt, den Iren gebühre weltweit so viel Sympathie, weil sie ein erfolgreiches Symbol sind für den gelungenen Aufstieg vom Proletariat (“hibernian hod carriers”) in das Establishment der anglophonen Welt. Und Cleary weist darauf hin, dass seit den 90-er Jahren staatliche irische Stellen, halbstaatliche irische Agenturen und ein profit-süchtiges Corporate Ireland (er meint wohl Guinness und Co) sich gezielt und erfolgreich dafür einsetzen, ein simples und leicht ausbeutbares Image von Irland zu zeichnen und weltweit zu festigen.

Diese Bilder der Irishness sind so erfolgreich wie trivial und letztendlich falsch: Wenn grüne Schafe Eimer voll schwarzer Sauce trinken, wenn singende Menschen mit hohen grünen Leprechaun-Hüten durch die Straßen ziehen, wenn der grün bemäntelte Plastik-Bischof seinen goldenen Stab schwingt, wenn züchtige Mädchen in grünen Strumpfhosen im Gleichschritt paradieren, und wenn der kleine Leo dem bösen Onkel im Weißen Haus die Kleeschüssel reicht. Dazu ein kräftiger Schuss Katholisches und eimerweise Alkohol.

No Coke today: Das London Eye wirbt für Irland

Irlands Marketingzunft ist es tatsächlich gelungen, eine der drei Grundfarben der menschlichen Wahrnehmung zu kapern, global für sich zu beanspruchen und für eigene Zwecke auszubeuten: Grün ist Irland, grün ist irisch – und sonst gar nichts? Grün ist auch Äthiopien, Afghanistan, Italien, Ungarn oder Brasilien. Grün steht für Kurdistan – und grün ist der Islam. Aber wen interessierts? Man muss einfach den Hut ziehen vor der Geschäftstüchtigkeit der irischen Diaspora weltweit und vor dem strategischen Geschick der regierungsamtlichen Marketingszentrale in Dublin.

Grün ist auch die Farbe des Tags danach: Manche Partygäste sind am Morgen nach dem Patrick´s Day grün im Gesicht. Doch das vergeht, Grün ist schließlich die Farbe der Hoffnung. Nicht zuletzt: Grün steht vor allem für Natur und Ökologie. Wieviel Irlands Grün noch immer mit Natur und schon mit Ökologie zu tun hat, weiß man gerade nicht. Aber wie erwähnt: Grün ist die Hoffnung . . .


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Hier eine kleine Auswahl der fast 300 Wahrzeichen, die sich außerhalb von Deutschland und Irland weltweit bereits haben anscheinen lassen: vorneweg das erneuerte Symbol des westlichen Kapitalismus: das One World Trade Center in New York. Zudem: die Chinesische Mauer, die Niagara-Fälle in Kanada, das London Eye in London, das Rathaus in Antwerpen, das Manneken Pis in Brüssel, das Kolosseum in Rom, der Schiefe Turm von Pisa, die Croisette in Cannes, die Sacré-Coeur-Kirche in Paris, das Riesenrad im Prater in Wien, der Rheinfall in der Schweiz, die Christusstatue in Rio de Janeiro, das Yasser Arafat-Museum in Ramallah, das Burj al Arab in Dubai, der Font Mágica de Montjuïc in Barcelona, der Wasserturm in Ramat Gan in Israel, die Rhino Statue im Nairobi National Park in Kenia, das Rathaus von Sydney, der Kulturpalast in Warschau, der Canton Tower in Guangzhou, das Pen Monument in Hanoi, der Dubai Creek Golf & Yacht Club in Dubai . . .

 

Niagara-Fälle in Grün

Die Niagara-Fälle in Grün

Nur eine kleine alte Dame mit Hut widersetzt sich weiter erfolgreich der Grünen Lichtorgie: Queen Elisabeth II hat dem Ansinnen der irischen Tourismus-Agentur Tourism Ireland, den Buckingham Palace grün zu beleuchten, bis heute nicht nachgegeben. Sie schickte vor Jahren eine freundliche Absage, während sich der Rest der westlichen Welt gerne vor den grünen Promotions-Karren spannen lässt.

Rio

Oh Lord, mir ist ganz grün . . .

Man stelle sich vor, eine andere Nation würde wagen, die Welt zu fragen, ob sie sie einen Abend lang in rot (China),  rot-grün (Libanon), weiß-blau (Israel) oder schwarz-rot-gold tauchen darf. Warum dürfen die Iren, was man den meisten anderen niemals zugestehen würde? Weil sie so niedlich, so friedlich, so freundlich sind? Die grüne Brille wird zum globalen Phänomen.

Das Global Greening findet in diesem Jahr zum 10. Mal statt und hat den sehr ernsten kommerziellen Hintergrund, noch mehr Touristen auf die Grüne Insel zu locken. Irlands oberste Tourismuswerber schielen dabei in erster Linie auf  die irische Diaspora, eine “Gemeinde”, die weltweit 70 Millionen Menschen zählt — Irinnen, Iren, Menschen mit irischen Wurzeln in den USA, Australien, Großbritannien, China, Russland, überall – deren Katzen und Hunde nicht mit gerechnet. Auf der grünsten aller Inseln selber leben 6,6 Millionen Menschen, 4,8 Millionen davon in der Republik, 1,8 Millionen im zum United Kingdom gehörenden Nordirland. Es gilt als gesichert, dass in den USA mehr Iren leben als in Irland selbst.

PS: Joe Cleary, der Professor aus Yale, rät allen Kultur- und Kunstschaffenden, allen Menschen, die sich seriös und ernsthaft mit der irischen Identität und dem Verhältnis Irlands mit der Welt auseinandersetzen, das Klagen einzustellen und sich den von kommerziellen Mächten gekaperten  Patrick´s Day einfach zurück zu erobern. Let´s go . . .

Das Colosseum in Rom

Alle Fotos: Tourism Ireland