Ein hochbezahlter Beamter der Europa-Bürokratie hat den am Geldtropf Europas hängenden Griechen vor einigen Tagen empfohlen, sie sollten ihre herrlichen Strände verkaufen, um aus den Schulden zu kommen und wieder flüssig zu werden. Und die Inseln vielleicht gleich dazu? Diese Ausverkaufs-Gesinnung, die die helfende Hand aus Brüssel und Washington (IWF) lenkt, wurde auch in Irland mit Misstrauen registriert. Werden jetzt als nächstes die natürlichen Resourcen des Landes verhökert und verscheppert? Einzelne Ökonomen rufen schon die Bürger an die Wahlurnen, fordern eine außerordentliche Volksabstimmung über das eigene Schicksal.
Es ist bekannt, dass starke Wirtschaftsländer bereits seit Jahren systematisch und massenhaft fruchtbare Landwirtschaftsflächen in anderen Ländern aufkaufen, um sich die Lebensmittelproduktion der Zukunft zu sichern. Wir wissen von der großen Shopping-Tour Chinas, das in Afrika Hektar um Hektar Agrarland aufkauft, um die Versorgung der eigenen Beöllkerung zu sichern. Folgt diesem Agro-Neo-Imperialismus nun die kulturelle Variante? Läuft Irland Gefahr, dass die Cliffs of Moher bald den Chinesen gehören und von diesen vermarket werden? Dass das finanzielle Hilfsangebot der Japaner nur darauf abzielt, sich den Rock of Cashel unter den Nagel zu reißen? Dass die Amerikaner bald Bunratty Castle, die Aran Inseln und Blarney Castle zum 51. Bundesstaat ernennen? Und dass Inch Beach an ein indisches Konsortium verzockt wird?
Das Szenario scheint übertrieben. Das Privateigentum regiert Irland schon seit Jahrzehnten. Wesentliche Teile der berühmten Berge in Kerry gehören einer deutschen Industriellenfamilie, große Flächen im südwestlichen West Cork sind ebenfalls fest in deutscher Hand. Irische Privateigentümer bestimmen über die schönsten Landspitzen der Insel. Gemeinde-Eigentum und öffentliches Land sind die seltene Ausnahme.
Und doch macht der Ruf nach einer Volksabstimmung Sinn. Irland muss sich von der erdrückenden Schuldenlast befreien, die dem Land und seinen Bürgern von der eigenen Regierung, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds IWF aufgebürdet wurden. Die Bürger der Insel haben diese Schulden nicht alleine aufgehäuft. Wieso sollen sie diese monströsen Milliardensummen deshalb alleine begleichen und das Land damit in die dunklen 50er-Jahre zurück katapultieren?
Natürlich haben viele Paddy Normal-Iren beim großen Monopoly kräftig und gierig mitgespielt. Das ist nicht zu bestreiten. Um seine Zukunft gebracht wird das Land allerdings durch eine einzige politische Entscheidung im September 2008, die totale Bankengarantie. Ihr haben wir es nun zu verdanken, dass die Bürger nicht nur für die eigenen Fehler sondern vor allem für die der Investoren und auch der ausländischen Spekulanten und Banken geradestehen sollen. Mit Moral hat das wenig zu tun, es sind traurige Fakten.
Ich habe immer ein ungutes Gefühl, wenn die moralische Deutung der Verantwortung für den Schlamassel dem klassischen melodramatischen Szenario folgt: hier die bösen Bänker und die – natürlich ausländischen! – Spekulanten, dort der arme unbedarfte Paddy, der so gar nichts dafür kann, dass er seine eigene Zukunft aus einer fatalen Mischung von Gier und Blödheit verzockt hat.
Seien wir bitte doch ein wenig ehrlich: die Situation in Island ist nicht mit der Irlands zu vergleichen, und schon gar nicht, was die sehr unterschiedliche Mitverantwortung der Isländer und der Iren betrifft.
Wenn der Druck von aussen zu gross werden sollte, kann ich mir vorstellen, erinnern sich die Iren daran, was die Isländer beim Fall der Kauthing Bank gemacht haben: Sie haben sich für den Schutz ihres eigenen Landes entschieden und ausländische Spekulanten abgestraft.
Natürlich wird der IWF darauf reagieren müssen – aber können die Sanktionen des IWF Irland härter treffen, als wenn die Heimat Scheibchenweise verlorenginge?
Man darf gespannt bleiben. Toi toi, Iren!