Andere Länder, andere Bilder: Der Wanderer besichtigt nach längerer Abwesenheit die alte Heimat – dort, wo die Mädchen in alten Zeiten den Bollenhut trugen, dort, wo sie heute zur Freude der Touristen so tun, als wäre der rot-schwarze Kopfputz zumindest fester Bestandteil der Festtagsgarderobe; dort, wo die jungen Männer in der wilden Zeit vor den mageren 40 Fastentagen in Tierkostüme steigen und als Waldschrate die alten Alpträume der Altvorderen nachstellen. Es ist das Land fernab der Metropolen, wo Menschen noch so schöne Vokabeln kennen wie “Fremdenzimmer”, Kostgänger” oder “Dissi” und “Chilbi” – Reminiszenzen an den Wortschatz einer fast vergessenen Zeit. Wo die Projektionsflächen für die Sehnsucht des Wanderers selten geworden sind, weil es dafür keine Symbole in den Flächennutzungsplänen gibt.

Es ist auch das Land, wo Menschen Hochgeschwindigkeitszüge stoppen, indem sie – wie man jetzt sagt – “den Robert Enke machen”, um ihre tieftraurige Existenz zu beenden; es ist das Land, wo schwarze Lungen die Rauchverbote in den Gaststätten Zug um Zug weiter aushöhlen.  Das Land, wo das Nichteinhalten der Schnee-Kehrwoche wüste Nachbarschaftskriege auslöst und wo das einzig Nachhaltige einer schwarz-gelben “Wunschpartner”-Politik deren Hang zur Lächerlichkeit und zur eigenen Klientel ist.

In diesem Deutschland halten sich in vielen Köpfen hartnäckig die überkommenen Bilder von der “Grünen Insel”. Gerade in den Gehirnarealen, wo eigene Anschauung keine Spuren hinterlassen konnte, herrscht noch immer Religions-Krieg in Irland, diesem Land hoch im Norden, in dem es immer nur regnet, wo deshalb die Bewohner, wenn sie nicht gerade zur Kirche gehen im Whiskey- und Guinness-Rausch lustige Geschichten erzählen und dazu der Harfe, der Blechflöte und der Volks-Geige lauschen.

Interessanterweise haben sich diese angeblich so rebellischen Iren dem Rauchverbot in den Pubs ohne großen Widerstand unterworfen. Auch legen sie sich, in Ermangelung derselben, fast nie unter Züge – obwohl die Selbstmordrate junger Männer rekordverdächtig ist. Sie sind dem persönlichen Empfinden nach weit friedlicher als die friedensweichgespülten hindukuschelnden Deutschen – und die Uhren in Dublin und Cork gehen genauer als jene auf manchem verwahrlosten deutschen Bahnhof.

Von wegen Zeit: Weil sich der Wanderer auf Reisen nicht dazu entschließen kann, mit Daumentechnik vom Handy aus zu bloggen, und auch nicht, die Welt in Hot Spots und Versorgungslücken zu teilen, werden die Leserinnen und Leser für einige Tage gebeten,  das Anrecht auf “tägliche Berichte” auf diesem Blog nach irischem Verständnis und nicht nach der deutschen Kehrwochenarithmetik zu deuten. An ihren Plänen sollt ihr sie erkennen . . .