Heute frühmorgens aus einem fiebrigen Alptraum aufgewacht: Mir war, ich wäre katholisch – und meine Felle des Glaubens weit flussabwärts, davongeschwommen. 

Dieser Gedanke blieb: Wie fühlt es sich in diesen Tagen eigentlich an, ein irischer Katholik zu sein (oder ein deutscher)? Ist der Glaube erschüttert, sogar zerstört – oder nur der Glaube in die Institution Kirche. Schämt sich ein irischer katholischer Christ in diesen Tagen für seine Kirche, leidet die Katholikin unter inneren Verheerungen, ist ihr Seelenfrieden bedroht?

Die katholische Kirche, einst mächtigste Bastion im Land, die die meisten Menschen im eisernen moralischen Würgegriff hielt, ohne sich an die propagierten Regeln zu halten – diese katholische Kirche hat in Irland ihre besten Tage hinter sich. Und doch: Für lange Zeit wird sie auf der Insel ein wichtiger Machtfaktor bleiben. Die dem Gestrigen verpflichteten schwarzen Netzwerke funktionieren weiter, die institutionalisierte Macht lässt sich nicht einfach abstellen. Selbst der Erzbischof von Dublin bekommt bisweilen Angst vor seiner eigenen Institution: Er sprach kürzlich von “starken Mächten” innerhalb der Kirche, die die ganze Wahrheit über klerikale Verbrechen unterdrückten.

Wie fühlt man sich als Katholik in Irland, ein Jahr, nachdem die neuen Enthüllungen des Ryan-Reports über vielfältige, systematische institutionelle Verbrechen an Kindern der Kirche einen entscheidenden Schlag versetzt haben? Wie nimmt man die Reaktionen der an ihren gepolsterten Stühlen klebenden Kirchenfürsten auf, wie die Verteidigungsversuche des nicht zu Verteidigenden?

Wie kommt an, dass die Kirche nicht davor zurückschreckt, die Gemeinden um die Begleichung der Rechnung zu bitten, wie wirkt es, wenn Priester einen Teil der Entschädigungszahlungen für Opfer der von Priestern und Brüdern begangenen sexuellen Gewalt von Liam und Leanne eintreiben wollen?

Wie fühlen sich Mütter und Väter, wenn sie ihre Kinder morgens zur Grundschule fahren und sich bewusst sind, dass 92 Prozent der 3000 National Schools in Irland bis heute vom Bischof kontrolliert und vom örtlichen Pfarrer geführt werden? Was dachten diese Eltern wohl gestern, als bekannt wurde, dass diese katholische Kirche von den Grundschulen künftig pro Jahr zwei Millionen Euro für Verwaltungsdienste kassieren will?

“Vogelseidank” bin ich aus dem katholischen Traum rechtzeitig aufgewacht – und weiß nun nicht, wie ich mich als Katholik bei all dem gefühlt hätte. Als bekennendes Nicht-Miglied abseits der christlichen Clubs allerdings denke ich: Die institutionelle Macht der katholischen Kirche in Irland muss systematisch an Gesellschaft und Staat übergeben werden, um der Kirche den Raum zu gewähren, sich auf die Erneuerung ihres spirituellen Kerns zu konzentrieren und die Diktatur der alten lebensfeindlichen Männer von innen heraus zu beenden.  


Das heißt zum Beispiel: Anstatt die Kirche für die Verwaltung der Schulen im Land zu bezahlen, sollte eine schnelle Trennung von Kirche und Schulen angestrebt werden. Die Zeit ist reif, um die Schulen endlich aus dem Klammergriff der Agenten einer ausländischen Diktatur mit Sitz in Rom zu befreien. Immerhin sind die Schulen die wichtigste Resource für die Zukunft Irlands, und die sollte man nicht leichtfertig auch nur einen Monat zu lange den Rückwärtsgewandten ausliefern.