Die Milch kommt aus dem Supermarkt, das Wasser aus dem Wasserhahn, der Strom aus der Steckdose, die Wärme aus dem Heizkörper und das Internet aus der Telefonbuchse. Mehr ist dazu nicht zu sagen, oder? Oder doch? Wassermangel, kein Strom, keine Wärme, kein Internet, kein Essen? Wieder ein Report aus dem fernen Afrika oder vom indischen Subkontinent? Nein, nur ein paar ungewöhnliche Erfahrungen aus Irland.

Am Dienstag entlud sich eine große Schneewolke über Irlands südwestliche Counties Cork und Kerry. Zehn, mancherorts 20 Zentimeter Schnee – für einen Kontinentaleuropäer nichts Besonderes, für Irinnen und Iren allerdings eine negative Sensation: So viel Schnee hatten die Menschen in ihrem ganzen Leben nicht gesehen. Auch die Temperaturen ungewöhnlich: bis minus 10 Grad, Dauerfrost.

Der Schneefall hielt nicht einmal einen Tag an. Dann kam die Sonne. Doch die Konsequenzen aus Schneefällen und anhaltendem Frost sind gravierend. Schlecht ausgestattete Arbeitstrupps der County Councils haben es auch drei Tage später noch nicht geschafft, die Haupt-Verkehrsstraßen im Südwesten zu räumen. Es fehlt an Fahrzeugen, an Streumaterial und an Geld. Von den kleinen Nebenstraßen redet gar niemand. Wer bei den Behörden anruft, um nach dem Räumdienst zu fragen, erntet nur ein müdes Lachen, im besten Fall eine lauwarme Entschuldigung. Jeder hilft sich so gut er kann, die Bauern arbeiten viel mit ihren Traktoren, doch effizient kann man diese Räumarbeiten nicht nennen.

Die öffentlichen Busse fahren nicht. Viele Menschen sitzen deshalb fest. Sie können mit ihren Autos noch nicht einmal die Hauptstraßen erreichen. Sie sind abgeschnitten von Lebensmitteln-Läden, von Ärzten, von Postämtern. Wer nicht genügend Vorräte gebunkert hat, dem drohen nun Engpässe. Mancherorts sind die Heizungen eingefroren, fehlt Heizmaterial. Schlimmer noch: In vielen Häusern sind die Wasserleitungen eingefroren, die Wasservorräte gehen zur Neige. Alte alleinstehendeMenschen in schlecht gebauten Häusern sind nun in allergrößter Not.

Wir haben seit zwei Tagen kein fließendes Wasser mehr. Die Leitungen tauen tagsüber nicht mehr auf. Die Leute in der Stadt kaufen die Trinkwasservorräte leer oder sind auf Wasserlieferungen der Behörden angewiesen. Wir sind privilegiert: Ein Bach fließt über unser Grundstück. Mit Eimern holen wir das kostbare Nass aus 300 Metern Entfernung ins Haus, nachdem die Eisschicht aufgeschlagen ist.

Wenn die Natur aus dem Ungleichgewicht gerät, kommt es auch im so sicheren und komfortablen Europa schnell zu Versorgungsengpässen. Wenn das Wasser nicht mehr aus dem Wasserhahn fließt, wird uns bewusst, wie kostbar Wasser ist. Jede Tasse Tee, jede Kopfwäsche, jeder Toilettenspülung benötigt Wasser, will erarbeitet sein. Wieviel Wasser konsumieren wir gedanken-frei an einem ganz normalen Tag? Wie viel Wasser benötigen wir wirklich, um gut zu leben, wie viel, um zu überleben? Wie viel Strom, wie viel Essen, wie viel Mobilität, wie viel Wärme und wie viel Internet?