Irland Offene Landschaft“Nicht über Zäune klettern!” Dieses eher unsportliche Motto geben Zaunzieher und Grundeigentümer in Irland mit Leidenschaft aus. Warum eigentlich nicht, mag man erwidern. Zumal, wenn es der eigene ist. Oder wenn der neue Zaun plötzlich ein altes Wegerecht außer kraft setzt; oder wenn die Draht-Barrikade den Weg in die offene Berg-Landschaft versperrt.

Zaunklettern ist sportlich, Zaunklettern ist politisch — wenn auch nicht immer legal und schon gar nicht gern gesehen. Den Zaun mit der richtigen Technik zu überwinden, ohne ohne ihn zu beschädigen ist  vornehmste Pflicht des Zaunkletterers. Auf jeden Fall ist Zaunklettern überall dort, wo der Zaun nicht die Privatsphäre eines Wohnhauses schützt, sondern lediglich den Zugang zur offenen Landschaft verwehrt, ein Statement  in Grün, so etwas wie ziviler Ungehorsam zivilisierter Wanderer: “Keep Ireland Open” — Haltet Irland offen für Fußgänger, Spaziergänger, Wanderer. Hört auf, die Landschaft abzuriegeln, die Menschen aus der Fläche ausszusperren. Offene Berge für offene Köpfe.

Keep Ireland Open. Diese Forderung müssen sich auch die Irischen Tourismus-Vermarkter von Fáilte Ireland erst noch zu eigen machen, bevor sie beanpruchen können, ihre massiven “Irland-ist-Wanderland-Kampagnen” wirklich ernst zu nehmen;  und vielleicht macht Irlands bauernhörige Regierung irgendwann nach den Feierlichkeiten zum 100. Geburstag des Staates doch noch einen Anlauf, um die Geh- und Wegerechte der Allgemeinheit vor den Einzelinteressen der Eigentümerschaft wirksam zu verteidigen. Ein Blick nach Schottland kann die Richtung wirksamer Politik vorgeben.

Die Zaunbaueritis in Irland scheint indessen ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Das lässt sich schon mit Hilfe der Maßeinheit “Zahl der frei laufenden Schafe per Kilometer Landstraße” erahnen. Die Zeiten, in denen in die Irre führende Agrar-Subventionspolitik den Bau von landschaftsversperrenden Zäunen geradezu herbeiflehte, sind vorbei. Die Förder-Mittel für den Barrikadenbau aus Draht fließen kaum noch, auch die Freude an der Reparatur bestehender Zäune hat seitdem deutlich abgenommen. Man sieht sie wieder, die vierbeinigen Rasenmäher am Straßenrand.