Diebesbrücke Beara

 

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 37)

von Peter Bernhardt 

Heute erzählt Peter von einem besonderen Ort, an dem sich einst ein Priester und ein Dieb trafen: der Diebes-Brücke.

Und so erzählt man sich die Geschichte heute: Eines Tages gingen ein Dieb und ein Priester zusammen am Ufer des Flusses Kealincha entlang, nicht weit von Eyeries. So langsam wurde es Abend. Dunkle Wolken zogen herauf und kündigten an, es könne stürmisch zu werden. Das seltsame Paar schaute sich nach einem geeigneten Schutz um. Der einzig geeignete Platz in der Nähe war unter einer alten Brücke.

Der Priester, der einen großen, verzierten Stab in der Hand hielt, sagte zu dem Dieb, der nur einen alten, trockenen Wanderstock bei sich trug: “Ich werde meinen Stab hier in die Erde stecken, er wird mit Rosen blühen und wir werden sicher sein, denn ich habe nicht gesündigt, was man von dir eher nicht behaupten kann.” Der Priester pflanzte seinen Stab in die Erde und legte sich schlafen.

Der Dieb, der schon seit Kindesbeinen an seinen Lebensunterhalt durch Stehlen und Hehlen verdiente, wusste, dass er sündig war, wandte seinen Blick in die dunkle, stürmische Nacht hinaus, hob seine Augen zum Himmel und betete: “Ich weiß, ich bin nur ein sündiger Dieb, lieber Vater. Aber ich bete, dass mir durch dein Wort meine Sünden vergeben werden und ich sicher schlafen kann.” Dann steckte auch er seinen groben Wanderstock in die Erde und legte sich neben dem Priester.

Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm verzogen. Die Sonne schien vom Himmel und glitzerte auf dem Wasser der Coulagh-Bucht. Als der Priester und der Dieb erwachten, stellten sie fest, dass der Stab und der Wanderstock nicht mehr dort waren, wo sie sie in den Boden gesteckt hatten. Sie überwanden die Uferböschung und suchten nach ihren Wanderstöcken.

Der Priester fand seinen verzierten Stab zuerst. Er war durch die schäumenden Brandung in Stücke zerbrochen worden, die Trümmer lagen am Ufer verstreut. Der Dieb konnte seinen Wanderstab zunächst nicht finden. “Seht!”, sagte der Priester erstaunt. Aus dem Felsen ragte der Wanderstock des Diebes hervor und war mit tausend Rosen bedeckt, so rot wie das Blut Christi.

Diebesbrücke Beara

Die Diebesbrücke mit neuer Stahlkonstruktion

“Ich war nicht demütig vor Gott”, sagte der schwer betroffene Priester zu dem Dieb. “Verzeih mir, mein Freund. Ein sündiger Dieb, der um Vergebung bittet, findet wohl eher das Gehör Gottes, als ein hochmütiger, heiliger Mann, der nicht weiß, was Demut ist.”

Wer den Ort dieses Ereignisses, die Diebes-Brücke (Droichead na Gadaí), mit eigenen Augen sehen möchte, der nehme den ausgeschilderten „Beara Way“ von Eyeries in Richtung Strand. Es sind nur wenige Kilometer. Allerdings hat man die alte Steinbrücke durch eine Stahlkonstruktion ersetzen müssen, da eine massive Flutwelle in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts, Teile der alten Brücke hinweggespült hat. Es sind aber immer noch Reste vorhanden – siehe Fotos.


Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews. Eine Übersicht über alle Beara-Stories gibt es hier.


Fotos: Peter Bernhardt